Schilfgras statt Atom

Vor 20 Jahren erschien mein Buch „Schilfgras statt Atom“. 20 Jahre wurde die am schnellsten wachsende Pflanze wissenschaftlich gründlich erforscht: Taugt Schilfgras als Energiepflanze? Was sind die günstigsten Böden? Können damit Autoersatzteile gebaut werden? Ist Schilfgras als Baumaterial zu gebrauchen? Oder als Benzin?

 

Die Wissenschaft bejaht diese Fragen. Warum aber hat sich diese Pflanze, die auch in Deutschland bis zu 25 Tonnen Trocken-Biomasse pro Hektar liefert, nicht in großem Stil durchgesetzt? 25 Tonnen Trocken-Biomasse pro Hektar und Jahr entsprechen 12.000 Litern Heizöl.

 

Das Schilfgras wächst hierzulande zwar überall, aber in Höhen von über 500 Metern bringt es nicht überall den vollen Ernteertrag. In Japan wird Schilfgras schon seit Jahrzehnten erfolgreich als Baumaterial benutzt. Zudem  wird dort in jedem Herbst ein Schilfgras-Fest gefeiert.

 

Inzwischen gibt es auch hierzulande die ersten Schilfgras-Kraftwerke – in Österreich, der Schweiz und in Dänemark freilich mehr als in Deutschland. Jetzt haben sich im Odenwald sechs Landwirte zusammengetan, um Schilfgras auch in Deutschland marktfähig zu machen: Als Brennstoff in Form von Pellets oder Briketts, als Stromquelle, als Einstreu für Ställe, als Dämmstoff, als Spanplatten und als  Verpackungsmaterial.

 

Die Pflanze nutzt als C4-Gras Sonnenlicht und Wasser besonders effizient. C4 bedeutet vier Kohlenstoffatome nach der Photosynthese im Gegensatz zu den C3-Pflanzen, zu denen die meisten hierzulande gehören.

 

Schon ein Jahr nach der Pflanzung braucht Miscantus keine chemische Düngung mehr und kein Pflanzenschutzmittel. Das Gras muss nur einmal gepflanzt werden und wächst dann – als perennierende Pflanze – bis zu 40 und mehr Jahren. Gerade deshalb hat sie für die Zukunft ein riesiges Potential. Sie bringt zehnmal mehr Biomasse als der Raps.

 

Die sechs Pioniere im Odenwald haben inzwischen weitere 15 Bauern von den Vorteilen des C4-Schilfgrases überzeugt. Auch sie wollen jetzt in die Miscantus-Produktion einsteigen. Die neu gegründete Firma Miscantus Gersprenztal wird den Rohstoff vermarkten.

 

So wie die Kosten der alten Rohstoffe Kohle, Gas und Öl wegen ihrer Endlichkeit immer teurer werden, so wird Schilfgras als immer wieder nachwachsender Rohstoff ständig attraktiver – ökologisch attraktiv, wenn es ohne große Transportwege regional genutzt wird, aber auch ökonomisch attraktiv, wenn die Ölpreise so weitersteigen wie in diesen Wochen. Und davon ist auszugehen.

 

Schon in wenigen Jahren wird ein Auto, das mit Miscantus-Strom fährt, preislich günstiger fahren als ein Benziner. Davon sind die Odenwälder Schilfgras-Pioniere überzeugt.

 

Quelle: © Franz Alt 2011

 

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