Interview mit Prof. Dr. Rommel zum AUGSBURG Innovationspark

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rommel hat Verfahrenstechnik an der TU München studiert und ist seit 2000 Professor für Verfahrenstechnik an der HS Augsburg. Seit 2002 ist Prof. Rommel Stellvertreter des Geschäftsführers und seit 2006 Geschäftsführer des bifa Umweltinstituts. 2010 hat er die Ehrenplakette des Vereins Deutscher Ingenieure verliehen bekommen. Das Thema des Interviews ist das 500-Millione-Euro-Projekt AUGSBURG Innovationspark und das „Carbon Valley im Lechtal“ aus der Sicht des bifa Umweltinstituts. Zentrales Aufgabenfeld ist hier die Ökoeffizienz der noch zu entwickelnden Produktionsprozesse, die Life Cycle Analysis der Kohlenfaserverbundwerkstoffe sowie letztendlich Recyclingtechnologien für die Carbonbauteile. (Zum Audio-Podcast.)

Schönen guten Tag Herr Prof. Dr. Rommel. Sie sind Professor für Verfahrenstechnik an der Hochschule Augsburg und Geschäftsführer des bifa Umweltinstituts. Zudem arbeiten Sie auch im Fachausschuss für Abfallbehandlung und Wertstoffrückgewinnung der Gesellschaft für Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen des Verbandes der Deutschen Industrie. Wie lange gibt es nun schon das bifa Umweltinstitut und was sind dabei genau Ihre Aufgaben?

Wir feiern dieses Jahr offiziell unser 20-jähriges Bestehen. Meine Aufgabe ist die Institutsleitung. Das bifa Umweltinstitut beschäftigt sich im Zusammenhang mit dem AUGSBURG Innovationspark schwerpunktmäßig mit zwei Themenstellungen: Erstens dem Recycling der Carbonfaserverbundmaterialien, mit denen sich der Innovationspark beschäftigt, sowie zweitens mit der Ökobilanzierung dieser Materialien (Life Cycle Analysis). Mit beiden Themenbereichen beschäftigt sich das bifa bereits seit vielen Jahren, so dass wir hier bereits über viel Erfahrung verfügen. Und diese Erfahrung wenden wir jetzt ganz speziell auf die Carbonfaserverbundmaterialien an.

Auf das Recycling von Carbon-Materialien kommen wir gleich noch zu sprechen. Können Sie uns zunächst noch ein paar Beispiele für bisherige Projekte am bifa Umweltinstitut geben?

Wir entwickeln Recyclingverfahren für ganz unterschiedliche Abfallfraktionen. Wir haben beispielsweise für HP das Recyclingverfahren für Tintenstrahldruckerpatronen entwickelt. Wir haben einige Verfahren in dem Bereich des Recyclings von Schleifschlämmen und ähnliches entwickelt, sowie auch Recyclingverfahren für Photovoltaikmodule. Wir entwickeln also technologisch Recyclingverfahren für die unterschiedlichsten wertstoffhaltigen Fraktionen und setzen diese dann auch um und belassen es nicht nur bei der Theorie. Im Bereich der Ökobilanzierung machen wir die unterschiedlichsten Projekte für die unterschiedlichsten Auftraggeber: Beispielsweise einige Ökobilanzierungen für Audi, wo es um unterschiedliche Fragestellungen der Oberflächenbehandlung ging; aber genauso gut für die öffentliche Hand, beispielsweise wie geht man möglichst effizient mit Bioabfällen oder auch mit gefährlichen Abfällen um, oder wie Effizient ist überhaupt die Abfallwirtschaft, die momentan betrieben wird.

Im Rahmen des geplanten Innovationsparks nimmt das Umweltinstitut eine Schlüsselrolle ein: Es ist ja vorgesehen, dass die anderen Forschungseinrichtungen die bisherige Manufaktur bei der Herstellung der zukunftsträchtigen Faserverbundwerkstoffe zur industrielle Massenproduktion weiterentwickeln. Die Aufgabe des Umweltinstituts ist in diesem Zusammenhang dann, Möglichkeiten zu entwickeln, die stark anwachsenden Stoffströme an diesem Material am Ende ihrer Lebenszeit wieder zu beseitigen, beziehungsweise zu recyceln.

Das ist sicherlich korrekt, aber es geht auch darum, die Produktionsverfahren möglichst ökoeffizient zu gestalten. Also dafür zu sorgen, dass weniger Abfälle entstehen, dass die Produktionsverfahren weniger Energie verbrauchen und es insgesamt zu weniger Emissionen kommt. Das ist zwar schwerpunktmäßig bei den produktionstechnischen Instituten angesiedelt, aber wir unterstützen hierbei zumindest. Unser Schwerpunkt ist ganz klar, wenn die Materialien letztendlich das Ende ihrer Lebenszeit erreicht haben, technologische Verfahren zu entwickeln und auch umzusetzen, die ein hochwertiges stoffliches Recycling ermöglichen. Die Betonung liegt auf hochwertig, denn die Kohlenfaserverbundwerkstoffe enthalten sehr viel Energie und diese Materialien müssen in einen Kreislauf geführt werden, wenn sie ihren Umweltvorteil dann auch tatsächlich in der Praxis ausspielen wollen. Wenn sie anschließend nur verbrannt oder im schlimmsten Fall sogar nur deponiert werden würden, dann könnten sie ihren Umweltvorteil über den Lebensweg gar nicht ausspielen.

Und diese Kooperation unter den einzelnen Forschungsinstituten wird auch so einfach funktionieren, wie man sich das angedacht hat?

Ja da gibt es ja bereits Beispiele. Wir haben bereits konkrete Kooperationsprojekte, beispielsweise mit der Forschungsgruppe funktionsintegrierter Leichtbau vom Fraunhofer-Institut hier in Augsburg, so dass wir hier eigentlich keine Probleme in der Kooperation sehen.

Um auf das zentrale Thema Carbon zu sprechen zu kommen: Carbon, also Kohlenstofffaserverbundwerkstoffe, verhält sich ja beim Schleifen ähnlich wie Asbest: Die kleinsten Partikel schädigen das Lungengewebe und reizen die Haut. Entsprechende Sicherheitsvorkehrungen gelten dann auch bei solchen Arbeiten. Wie gefährlich ist nun für die Arbeiter das Recycling dieses Materials?

Das ist eigentlich ein Arbeitsschutzthema, das in erster Linie bei der Produktion anfällt. Beim Recycling ist das eigentlich nicht relevant, weil wir für das Recycling nur eine Vorverkleinerung benötigen, so dass praktisch keine Stäube freigesetzt werden. Und der anschließende Prozess ist dann ein pyrolytischer Prozess in einem geschlossenen Reaktor und für die entstehenden Pyrolysegase gibt es dann eine Rauchgasreinigung, so dass hier keine Freisetzungen erfolgen. Das Recycling ist also arbeitsschutztechnisch kein wirkliches Problem.

Sie haben gerade das pyrolytische Verfahren angesprochen. Was muss man sich darunter genau vorstellen?

Pyrolytisches Verfahren bedeutet im Endeffekt verschwelen. Wenn Sie zu Hause einen Kaminofen haben, den an schüren und dann die Luftzufuhr unterbrechen, dann sieht man, dass das ganze nur noch glimmt und offensichtlich Gase, Rauch freigesetzt wird. Genau das passiert auch bei der Pyrolyse. Sie erhitzen einen Stoff, lassen aber keinen Sauerstoff hinzu, so dass die Oxidationsreaktion nicht stattfinden kann und dann zerfallen die Substanzen in Ausgangsbausteine, in kleine chemische Moleküle. Und in dem Fall wird die Kunststoffmatrix, in der die Carbonfasern eingebettet sind, pyrolisiert und in Kohlenstoffmonoxid und andere organische Gase zersetzt.

Werden kleine und mittlere Unternehmen der Region, die sich auf Recycling und Entsorgung spezialisiert haben, von Ihren Erkenntnissen kostenfrei profitieren können? Oder muss man sich von Anfang an an dem Projekt, also an der Forschung und der Entwicklung, beteiligen?

Beides. Wir betreiben ja hinterher keine eigene Recyclinganlage, sondern die Technologieentwicklung wird ja gerade deshalb gemacht, dass Unternehmen – sicherlich in erster Linie aus der Region, aber auch darüber hinaus – davon profitieren. Das kann einerseits dadurch entstehen, dass Know-how entwickelt wird, das man dann den Unternehmen, zu welchen Konditionen auch immer, zur Verfügung stellt. Am liebsten ist es uns jedoch natürlich, wenn sich die Unternehmen direkt an den Projekten beteiligen, was bei uns auch eher die Regel als die Ausnahme ist.

Welche weiteren großen Herausforderungen gibt es derzeit im Bereich des Recyclings? Was sind das für harte Nüsse in diesem Bereich, die es möglichst schnell zu knacken gilt?

Da gibt es unterschiedliche Baustellen. Zum einen geht es darum, wie kommt man überhaupt an die Carbonbauteile in den Produkten heran, damit man sie anschließend hochwertig recyceln kann. Nehmen sie beispielsweise Strukturbauteile in Autos. Heute wird ein Auto so recycelt, dass es zunächst trocken gelegt wird, in dem man die Flüssigkeiten herausnimmt, dann gewisse Anbauteile manuell entfernt, wie Airbag, Stoßfänger, Lichtmaschine und Reifen – also Komponenten, die man wieder verwerten kann – und anschließend wird dann der Rest des Autos geschreddert. Das Metall kann man dann ganz einfach mit einem Magneten wieder herausholen und erneut einschmelzen. Wenn nun aber die Strukturteile Carbonfasern enthalten, dann kann man das Auto nicht mehr einfach in den Schredder hinein schmeißen. Man muss überlegen, wie man an diese Carbonteile herankommt, damit die einem dann auch für ein entsprechendes Recycling zur Verfügung stehen. Eine zweite Baustelle ist das Vorzerkleinern von großen Bauteilen. Das ist bei weitem nicht so trivial wie es sich anhört. Denn diese Teile werden ja gerade deshalb eingesetzt, weil sie hoch fest sind und entsprechend schlecht lassen sie sich auch zerkleinern. Hier muss also noch einiges in der Zerkleinerungstechnologie entwickelt werden. Auch den pyrolytischen Prozess kann man noch weiter optimieren, auch wenn man den schon relativ gut beherrscht. Ein weiterer Punkt ist dann, was mache ich zum Schluss mit dem Recyclat, was für Einsatzmöglichkeiten gibt es hier? Oder beispielsweise auch Qualitätssicherungsstrategien für Recyclate.

In wie weit sehen Sie da das bifa-Umweltinstitut, aber auch die Region rund um den AUGSBURGER Innovationspark für diese Herausforderungen gut aufgestellt?

Wir sind aufgrund unserer langjährigen Erfahrung mit Recyclingtechnologien da sehr gut aufgestellt. Wir holen uns aber immer auch spezifisches Know-how von Kooperationspartnern, auch über die Region hinaus. Wir arbeiten zum Beispiel in bestimmten Fragestellungen mit der TU Clausthal zusammen, so wie wir auch mit den Fraunhofer-Instituten vor Ort zusammenarbeiten. Grundsätzlich denke ich, ist die Region in diesem Bereich sehr gut aufgestellt.

Was für Chancen, Ziele und Hoffnungen verbinden Sie persönlich mit dem 500-Millionen-Euro Projekt AUGSBURG Innovationspark und dessen Motto „Technologien für Ressourceneffizienz“?

Ich mag den Begriff Ressourceneffizienz eigentlich nicht so gerne, einer der Megatrends, wie man so schön sagt. Wenn es gelingt, das umzusetzen, dann ist das glaube ich eine riesige Chance für die Region. Allerdings ist das Projekt sehr ambitioniert und anspruchsvoll. Und wir werden alle noch ganz schon kämpfen und arbeiten müssen, um dahin zu kommen, wo wir alle in 15 oder 20 Jahren sein wollen.

Liefern da auch die politischen Player Ihrer Meinung nach den nötigen Beitrag? Nicht nur die Institute, Hochschulen und Unternehmen?

Ich denke schon. Die Förderzusagen, die mittlerweile vorliegen und zum Teil auch schon geflossen sind, sind schon ganz schön beeindruckend. Das ist durchaus ein Indikator dafür, dass auch die Politik hinter diesen Zielen steht und ihren Teil dazu beiträgt. Sicherlich kann man immer sagen, da wäre noch mehr möglich, aber man muss natürlich auch sehen, Bayern ist ein Flächenstaat und es gibt ganz einfach auch beschränkte Mittel, die können nun mal nicht alle nur nach Augsburg fließen – auch wenn wir alle wünschen würden, es stünden noch mehr Mittel zur Verfügung. Ganz klar.

Es kann also nie genug sein?

Es kann nie genug sein! Wie sagt man so schön? Beim Essen kommt erst so richtig der Appetit. Aber man muss natürlich auch sehen, dass alle etwas abbekommen wollen und dass auch alle halbwegs satt werden. Und das ist sicherlich nicht immer ganz einfach, das auch regional auszutarieren. Da habe ich durchaus Verständnis dafür.

Abschließende noch eine allgemeine Frage: Was steht auf Ihrem Wunschzettel an die Politik? Was wünschen Sie sich für die Gesellschaft und den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Ich wünsche mir Konsequenz und Nachhaltigkeit im Handeln. Man soll einmal gefasste Ziele dann auch wirklich kontinuierlich unterstützen und nicht – um es flapsig zu formulieren – alle paar Tage eine neue Sau durchs Dorf treiben. Sondern die Dinge, für die man sich einmal entschieden hat, dann wirklich nachhaltig weiter unterstützen und fördern und ihnen auch die Chance geben, die gesteckten Ziele zu erreichen und nicht wieder nach drei Jahren dann zu sagen, jetzt haben wir wieder eine neue Idee, jetzt machen wir wieder was neues. Das ist meiner Meinung nach ein ganz großes Manko, vor allem auch in der Förder- und Technologiepolitik in Deutschland.

Herr Prof. Rommel, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Danke Herr Foitzik.

 

(Das Interview hat Oliver Foitzik von der AGITANO-Redaktion geführt.)
 

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