Ölabzocke: Bundeskartellamt leitet Wettbewerbsverfahren gegen die Mineralölkonzerne ein

Die Studien zu dem Oligopol auf dem deutschen Tankstellenmarkt, das den Verbrauchern rund 167 Millionen Euro pro Monat zu viel aus den Taschen zieht, haben sich in den letzten Monaten gehäuft. Bundeskartellamt, ADAC und Verbraucherschützer hatten in der Folge mit breiter Rückendeckung der Bevölkerung eine massive Front gegen die Mineralöllobby einschließlich des FDP-geführten Bundeswirtschaftsministerium aufgebaut, um letzteres zum Handeln zu bewegen. Die Bewegung kommt nun allerdings zunächst von anderer Seite: Das Bundeskartellamt hat ein Wettbewerbsverfahren gegen die fünf größten in Deutschland agierenden Mineralölkonzerne eingeleitet.

Das Tankstellenoligopol

Das Bundeskartellamt hatte bereits im Mai 2011 festgestellt, dass die fünf großen Tankstellenbetreiber Aral, Esso, Jet, Shell und Total ein Oligopol auf dem Deutschen Kraftstoff-Markt bilden: „Die fünf großen Tankstellenbetreiber in Deutschland machen sich gegenseitig keinen wesentlichen Wettbewerb.“ Weiter hieß es, es gebe im deutschen Tankstellenmarkt ein „Oligopol von einigen wenigen marktbeherrschenden Unternehmen“ mit „Marktstrukturen zum Nachteil des Verbrauchers“. Das Oligopol setzt sich aus den fünf marktbeherrschenden Mineralölkonzernen Aral/BP (23,5% Marktanteil), Shell (22%), Jet (10%), Esso und Total (jeweils 7,5%) zusammen.

Wettbewerbsverfahren eingeleitet

Die Monopolwächter und Wettbewerbshüter haben nun ein Wettbewerbsverfahren gegen die fünf marktbeherrschenden Konzerne eingeleitet, weil sie freien Tankstellen Benzin und Diesel zu überhöhten Preisen verkauft haben sollen. Die freien Tankstellen sind von den Raffinerien der fünf Großen angewiesen. Der Chef des Bundeskartellamts Andreas Mundt fordert, dass freie Tankstellen „zu fairen Bedingungen beliefert“ werden müssen, da sie nur so den fünf großen Konzernen wirkliche Konkurrenz machen können. Ausgangspunkt des Verfahrens seien „eine Reihe von Beschwerden“ freier Tankstellen über die Preispolitik der Ölkonzerne gewesen.

Mögliche Optionen, das Oligopol zu regulieren

Das Kartellamt hatte bereits nach der Stellungsnahme im Mai 2011 die Autofahrer aufgefordert, verstärkt bei mittelständischen Tankstellen zu tanken, dies stärke den Wettbewerb. Das Nachbarland Luxemburg – selbst nicht unter Sozialismusverdacht – regelt über staatliche Preiskontrollen und einer Preisgrenze den Spritpreis. Die Preisgrenzen errechnen sich „nach einer gesetzlich definierten Formel gemäß der Preisentwicklung an den entsprechenden europäischen Börsen“ – dann bleibt allerdings noch das Problem des manipulierten Ölpreises an den Börsen und die in den letzten vier Jahren ausufernde Rohstoffspekulation. Gegen das westaustralische und österreichische Modell, wonach Tankstellen nur noch einmal täglich den Spritpreis erhöhen dürfen, gibt es hingegen erhebliche Vorbehalte: Der Effekt sei gering bis kontraproduktiv. Von der Mineralöllobby favorisierte zusätzliche Staatshilfen für Autofahrer (Pendlerpauschale) oder geringere Spritsteuern seitens des Staates gehen ihrerseits nicht den Kern des Problems an: Die Abzocke der Mineralölkonzerne. Allein die fünf Großen, ExxonMobil, Shell, Chevron, BP und ConocoPhillips, haben 2011 dank des hohen Ölpreises (Förderkosten nahezu unverändert) einen Nettogewinn nach Steuern in der Höhe von 139 Milliarden Dollar eingefahren. Sie erhalten zudem eine Steuervergünstigung in den USA über 24 Milliarden Dollar, die US-Präsident Obama Ende März zurücknehmen wollte, dann aber an den Lobbyisten unter den Republikanern im Senat scheiterte.

Weitere Handlungsfelder: Ölpreismanipulation und Rohstoffspekulation

Die OPEC manipuliert nach einem Bericht der Neuen Züricher Zeitung den Ölpreis. Mechanismus ist, dass die Fördermenge deutlich geringer angegeben wird als die tatsächliche Förderung, um den Preis hoch zu halten. Hinten herum wird dann mehr produziert und der Weltmarkt zum höheren Preis bedient. Beispiel der größte Produzent Saudi-Arabien: Er fördert pro Tag rund 9 Millionen Barrel, das sind eine Millionen Barrel mehr als seine OPEC-Vorgabe. Das Ergebnis ist beeindruckend für die absolutistische Monarchie der Halbinsel, deren Staatshaushalt mit der Schatztruhe des Monarchen identisch ist, aus der auch hunderte von Prinzen ihre Apanage erhalten: Ein Fass Öl hat einen Gegenwert von derzeit beinahe 120 Dollar, die Differenz allein für Saudi-Arabien beträgt also 120 Millionen Dollar pro Tag, das macht 43,8 Milliarden Dollar aufs Jahr gerechnet. Laut der NZZ treffe dies auf alle OPEC-Mitglieder bis auf Libyen zu. Stichwort Rohstoffspekulation: Der OPEC-Generalsekretär Abdullah El-Badri hatte dies am Rande des World Economic Forums (WEF) in Wien im Juni 2011 gekontert und recht eigenwillig verteidigt und dabei ein weiteres Licht auf die Manipulation des Ölpreises geworfen: Da eine Rechtfertigung des Verhaltens nicht möglich ist, schob er den Schwarzen Peter an die Spekulanten im Ölgeschäft weiter: „Es gibt genug Öl auf dem Markt und die Lager sind gut gefüllt.“ Es werde allerdings seinen Worten nach täglich 35-mal so viel Öl gehandelt wie verbraucht. So solle laut El-Badri niemand den Tatbestand von sich weisen, es würde keine Spekulation geben. (Links und Quellenverweise hierzu sind in dem Artikel „Studie zu Benzinpreisen und Tankstellen-Oligopol: Verbraucher werden abgezockt, Regierung schaut zu“ hinterlegt.)

Die Rohstoffspekulation hat dabei laut der DIHK allein der deutschen Wirtschaft Mehrausgaben von 30 Milliarden Euro im Jahr 2010 beschert. 30 Milliarden Euro, die statt hart erarbeiteten Unternehmensgewinnen und Lohnzuwächsen in den Taschen von Spekulanten und institutionellen Anlegern (Banken, Hedgefonds) flossen, die im Hochfrequenzhandel Computer für sich arbeiten lassen und mit den Gewinnen Lobbyisten finanzieren, um die Politik und die öffentliche Meinung so zu manipulieren, dass sie ihr einträgliches Geschäftsmodell ohne gesellschaftlichen Nutzen zu Lasten der Realwirtschaft und der Verbraucher aufrecht erhalten können. Bislang mit bemerkenswertem Erfolg. (Siehe aktuelle UN-Studie zum Hochfrequenzhandel und zur Rohstoffspekulation.)
(mb)

 

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