Der geringere Anteil von Frauen in Führungs- und Managementpositionen ist ein Politikum. Laut dem Führungskräfte-Monitor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) ist zwar der Anteil von Frauen in Führungspositionen der deutschen Privatwirtschaft von 2001 bis 2010 von 22 auf 30% gestiegen, in den Vorständen der 200 größten Unternehmen waren Frauen Ende 2011 mit einem Anteil von 3% allerdings immer noch weitestgehend eine Randerscheinung. Der „gender pay gap“ – also die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern – ging in Führungspositionen in der Privatwirtschaft im Durchschnitt von 30 auf 21% zurück und entspricht damit etwa dem Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern auf dem gesamten Arbeitsmarkt. Werden Verzerrungen durch Spitzenwerte herausrechnet (Medianwert), beträgt der Unterschied allerdings immer noch 27% (2001: 31%).
Vor diesem Hintergrund haben sich die Bundesländer im Deutschen Bundesrat Mitte September 2012 mehrheitlich für die Einführung einer 40-Prozent Quote von Frauen speziell in Aufsichtsräten ausgesprochen (derzeit 12%) – nun steht die Entscheidung im Deutschen Bundestag an.
Benachteiligung von Frauen eine Folge der Studienwahl und der Mutterschaft
Eine aktuelle Studie des Frankfurter Soziologen Fabian Ochsenfeld hat nun die Unterrepräsentierung von Frauen in Managementpositionen empirisch untersucht.
Der Aufstieg von Hochschulabsolventinnen in erste Managementpositionen scheitert demnach nicht an betrieblicher Diskriminierung, sondern an der geschlechtsspezifischen Wahl von Studienfächern und den Folgen von Mutterschaft. Dies zeigt eine jüngst im angesehenen Fachblatt Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie veröffentlichte Studie.
Darin wurden die Erwerbs- und Lebensverläufe in den ersten zehn Jahren nach dem Examen von 4246 Absolventinnen und Absolventen ausgewertet, die im HIS-Absolventenpanel aufwändig und deutschlandweit durch die HIS GmbH erhoben wurden. Die neuen Zahlen kratzen an der weit verbreiteten Vorstellung von einer „gläsernen Decke in den Betrieben“, der zufolge Frauen mindestens gleich gut wie Männer ausgebildet seien und erst durch betriebliche Diskriminierung an einer Karriere gehindert würden. In der ersten Karrierephase, die in der Studie untersucht wurde, ist dies nicht der Fall.
Zehn Jahre nach dem Examen erreichen 42 % der Männer eine erste Position mit Leitungsfunktion, hingegen lediglich 23 % der Frauen. Zu knapp einem Drittel kann dieses deutliche Gefälle durch die Tatsache erklärt werden, dass Frauen und Männer unterschiedliche Fächer studieren. Während Männer sehr stark in den karriereträchtigen Ingenieurswissenschaften vertreten sind, studieren Frauen weit überproportional Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften sowie Lehramtsstudiengänge, die nur vergleichsweise geringe Karrierechancen eröffnen.
Die darüber hinaus bestehende Geschlechterungleichheit beim Erreichen erster Managementpositionen kann nahezu vollständig durch die unterschiedlichen Folgen einer Familiengründung erklärt werden. Während Elternschaft bei Frauen die Wahrscheinlichkeit, zehn Jahre nach dem Examen eine erste Managementposition inne zu haben fast halbiert, sind Kinder für Väter typischerweise nicht mit einem Karriereknick verbunden. Kinderlose Frauen hingegen erfahren keinen Nachteil aufgrund ihres Geschlechts, wie die Studie zeigt.
Fabian Ochsenfeld, der Autor der Studie, stellt diesen Befund in den Zusammenhang zur Familienpolitik. Diese war in Westdeutschland lange Zeit konservativ geprägt und verfolgte das ausdrückliche Ziel, Frauen nach der Geburt eines Kindes möglichst lange aus dem Arbeitsmarkt fern zu halten. Anreize für eine traditionelle partnerschaftliche Aufgabenteilung in Karriere hier und Familie dort bestehen bis heute fort, etwa in Form des Ehegattensplittings oder der Familienversicherung. Infolge dieser Tradition bestehen bis heute erhebliche Ost-West-Unterschiede bei der Verfügbarkeit öffentlicher Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder und bei Ganztagsplätzen. Während 2010 in den alten Ländern nur jedes vierte Kind zwischen drei und sechs Jahren mindestens 7 Stunden öffentlich betreut wurde, waren es in Ostdeutschland zwei von drei.
Ochsenfelds Studie zeigt, dass Familie und Karriere für Frauen in Ostdeutschland entsprechend besser miteinander vereinbar sind. So arbeiten Hochschulabsolventinnen mit Kind in Ostdeutschland knapp 4 Stunden pro Woche mehr als westdeutsche Akademikerinnen mit Kind. Die Zahlen zeigen ferner, dass die bessere Vereinbarkeit tatsächlich mit besseren Karrierechancen für Frauen einher gehen. So fällt der Karriereknick infolge von Mutterschaft in Ostdeutschland weniger gravierend aus als in Westdeutschland.
Publikation:
Ochsenfeld, Fabian: Gläserne Decke oder goldener Käfig: Scheitert der Aufstieg von Frauen in erste Managementpositionen an betrieblicher Diskriminierung oder an familiären Pflichten? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 64 (2012): 507-534.
Informationen:
Fabian Ochsenfeld, Institut für Gesellschafts- und Politikanalyse, Goethe Universität Frankfurt, Tel.: 069/79822523, E-Mail: ochsenfeld@soz.uni-frankfurt.de
Weiterführende Links:
Managerinnen-Barometer 2011 (erschienen im Januar 2012) | PDF, 477.47 KB
Führungskräftemonitor 2012
EU-Kommission will ab Mitte 2012 eine EU-weite Frauenquote einführen (Link)
Unvereinbarkeit von Familie und Beruf: Jede zweite Frau verzichtet wegen mangelnder Unterstützung auf die Karriere (Link)
Fachkräftemangel mit Frauenpower begegnen – Projekt „FUTURE IS FEMALE“ (Link)