Europäische Ratingagentur von Roland Berger wegen mangelndem Startkapital vor dem Aus

Das Beratungsunternehmen Roland Berger hatte im Juni 2011 ursprünglich den Aufbau einer europäischen Ratingagentur angekündigt, um die Macht der großen Drei zu brechen – Mood’s, S&P und Fitch vereinen rund 95% des Weltmarktes auf sich. Dabei stehen nicht zuletzt die Eigentumsverhältnisse der in den USA ansässigen Ratingagenturen in der Kritik:

Moody’s und S&P werden zu großen Teilen von den gleichen Aktionären kontrolliert. Dazu zählen große und teilweise miteinander verbundene US-Fondfirmen, wie The Capital Group, Blackrock, State Street und Fidelity, sowie große Finanzkonzerne, wie die Morgan Stanley Bank und die Bank of New York. Zusammengenommen besitzen sie 38% der MacGraw-Hill-Aktien, den Mutterkonzern von S&P, und 49% der Moody’s Aktien. Dabei vereinen die beiden größten Ratingagenturen 80% des Marktes und fahren regelmäßig Umsatzrenditen von 40% ein. Durch den Einfluss der Aktionäre ist dabei zu erwarten, dass die Konkurrenz zwischen den Ratingagenturen verzerrt ist.

Große Kritik brachte dann das Verhalten der drei Ratingagenturen im Vorfeld der Lehmann-Pleite 2008, als selbst Rammschpapiere noch Bestnoten erhielten sowie dann im Umkehrschluss deren Verhalten in der Euro-Schuldenkrise, als stetige Abwertungen zu einer Self-Fulfilling-Prophecy zu Lasten der Euroländer wurden. Das hatte von der Finanzkrise „ausgehungerte“ Finanzjongleure dann zu Wetten gegen den Euro und gegen Staatsanleihen aus den Schuldenländern regelrecht eingeladen. Zu den prominenten Kritikern, die eine Entmachtung der großen Drei gefordert hatten, zählten im letzten Jahr u.a. die EU-Justizkommissarin, der Chef der EU-Wertpapieraufsicht ESMA sowie der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI).

Die europäische Ratingagentur

Noch im Januar 2012 war Roland Berger optimistisch, die 300 Millionen Euro Startkapital zur Gründung einer europäischen Konkurrenz-Agentur bis Ende des 1. Quartals 2012 eingesammelt zu haben, um dann im 2. Quartal mit der Gründung der Ratingagentur beginnen zu können und bis Ende 2012 dann die ersten Bonitätsprüfungen vorzulegen. Der Sitz wäre vermutlich die Niederlande gewesen. Dabei hätte die neue europäische Ratingagentur auch auf einem neuen Geschäftsmodell beruht: Bislang haben für die Ratings die Emittenten von Wertpapieren gezahlt, also diejenigen, die bewertet wurden. Daraus ergibt sich jedoch ein Interessenskonflikt. Roland Berger wollte hingegen die Investoren zahlen lassen. Damit hätte die Agentur keinen Anreiz mehr gehabt, sich mit übertrieben guten Noten Aufträge zu sichern. Zudem hätte sie sich auch zu einer höheren Transparenz verpflichtet – ebenfalls ein großer Kritikpunkt an den drei Marktführern. Auch hätten die bewerteten Firmen verpflichtet werden sollen, regelmäßig die Agentur zu wechseln, ähnlich wie es bereits bei den Wirtschaftsprüfern Pflicht ist. Die Ratingagentur wäre dann eine privatfinanzierte, nicht gewinnorientierte Stiftung gewesen.

Kein Interesse seitens der europäischen Banken

Laut der „Financial Times Deutschland“ steht das Projekt nun allerdings vor dem Aus. Roland Berger gehe nicht mehr davon aus, die notwendigen 300 Millionen Euro Startkapital für den Aufbau des Projekts zusammen zu bekommen. Neben dem Desinteresse deutscher und französischer Banken habe es auch aus der deutschen Industrie Gegenwind gegeben, u.a. von Bund der Deutschen Industrie (BDI). Hinzu kamen auch Bedenken der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Finanzaufsicht ESMA, die das Modell für nicht praktikabel hielten.
(mb)

 

Kennen Sie schon die Leinwände von Inspiring Art?