Der Grundsatz „ehrlich währt am längsten!“ gilt auch für das Nachhaltigskeitsreporting börsennotierter Unternehmen. Dies ist das Ergebnis einer experimentellen Studie von Wirtschaftsforschern der Universitäten Düsseldorf und Kassel.
Prof. Dr. Rüdiger Hahn von der Uni Kassel und Prof. Dr. Daniel Reimsbach von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf untersuchten dabei die potenziellen Effekte auf den Aktienkurs, wenn ein Unternehmen Rückschläge im Bereich der nachhaltigen Unternehmensführung hinnehmen muss. Konkret stellten sich die Wissenschaftler die Frage, ob nicht-professionelle Investoren sich in diesem Fall gegen ein Investment in die fragliche Firma entscheiden. Die Ergebnisse werden in Kürze in der Fachzeitschrift „Business Strategy and the Environment“ veröffentlicht.
„Wir gingen davon aus, dass negative Nachrichten negative Effekte haben würden“, sagte Hahn. „Doch so einfach ist das nicht.“ Um das Verhalten potenzieller Investoren zu testen, bildeten die Wissenschaftler eine Gruppe aus 143 BWL-Masterstudierenden mit Studienschwerpunkt strategische Unternehmensführung. „Frühere Forschungen haben gezeigt, dass derartige Studierende sich ähnlich verhalten wie gut informierte, nicht-professionelle Kapitalanleger“, erklärte der Wirtschaftsexperte. Den Testpersonen wurden anschließend die Nachhaltigkeitsberichte eines fiktiven börsennotierten Unternehmens vorgelegt sowie der Bericht einer ebenso fiktiven Nichtregierungsorganisation, die auf skandalöse Arbeitsbedingungen bei Zulieferern des Unternehmens hinwies: Kinderarbeit, illegale Arbeitszeiten, fragwürdige Gesundheitsuntersuchungen oder Schwangerschaftstests. Im ersten Testszenario verschwieg das Unternehmen in seinem Nachhaltigkeitsbericht die genannten Vorfälle. Im zweiten Szenario wies das Unternehmen selbst darauf hin und berichtete detailliert über bereits ergriffene Gegenmaßnahmen.
„Werden potenzielle Investoren erst durch Enthüllungen einer NGO auf Mängel bei der Nachhaltigkeit hingewiesen, kann dies zu spürbaren Auswirkungen auf die Kursentwicklung führen“, sagte Hahn. In diesem Fall würden nicht-professionelle Investoren sich auf einen deutlich schlechteren Aktienverlauf für die Zukunft einstellen und ihr Investitionsverhalten anpassen. „Nach den Ergebnissen unserer Studie muss das Unternehmen damit rechnen, dass die Investoren in den darauffolgenden zwei bis vier Jahren einen vier Prozent schlechter Aktienkurs erwarten als ohne die Negativmeldungen“, sagte der Kasseler Wirtschaftsforscher. Kurzfristig rechnen sie mit einem Kursrückgang um drei Prozent.
Dagegen konnten die Wissenschaftler feststellen, dass keine „Bestrafung“ durch die Anleger stattfindet, wenn das Unternehmen aktiv über Verstöße gegen die Grundsätze des nachhaltigen Wirtschaftens berichtet. „In diesem Fall haben wir praktisch keine negativen Effekte auf die Investoren feststellen können“, sagte Hahn. „Ein solches Verhalten einer Aktiengesellschaft wird im Gegenteil als positives Signal aufgefasst.“
Die Ergebnisse der Studie können dazu beitragen, dass eine transparente unternehmenseigene Nachhaltigkeitsberichterstattung gefördert wird und die Offenlegung auch negativer Nachhaltigkeitsaspekte in Zukunft weniger zögerlich geschieht, als es bisher zumeist der Fall ist. „Anstatt entsprechende Ereignisse gänzlich zu verschweigen, kann die gezielte Offenlegung auch als Teil des Risikomanagements verstanden werden“, sagte der Wirtschaftsforscher. Die Resultate der Studie unterstreichen zudem erneut, dass unabhängige Drittparteien wie Nicht-Regierungsorganisationen tatsächlich als „Wachhunde“ über unternehmerisches Verhalten fungieren können.
Daniel Reimsbach, Rüdiger Hahn: The effects of negative incidents in sustainability reporting on investors’ judgments – An experimental study of third-party versus self-disclosure in the realm of sustainable development. Business Strategy and the Environment. doi: 10.1002/bse.1816
http://onlinelibrary.wiley.com/journal/10.1002/(ISSN)1099-0836
(Uni Kassel)