Navigation durch Vibration: VibroTac unterstützt sehbehinderte und blinde Menschen

Mit dem am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelten VibroTac (Vibrotaktiles Feedback-Gerät) ist ein Gerät entstanden, das blinde und sehbehinderte Menschen im Alltag unterstützen soll. Ziel ist es, dem Träger des Geräts durch sogenanntes vibrotaktiles Feedback, also mittels Vibration, unterschiedlichste Informationen zu vermitteln.

Durch den Einsatz des am DLR-Institut für Robotik und Mechatronik entwickelten VibroTacs erhält der Nutzer Richtungs- und Entfernungshinweise, denen er folgen kann, um mit Hilfe eines Navigationssystems ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Durch eine Schnittstelle zum Smartphone kann VibroTac GPS-Daten darstellen und dadurch blinden Menschen das einfache Navigieren durch eine fremde Stadt ermöglichen. Dazu werden über die sechs im Armband verbauten Vibrationsmotoren geeignete, kurze Stimulationen generiert.

Somit ermöglicht VibroTac, Informationen über einen alternativen Sinneskanal auf intuitive Weise an den Nutzer zu übertragen. VibroTac ist nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zum Blindenstock gedacht, da situationsbedingte Hindernisse wie zum Beispiel Ampeln oder Gegenstände auf dem Gehweg nicht mittels GPS übertragen werden können. "Das System unterstützt blinde Menschen, sich in einer fremden Umgebung zu orientieren, verbunden mit dem großen Vorteil, dass der für die Wahrnehmung der Umgebung eines Blinden so wichtige, akustische Sinneskanal – also sein Hörsinn – nicht belastet wird", so Simon Schätzle, Verantwortlicher für das VibroTac im DLR-Institut für Robotik und Mechatronik.

VibroTac unterstützt auch die berufliche Integration von Blinden

Durch die mit VibroTac darstellbaren Richtungs- und Entfernungshinweise kann des Weiteren die Hand des Nutzers zu einer bestimmten Zielposition geführt werden. Dadurch können Arbeitsplätze für Blinde, wie beispielsweise eine Warenausgabe, optimiert werden. Hierzu kommuniziert VibroTac nicht mittels GPS, sondern über im Computer hinterlegten Informationen.

Der Blinde kann so aus einzelnen Regalfächern Waren entnehmen und an eine Person ausgeben. Solche Waren können in einer Bibliothek Bücher sein oder in einem industriellen Umfeld zum Beispiel Büroartikel. Was bisher mit Sprachausgabe geschah, kann nun mit VibroTac realisiert werden.

Vom All in den Alltag

VibroTac ist ein neuartiges Gerät in Form eines Armbands zur Informationsdarstellung, das seine Wurzeln im Telepräsenzkonzept der Raumfahrt-Robotik hat. Das ursprüngliche Ziel dieser Technologie ist es, mittels Mensch-System-Schnittstellen einem Operator bestmöglichen Zugang zu entfernten Welten zu ermöglichen. In der Raumfahrt ist die Telerobotik eine Schlüsseltechnologie zum Aufbau, zur Wartung und Reparatur von Satelliten und Raumstationen. Aufbauend auf diesen Erfahrungen wurde im Entwicklungsprozess von VibroTac neben der ergonomischen Produktgestaltung auch die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit berücksichtigt.

Anhand verschiedener Studien wurde die Dichte an Stimulationspunkten hinsichtlich hoher Auflösung und des räumlichen Differenzierungsvermögens unter Berücksichtigung verschiedener Trageorte des VibroTacs (Handgelenk, Unter- und Oberarm) untersucht sowie anwendungsoptimierte Stimulationsmuster generiert.

VibroTac gewinnt den Innovationspreis 2012

Am 25. September wurde das Projekt VibroTac mit dem Innovationspreis 2012 der Gesellschaft für Freunde des DLR e.V. ausgezeichnet. Mit diesem Innovationspreis wird die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen DLR und Industrie gewürdigt. Motiviert durch den Innovationspreis und der Vielzahl positiver Rückmeldungen wurde mit der bereits existierenden DLR-Ausgründung SENSODRIVE eine Produktisierungs- und Vermarktungsstrategie entwickelt.

Diese wird im Rahmen eines Lizenzabkommens zwischen DLR und SENSODRIVE in den nächsten zwei Jahren umgesetzt. Neben den Verwertungsrechten und dem technologischen Know-how kann der Lizenznehmer auf das Netzwerk an künftigen Endnutzern und Systemlieferanten, wie Handy Tech Elektronik GmbH und Dräger & Lienert, zurückgreifen.

Dazu werden zunächst bis Ende 2012 weitere VibroTac-Prototypen von der Firma SENSODRIVE aufgebaut, die bereits erste Verbesserungen, wie die Realisierung einer Bluetooth-Schnittstelle, beinhalten. "Unser großes Ziel und unsere Motivation ist es, mit der VibroTac-Technologie Menschen mit Seh- und Hörbehinderungen den Alltag zu erleichtern", so SENSODRIVE Geschäftsführer Norbert Sporer.
 

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