Steuerabkommen Deutschland-Schweiz: Keine weiteren Cowboy- und Indianerspiele

Kommentar von Kristina van Deuverden, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Konjunkturpolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Der Beitrag gibt die Meinung der Autorin wieder.

Kapitaltransfers in die Schweiz haben eine lange Tradition. Dafür gab und gibt es viele Gründe; auch das Bestreben, den Zugriff des Fiskus so weit wie möglich einzuschränken, dürfte dazu gehören. Dazu sind die Konditionen in der Schweiz günstig. Zum einen reduziert das Schweizer Bankgeheimnis die Gefahr einer Entdeckung. Zum anderen entkamen Kapitalanleger mit ausländischem Wohnsitz einer Besteuerung lange Zeit ganz. Erst im Jahr 2005 gelang es zumindest der EU, der Schweiz eine Quellensteuer auf nicht deklarierte Kapitalerträge von Investoren mit Wohnsitz in EU-Ländern abzuringen. Kontrollmitteilungen verweigerte die Schweiz sich allerdings entschieden.

Der internationale Druck ließ jedoch nicht nach. Auf Dauer konnte die Schweiz sich weiteren Verhandlungen nicht verschließen, räumte dabei aber der Wahrung des Bankgeheimnisses hohe Priorität ein. Das am 8. August 2011 paraphierte deutsch-schweizerische Abkommen sieht vor, dass Kapitalerträge deutscher Steuerbürger auch anonym besteuert werden können. Ab dem Jahr 2013 soll eine Quellensteuer erhoben werden, die zu der gleichen Belastung wie eine Versteuerung in Deutschland führt. Die über die gesamte Anlagezeit kumulierten Erträge werden nachbelastet – je nach Höhe des Kapitalvermögens mit einem Steuersatz zwischen 21 und 41 Prozent. Für Erbschaften greift ein Steuersatz von 50 Prozent – wie er in Deutschland sonst nur bei nicht Verwandten gilt. Nach Schätzungen der Schweizer Bankiervereinigung wird sich daraus in der Regel eine Belastung des gesamten investierten Vermögens zwischen 21 und 25 Prozent ergeben. Anders ausgedrückt: Das Abkommen ermöglicht es, für einen Preis von bis zu einem Viertel des Vermögens die Anonymität zu wahren und sich von einer möglicherweise seit Jahrzehnten währenden Steuerhinterziehung reinzuwaschen.

In breiten Kreisen von Öffentlichkeit und Politik ist die Empörung groß. Dies ist nachvollziehbar, denn Steuerhinterziehung ist – auch wenn Viele dies immer noch zu glauben scheinen – kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Auch auf Länderebene – das Abkommen ist im Bundesrat zustimmungspflichtig – regt sich Widerstand, obwohl die Mehreinnahmen überproportional an die Länder fließen würden. Der wiederholte Ankauf von Steuer-CDs durch einzelne Länder stellt zudem die Unterzeichnung des Abkommens von Schweizer Seite infrage. Solche Daten ermöglichen nicht nur eine Strafverfolgung. Vor allem wird eine Entdeckung wahrscheinlicher, und die Zahl der Selbstanzeigen nimmt zu. Bei einer Selbstanzeige werden die Kapitalerträge nachversteuert. Hinzu kommen Hinterziehungszinsen und Kosten für Anwalt oder Steuerberater. Finanziell dürfte dies regelmäßig günstiger ausfallen, als es das Abkommen für die anonymisierten Kapitalanlagen vorsieht. Außerdem sind strafrechtliche Konsequenzen in der Regel nicht zu erwarten, es sei denn, mit der Kapitalanlage hängen weitere Straftatbestände zusammen. Allenfalls müssen mit dem Ermittlungsverfahren verbundene Unannehmlichkeiten und auch das potentielle Risiko eines Ansehensverlustes in Kauf genommen werden. Dies zeigt: Auch der Kauf von Steuer-CDs beseitigt die Ungerechtigkeit nicht.

Das Abkommen bietet zumindest die Möglichkeit, in der Schweiz erzielte Zinserträge deutscher Steuerzahler systematisch zu erfassen und Steuerhinterziehung als Motiv für eine neuerliche Kapitalflucht zu beseitigen. Allerdings besteht die Gefahr, dass das Kapital – auch das bisher auf Schweizer Konten liegende – in andere Steuerparadiese fließt. Diese ist umso größer, als das Abkommen bereits eineinhalb Jahre vor seinem Inkrafttreten paraphiert wurde und somit genug Zeit für Ausweichreaktionen lässt. Zudem wird deutschen Steuerfahndern ein nur geringes Recht auf Informationen eingeräumt. Lediglich stichprobenartige Anfragen können gestellt werden. Hier sollte dringend nachgebessert werden, zumal es den USA gelungen ist, weitergehende Zugeständnisse zu erreichen. Sonst aber gilt: Eine rechtlich saubere Lösung ist allemal besser als der sporadische Ankauf von Steuer-CDs, der letztlich nur begrenzt die Steuerflucht unterbinden kann und die politischen Beziehungen zur Schweiz belastet.


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