Am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme wurde ein Katalog erstellt, der Eigenschaften und die Struktur von Nanopartikeln der Metalle Nickel, Eisen, Kupfer und Wolfram je nach ihrer gemahlenen Korngröße auflistet.
Die Eigenschaften mancher Nanomaterialien könnten sich künftig leichter vorhersagen lassen. Wissenschaftler des Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart haben Metalle schrittweise zu immer feineren Pulvern zermahlen und einen detaillierten Katalog aufgestellt, wie sich die Struktur der Metallkörner in Abhängigkeit von deren Größe ändert. Demnach schrumpfen die Kristallgitter zunächst, dehnen sich unterhalb einer gewissen Schwelle aber wieder aus. Die Anordnung und Abstände der Atome entscheiden über zahlreiche Eigenschaften eines Materials. Wenn es möglich ist, Kristallgitter abhängig von der Teilchengröße genau zu charakterisieren, dürfte sich daher auch genauer berechnen lassen, wie sich Nanopartikel einer bestimmten Größe verhalten.
Je feiner Kaffee gemahlen wird, desto intensiver der Geschmack. Um den Zusammenhang von Eigenschaften und Mahlgrad geht es auch den Wissenschaftlern um Eric Jan Mittemeijer, Direktor am Max-Planck Institut für Intelligente Systeme. Sie arbeiten allerdings nicht mit Kaffee, sondern mit Metallen im Nanoformat. Bei verschiedenen sehr feinen Metallpulvern stellten sie fest, dass die Metallatome in den einzelnen großen kristallinen Körnern desto näher zusammenrücken, je feiner sie die Körner zerreiben. Dadurch verdichtet sich das Kristallgitter des Materials. Sobald die Körner im Durchmesser jedoch weniger als etwa 30 Nanometer messen, verhalten sich die Atome umgekehrt und das Kristallgitter dehnt sich wieder aus.
Materialwissenschaftler wissen schon länger, dass ein und dasselbe Material abhängig von der Größe seiner Teilchen verschiedene – teilweise sogar gegensätzliche – Eigenschaften aufweisen kann. Das gilt vor allem, wenn die Abmessungen einer Materialprobe in den Nanometerbereich sinken. Auch über die Gründe des unterschiedlichen Verhaltens von sehr feinen und gröberen Körnchen ist bereits einiges bekannt. In großen Metallkristallen sind die meisten Atome von weiteren gleichartigen Atomen vollkommen eingeschlossen. In einem solchen geordneten Gitter befinden sich die abstoßenden und anziehenden Kräfte zwischen den Metallatomen im Gleichgewicht.
In Nanokörnern prägen Oberflächenatome die Materialeigenschaften
Nanokristalle bestehen dagegen nur aus relativ wenigen Atomen, von denen ein recht großer Teil an der Oberfläche der Körner liegt. Mit abnehmender Korngröße vergrößert sich das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen. Die Oberflächenatome sind nicht an allen Seiten von gleichen Atomen umgeben und prägen ab einer bestimmten Kristallgröße die Materialeigenschaften wie die Farbe, Leitfähigkeit, magnetische Eigenschaften und Härte des Stoffs.
Die nanokristallinen Materialien stellten die Forscher her, indem sie Nickel, Eisen, Kupfer und Wolfram in einer Kugelmühle pulverisierten. Dabei zerstoßen Stahlkugeln die Metalle in einer zylinderförmigen Trommel zu winzig kleinen Kristallen. Erstmals untersuchten die Stuttgarter Wissenschaftler nun mittels Elektronenmikroskopie und Röntgenbeugungsanalyse systematisch, wie genau die Atome in immer feiner zermahlenen Metallkristallen angeordnet sind. Dabei interessierten sie sich vor allem dafür, wie sich die Abstände zwischen den Atomen im Kristallgitter in Abhängigkeit von der Kristallkorngröße verändern.
Entsprechend ihren Erwartungen beobachteten die Wissenschaftler zunächst, dass sich das Kristallgitter in den vier untersuchten Metallen mit sinkender Korngröße zusammenzieht. „Als wir die Versuchsreihe jedoch mit immer kleineren Körnern weiterführten, machten wir eine überraschende Entdeckung“, sagt Eric Jan Mittemeijer: „Unterschreitet die Körnung eine bestimmte Größe im Nanometerbereich, dehnt sich das Kristallgitter wieder aus und die Abstände zwischen den Atomen nehmen zu.“
Oberflächenspannung und Überschussvolumen konkurrieren miteinander
Dass die Abstände zwischen den Atomen in Nanokristallen von der Korngröße abhängig sind, erklären die Wissenschaftler als Ergebnis zweier konkurrierender Einflüsse: Oberflächenspannung und überschüssiges freies Volumen. Bei Metallen haben die Atome, die geordnet und dicht im Inneren liegen und daher viele Bindungen zu anderen Atomen besitzen, eine niedrigere Energie als Atome an der Kornoberfläche, denen einige Bindungspartner fehlen. Dadurch kommt es zu einer Oberflächenspannung. Diese lässt die Atome mit abnehmender Korngröße, und daher mit zunehmendem Verhältnis von Oberfläche zu Volumen, immer näher aneinander rücken.
Unterhalb einer bestimmten Größe kommt ein weiterer Effekt der Kornoberflächenatome zum tragen. Wo zwei Nanokörner aufeinander treffen, entsteht eine sogenannte Korngrenze. Die Oberflächenatome benachbarter Körner, das heißt die Atome in der Korngrenze, versuchen eine Kompromiss-Position zwischen den aufeinander treffenden Kristallgittern einzunehmen. Sie verschieben sich also von ihren eigentlichen Gitterplätzen und beanspruchen ein größeres Volumen als Atome, welche in einem regelmäßigen Gitter eine feste Position innehaben. Die Forscher sprechen von überschüssigem freiem Volumen in den Korngrenzen, welches bei Nanomaterialien sehr ausgeprägt sein kann. Dieses freie Volumen in den Korngrenzen von Nanomaterialien erzeugt ein Spannungsfeld, das die Abstände zwischen den benachbarten Atomen in den Nanokristallen vergrössert.
„Der Einfluss dieses überschüssigen freien Volumens auf die Gitterposition der Atome kann bei Objekten, die größer als etwa 30 Nanometer sind, getrost vernachlässigt werden“, sagt Mittemeijer. „Es prägt jedoch das Verhalten von kleineren Objekten, während die Oberflächenspannung an Bedeutung verliert.“
Die Forschung der Max-Planck-Wissenschaftler dürfte sich für die Materialwissenschaft als von wesentlicher Bedeutung erweisen. „Unsere Forschung trägt dazu bei, die Eigenschaften von Nanomaterialien besser zu verstehen, so dass beispielsweise ein Ingenieur weiß, welches Nanomaterial für seine Arbeit oder sein Produkt geeignet ist“, sagt Gayatri Rane, die an der Studie entscheidend mitgewirkt hat. Und Sai Ramudu Meka, der daran ebenfalls maßgeblich beteiligt war, ergänzt: „Wenn wir nicht wissen, wie sich ein Material verhält, können wir es auch nicht richtig einsetzen.“
(KH/NG/PH / Max-Planck-Gesellschaft)
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