In Essen wird das längste Hochtemperatur-Supraleiterkabel (HTS) der Welt unter realen Bedingungen getestet. Die vorhandene 110-Kilovolt-Kabeltrasse zwischen den Umspannwerken Herkules (Ostviertel) und Dellbrügge (Innenstadt), die rund einen Kilometer voneinander entfernt liegen, wird im Rahmen des Forschungsprojekts „AmpaCity“ durch ein modernes HTS-Kabel ersetzt. Am 9. April 2013 wurde das Projekt mit einem symbolischen Spatenstich in die Wege geleitet. Durch die Kühlung auf minus 200 Grad Celsius fließt der Strom in Hochtemperatur-Supraleiterkabel verlustfrei – bei gleichem Querschnitt kann es mindestens 100-mal mehr Strom transportieren als Kupfer. Das Kabel kann fünf herkömmliche Leitungen ersetzen und erlaubt zudem den Verzicht auf platzraubende Umspannanlagen in der Innenstadt. Die erforderliche Betriebstemperatur lässt sich laut Angaben von RWE ohne größeren Aufwand mit flüssigem Stickstoff herstellen, wie er auch in der Lebensmittelindustrie oder der Medizin als Kühlmedium eingesetzt wird.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Stefan Kapferer, anlässlich des Baubeginns: „Ziel der Energieforschung ist die Steigerung der Energieeffizienz. Durch die Förderung von „AmpaCity“ bringen wir eine innovative Technologie weiter voran. Die verlustfreien supraleitenden Stromkabel können zukunftsweisend für die innerstädtische Stromversorgung sein.“
Das BMWi fördert das Projekt, das vom Energieversorger RWE, dem Kabelhersteller Nexans und dem Karlsruher Institut für Technologie durchgeführt wird, mit 6,3 Mio. Euro. Den größten Anteil trägt mit 13,5 Mio. Euro RWE (60%). Ziel des Versuchsprojekts ist es, eine Technologie voranzubringen, die zukunftsweisend unter anderem für die innerstädtische Stromversorgung sein kann. Supraleiterkabel können bei energieintensiven Anwendungen voraussichtlich bereits in wenigen Jahren wirtschaftlich mit Kupfer konkurrieren.
Hintergrundinformationen zur Supraleitung
Die meisten Supraleiter müssen bis nahe auf den absoluten Nullpunkt (minus 273 °C) abgekühlt werden, um Strom verlustfrei leiten zu können. Bei Hochtemperatur-Supraleitern liegt die Temperaturschwelle signifikant höher, allerdings werden immer noch rund minus 140 °C benötigt.
Ende 2011 hatten Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz eine sensationelle Entdeckung gemacht: Bei einem Druck von 2,7 Megabar (drei millionenfachen Atmosphärendruck) wird das leichteste bekannte Element, Wasserstoff, bei einer Raumtemperatur von 25°C metallisch und zugleich möglicherweise zu einer Quantenflüssigkeit, so dass es ohne Reibung fließt, und gleichzeitig zu einem Supraleiter, der verlustfrei Strom transportiert. Bislang ist noch kein Stoff bekannt, der eine Kombination der beiden erstaunlichen Quanteneffekte aufweist.
(mb)