Digital Photonic Production: Wissenschaft und Industrie gestalten die Zukunft der Produktionstechnik

Mit dem Forschungscampus „Digital Photonic Production“ stehen Industrie und Wissenschaft in Aachen ein schlagfertiges Instrument zur Gestaltung der Zukunft der Produktionstechnik zur Verfügung. Rückenwind gibt mit bis zu 30 Millionen Euro die Förderinitiative „Forschungscampus – öffentlich-private Partnerschaft für Innovationen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF. Der Lehrstuhl für Lasertechnik LLT der RWTH Aachen University ging als Koordinator eines Antragskonsortiums von Industrie und weiteren Instituten der RWTH als einer von 10 Gewinnern aus dem nationalen Wettbewerb hervor. Zusammen mit der in Europa herausragenden lasertechnischen Infrastruktur des kooperierenden Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT und den bereits vorhandenen Initiativen und Netzwerken in diesem Bereich entsteht nun in Aachen ein nationales Zentrum für Digitale Photonische Produktion. Die intensive Kooperation von Forschung und Industrie birgt darüber hinaus große Chancen für Ausgründungen.

Mit Selective Laser Melting hergestelltes, belastungs- und ressourcenoptimiertes Radlager.
© Fraunhofer ILT/Volker Lannert.

Ziel der deutschlandweiten Förderinitiative »Forschungscampus – öffentlich-private Partnerschaft für Innovationen« des BMBF ist es, frühzeitig und langfristig die Zusammenarbeit von Hochschulen, Forschungsinstituten und Wirtschaft in zehn wirtschaftlich und gesellschaftlich relevanten Technologiebereichen zu fördern. Am 25. September 2012 gab Bundesforschungsministerin Annette Schavan die zehn Gewinner der Initiative bekannt, darunter der von Prof. Poprawe über den Lehrstuhl für Lasertechnik LLT koordinierte Forschungscampus »Digital Photonic Production«. Über einen Zeitraum von 15 Jahren stehen dem Forschungscluster zusätzlich zu den eigenen Beiträgen bis zu 2 Mio. Euro jährlich zur Verfügung, um das zukunftsweisende Thema systematisch nach vorne zu treiben.

»From Bits to Photons to Atoms«

Hinter dieser Formel verbirgt sich das technologische Potenzial von »Digital Photonic Production«: Auf Basis digitaler Daten können mit dem Werkzeug Licht individualisierte und nahezu beliebig komplexe Bauteile in geringen Losgrößen kostengünstig hergestellt werden. Bereits seit mehreren Jahren ist die photonenbasierte Produktion im Bereich Rapid Manufacturing Gegenstand von Forschung und Entwicklung in Aachen. Beispielsweise gelang es den Aachener Forschern erstmals, mit Selective Laser Melting metallischen Zahnersatz herzustellen. Dies führte auch zu neuen Geschäftsmodellen in der Dentaltechnik. Für die Entwicklung des generativen Verfahrens SLM, das mittlerweile in den unterschiedlichsten Branchen zum Einsatz kommt, erhielt Prof. Poprawe und sein Team den NRW-Innovationspreis 2011.

Derzeit erproben Unternehmen der Automobil- und Luftfahrtindustrie das Potenzial der Serienfertigung von funktions- und ressourcenoptimierten Bauteilen. Nun erfolgt der nächste Schritt: die Verkettung der lasertechnischen Fertigungsprozesse mit den vorgelagerten Design- und Konstruktionsplanungen und den nachgelagerten Prozessen und logistischen Fragestellungen. Ziele der industriellen Partner sind beispielsweise das Einschleusen maßgeschneiderter Bauteile in kleinen Stückzahlen in die auf Massenproduktion ausgelegten Anlagenparks, die Einbindung der Kunden in die Gestaltung individualisierter Bauteile sowie die systematische Reduktion vorhandener Ersatzteillager.

Rapid Manufacturing von Turbinenbauteilen.
© Fraunhofer ILT/Volker Lannert.

»Digital Photonic Production« ist nicht auf generative Fertigungsverfahren beschränkt. Weitere Produktionsstrategien, die im Rahmen der BMBF-Förderinitiative systematisch verfolgt werden, sind unter anderem die Erzeugung nanometerfeiner Strukturen durch Abtrag mit Ultrakurzpulslasern, Laserpolitur von Metallen, Glas und Kunststoff sowie die Erzeugung dreidimensionaler Mikrofluidiksysteme mit selektivem Laserätzen.

Die Förderdauer des Forschungsclusters von 15 Jahren soll unter anderem dazu genutzt werden, die grundlegenden Voraussetzungen zu schaffen, damit Digital Photonic Production in vielen Branchen der produzierenden Industrie marktfähig wird. Die eigentliche Herausforderung ist die Verkettung von Planung, Konstruktion, Design, Materialauswahl, Fertigung und Logistik, so dass mit generativen, abtragenden und funktionalisierenden Laserverfahren eine flexible Serienproduktion unabhängig von der Losgröße wirtschaftlich realisierbar ist. Digital Photonic Production eröffnet neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen für die produzierende Industrie wie »cocreation « und »mass customization«. Wichtige Zukunftsfelder sind Mobilität, Energie, Gesundheit sowie die Informations- und Kommunikationstechnik.

Nationales Kompetenzzentrum auf vier Pfeilern

Durch selektives laserinduziertes Ätzen hergestellte Mikrozahnräder im Größenvergleich.
© Fraunhofer ILT/Volker Lannert.

Zusätzlich zu den Aktivitäten des BMBF-Forschungsclusters wird in Aachen die Kooperation von Forschung und Industrie durch eine einmalige Initiative der RWTH Aachen vorangetrieben: Auf einem neuen Areal von ca. 250.000 qm werden sich Unternehmen in unmittelbarer Nähe der Universität ansiedeln, die in 19 Themengebieten mit den Instituten vor Ort kooperieren. Eines dieser Themengebiete ist »Digital Photonic Production«. Bereits bestehende Initiativen in diesem Bereich sind das »Exzellenzcluster Produktionstechnik – Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer« (hierzu gehören 25 Institute, denen über einer Laufzeit von 5 Jahren 40 Mio. Euro zur Verfügung stehen) und das Fraunhofer »Innovationscluster TurPro – Integrative Produktionstechnik für energieeffiziente Turbomaschinen« (zu den Partner gehören 16 Industrieunternehmen, darunter Global Player wie MAN Diesel & Turbo, Siemens PG, Rolls-Royce Deutschland und MTU Aero Engines, das Gesamtvolumen beträgt 10,25 Mio. Euro). Innerhalb dieser Forschungskonsortien ist es den Aachener Wissenschaftlern zum Beispiel gelungen, mit einer innovativen Fertigungstechnologie die Produktionskosten von BLISKs signifikant zu reduzieren: Diese wichtigen Bauteile für den Triebwerk- und Turbinenbau können mittels Laserauftragschweißen im Vergleich zu konventionellen Verfahren mit einer Materialeinsparung von bis zu 60 Prozent und einer Verkürzung der gesamten Fertigungszeit um rund 30 Prozent hergestellt werden. Im Rahmen des Exzellenzclusters wurden für den Leichtbau Automobilteile mit einer Gewichtsreduktion von bis zu 40 Prozent entwickelt, wie beispielsweise ein SLM-gefertigtes topologieoptimiertes Radlager.

Forum »Photonische Prozessketten«

Auf der EuroMold 2012 in Frankfurt veranstaltet das BMBF zusammen mit dem Fraunhofer ILT, dem VDMA und der DEMAT vom 28. bis zum 29. November 2012 ein Forum zum Thema »Photonische Prozessketten – die Revolution in der Produktion?«. Werkzeug- und Formenbauer, Automobilzulieferer und -hersteller, medizintechnische Unternehmen sowie Vertreter der Turbomaschinen- und Flugzeugindustrie referieren über Möglichkeiten und Herausforderungen intelligenter Verkettung photonischer Produktionsprozesse. Im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen steht die Notwendigkeit, die Fertigung eines Produkts nicht nur in ihren einzelnen Schritten zu begreifen, sondern die Gesamtheit ihrer Prozesse in der vollständigen Prozesskette zu betrachten.

Quelle: Fraunhofer ILT

Kennen Sie schon die Leinwände von Inspiring Art?