Arthur D. Little, Studie: Industrie 4.0 und „Integrated Industry“

„Integrated Industry“ und die deutsche Industrie

Im Vergleich zum internationalen Wettbewerb insbesondere aus Asien und den re-industrialisierten Regionen Großbritanniens und den USA ist die deutsche Industrie für „Integrated Industry“ sehr gut aufgestellt und kann in die Rolle des Schrittmachers hineinwachsen. Die Automobilindustrie inklusive Auto-zu-Auto-Kommunikation und den neuen intelligenten Mobilitätskonzepten, die Produktionstechnik und die IT Branche sind dabei klassische Stärken der deutschen Industrie. Das notwendige Denken in integrierten Systemen und Lösungen ist insgesamt weit verbreitet.

Die deutsche Industrielandschaft ist gewachsen, vielfältig spezialisiert und hat die notwendige Breite und Tiefe. Selbst mittelgroße deutsche Industriebetriebe sind heute international ausgerichtet und vernetzt. Der Technologiestandort Deutschland und seine Forschungs- und Innovationscluster weisen tragfähige Netzwerke aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf. Deren Anpassungs- und Leistungsfähigkeit wird sich an der „Integrated Industry“ beweisen können. Auch die Energiewende sollte als eine solche Chance verstanden werden.

Verwöhnt durch ein oftmals sehr erfolgreiches Produktgeschäft hat die deutsche Industrie im Durchschnitt noch Nachholbedarf bei dienstleistungsorientieren Geschäftsmodellen und auch im Bereich der Internettechnologien. Auch der demografische Wandel muss zukünftig noch stärker berücksichtigt werden. Während Japan und China kurzfristig mit ähnlichen demografischen Herausforderungen zu kämpfen haben, wird insbesondere die Entwicklung im sich re-industrialisierenden Nordamerika aufmerksam zu beobachten sein.

Intelligente Gebäudetechnik als Beispiel

Die technische Gebäudeausstattung (TGA) liefert ein ideales Beispiel für reale Ausprägungen von Teilaspekten der „Integrated Industry“. Der unterschiedliche Integrationsgrad in verschiedenen Märkten lässt dabei schon heute Analogieschlüsse zu.

Was die Gewerke der TGA (Heizung, Klima, Sanitär, Zugangskontrolle etc.) im Kleinen sind, ist vergleichbar mit den Branchen der „Integrated Industry“. Traditionell ist die Gewerke-Trennung in Deutschland heute noch sehr stark, in den USA ist diese Trennung beispielsweise weniger ausgeprägt. Zukünftig wird es zu einer stärkeren Integration der Gewerke kommen und systemische Gesamtlösungen sind gefragt. Die stärksten Treiber dafür sind die Steigerung der Energieeffizienz und das Sicherheitsbedürfnis der Nutzer.

Zunehmende Vernetzung insbesondere der Domänen Licht, Heizung/Klima, Sicherheit und Gebäudeautomation ermöglichen Quantensprünge bei der Energieeffizienz – Stichwort „Niemand im Raum, dann Licht aus und Heizung runter“. Dabei muss die Vernetzung nicht einmal zwischen den Domänen selbst erfolgen, sondern kann über internetbasierte Plattformen geschehen. Auch bei den Betreibern von Rechenzentren setzt ein Umdenken ein und sie öffnen sich für die Sensordaten aus dem Gebäude. Aus diesen Datenströmen lassen sich Optimierungskonzepte ableiten.

Diese Art von integrierten Konzepten und abgeleiteten Energiedienstleistungen werden in den USA seit langem von spezialisierten Anbietern (sogenannten Energy Service Companies / ESCOs) realisiert.

Innovation weit über Produkte und Dienstleistungen hinaus

So logisch die Entwicklung von „Integrated Industry“ auch klingt, einige wirtschaftliche und technologische Hürden müssen auf dem Weg dahin noch überwunden werden. So gilt es auf wirtschaftlicher Seite, tragfähige Geschäftsmodelle inklusive richtiger Positionierung und Preispolitik zu entwickeln, sowie diejenigen Anwendungen zu identifizieren, die dem Kunden den Mehrwert bieten, für den er auch zu zahlen bereit ist. Mobilitätskonzeptanbieter wie Drive-Now oder car2go variieren z.B. momentan noch Service und Preis, um die richtige Konfiguration ihrer Geschäftsmodelle zu finden.

Auf technologischer Seite gilt es, die gesammelten Daten über das Potenzial eines Produktes oder einer Dienstleistung korrekt zu interpretieren und aufzubereiten, es muss die technologische Umsetzbarkeit und Anwendbarkeit gewährleistet sein sowie die Anwendung selbst technologische Zuverlässigkeit über einen langen Zeitraum bieten.

Wo sich neue Geschäftsfelder auftun, sind bewährte Geschäftsmodelle häufig einem Bestandstest ausgesetzt bzw. laufen Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten. Daher sind von Anfang an auch die weitere Entwicklung des bisherigen Produktportfolios zu betrachten sowie die Optionen im Verhältnis von eventuell nun konkurrierenden neuen Geschäftsmodellen.

Insgesamt geht es für die deutsche Industrie hier um weit mehr als um neue Produkte und Systeme, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle. Es geht darum, sich im Ökosystem der „Integrated Industry“ neu zu erfinden. Die Unternehmen müssen dafür:

  • selbst agiler werden und flexibel agieren (siehe dazu die Konzepte „Lean & Agile“)
  • auf dezentrale Selbstorganisation und die Vernetzung über Unternehmensgrenzen und Branchen hinaus setzen
  • den Informationsfluss (Wasserfall) umkehren und mehr von unten nach oben kommunizieren
  • ihren „Kern“ definieren und diesen auch schützen

Arthur D. Littles aktuelle und globale Studie zum Thema „Innovation Excellence“ zeigt, wie das gelingen kann. Alles in allem hat „Integrated Industry“ vor diesem Hintergrund das Potential, zum Segen für die deutsche Industrie zu werden.

(Arthur D. Little)

Weiterführende Informationen:

Industrie 4.0: Informationstechnik ist der Schlüssel für die Fabrik der Zukunft
Technologieprogramm, Leitfaden: “AUTONOMIK für Industrie 4.0″
Industrie 4.0 – Vernetzung intelligenter Produktionstechnik – Umfrage und Leitstudie

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