Baselitz sieht schwarz … Über Dematerialisation und ein Lächeln hinter dem Spiegel

… aus der wöchentlichen Business-Kolumne von Ulrich B Wagner “Me, myself and I – eine Reise in sich hinein und über sich hinaus”.

Heute:            Baselitz sieht schwarz … Über Dematerialisation und ein Lächeln hinter dem Spiegel

 

In einem schwarzen Fotoalbum mit ’nem silbernen Knopf
Bewahr ich alle diese Bilder im Kopf

Sido, Bilder im Kopf

Wir glauben, Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns.
Eugène Ionesco

 

Die Welt ist also doch nicht untergegangen am 21.Dezember des vergangenen Jahres allen diffusen Prophezeiungen und Unkenrufen zum trotz.

Ja, sie ist nicht untergegangen, doch warum bloß möchten Sie fragen?

Ulrich B WagnerEs begab sich zu dieser Zeit ein kleines Wunder, ein Wunder wie es sich manchmal zum Fest der Liebe manifestiert. Der Kolumnist frisch verliebt auf dem Weg zum Liebesnest in einem Frankfurter Hotel trifft im kalten Abendnebel auf den Weltuntergang und dieser spricht: „Hey, Du kleiner Wicht, Du vermaledeiter Schreiberling, mag sein, dass Du mich in Deiner Kolumne (siehe auch Kolumne vom 13.12.2012: Das Ende der Welt … Über die Lust am Untergang) verspotten magst, nichtsdestotrotz es ist vorbei, spar Dir die Nacht, sieh es ein es ist vorbei!“ Nach langer Diskussion, unzähligen Einwänden, flehen, zerren und beißen, schenkt er doch noch eine Nacht. Bleibt trotzig vor dem Hotel sitzen, streckt den welken Finger gen Himmel und warnt: „Nur eine Nacht mein Freund, dann ist es aber aus, vergiss es nicht Du Tintenfink!“ Am nächsten Morgen, Koffer schon gepackt, die Augen trüb von dieser langen Nacht, kurz vor der Rezeption, komm lass uns doch verlängern nur für eine Nacht, der Weltuntergang schläft eh und friert sich einen ab. Am dritten Tage dann sein Abtritt unter Murren, klirrend von der Kälte, resignierend, wandelt ab mit einem Gruß ins Nichts.

Dies nur am Rande… Nicht das ich Dank und Ehre von Ihnen erwarte, doch falls doch, dann senden Sie uns einen Gruß mit einem Umschlag voller Geld. Denn all die Rettung war ein kostspieliges Unterfangen. Sei’s drum, es war es wert. Es war nicht nur für uns ein Fest.

Es wurde hell am nächsten Tag. Die Welt erschien in voller Pracht, strahlte und leuchte mit mir um die Wette und nun das: Baselitz sieht schwarz und will unsichtbare Bilder malen.

Die spinnen die Malerfürsten, würde Asterix wohl sagen, wenn es nicht so todernst gemeint wäre.

Doch der Reihenfolge nach.

Er meint es wirklich Ernst, der Umgedrehte, einer der größten deutschen Maler der Gegenwart, wenn nicht sogar der Größte. Sei’s drum. Es reicht ihm nicht mehr die Welt auf den Kopf zu drehen. Nein, sie soll unsichtbar werden, verschwinden hinter einer dicken Schicht schwarzer Ölfarbe, sich verstecken, verbergen, um dann neu im Kopf des Betrachters zu entstehen, sich zu ungewohnter Freiheit im Spiel mit dem Rätsel zu entfesseln.

Gegenüber SPIEGEL ONLINE äußerte sich der Großmeister der Pinsel, dass es ihm nicht darum ginge unsichtbare Farbe zu verwenden, sondern um die Idee, ein Bild erst im Kopf entstehen zu lassen: „Joseph Beuys hat einfach das Bild verkehrt herum an die Wand gestellt und so das Geheimnis bewahrt“, erklärt der Maler. „So ungefähr stelle ich mir das vor.“

Verdammt noch mal wo soll es denn sonst entstehen, möchte ich hier einwenden, im kleinen Fußzeh oder zwischen den Hüften, im Lieberausch der schenkeligen Fleischeslust oder wie oder was?

Scherz beiseite. Scherze sind hier sowieso Fehl am Platze wenn so ein Großmeister seine neue radikale Schaffensperiode ankündigt.

Doch nichtsdestotrotz sei an dieser Stelle ein kleiner Seitenhieb erlaubt. Ich glaube, es war, wenn ich mich nicht allzu irren zu scheinen mag, Jorge Louis Borghes, der irgendwo in seinen legendären Harvard Vorlesungen im Jahre 68/69 des vergangenen Jahrhunderts Bischof Berkeley zitiert oder vorschiebt, und sich hinter ihm verbirgt, wie er es sehr häufig gerne tat, der Großmeister der Worte, der Meister hinter dem Spiegel, der Virtuose der Spiegelungen und Widerspiegelungen: „ Der Geschmack des Apfels liege weder im Apfel selbst – der Apfel kann sich selbst nicht schmecken – noch im Mund des Essenden. Zwischen beiden ist ein Kontakt nötig.“

Das gleiche geschieht mit einem Buch oder einem Bild. Doch was, wenn ein Kontakt mit dem Schwarzen stattfindet, was mag wohl in unserem Kopf geschehen. Irgendwo in einem der Kinderbücher meines kleinen Sohnes stand einmal eine Geschichte über einen kleinen Jungen, der eine idyllische sonnige Landschaft malt und sie als alles fertig ist mit schwarzer Farbe übermalt und auf den fragenden Blick des ratlosen Vaters trocken antwortet: „Und jetzt ist Nacht“.

Baselitz, der Großmeister der bildenden Künste, doch nur ein von und zu Guttenberg, ein Plagiator und Verschweiger echter Urheberschaft? Es steht mir nicht zu dies als kleiner Kolumnist zu entscheiden. Darum geht es auch an dieser Stelle nicht. Ich für meine Person mag keine schwarzen Bilder, sie erzeugen in meinem Kopf nur Trauer und erwecken Depressions geschwängerte Untergangsphantasien.

Baselitz mag schwarz sehen so lange er lustig ist. Wir für unsere Person haben, wie bereits eingangs erwähnt, den Weltuntergang besiegt und wollen nur noch Lichterglanz in unseren Augen. Schwarz ist einfach nichts für unsere Seelen. Doch die Idee der unsichtbaren Bilder, freier Assoziationsräume, lichter Seelenfenster ins Nichts, finde nicht nur ich zauberhaft. Nicht nur ich habe sie persönlich erlebt in dieser Nacht in der der Weltuntergang sich murrend gen Nichts verabschiedete. Ja, man kann sich wirklich dematerialisieren ohne sein Leben zu verlieren, wenn man bereit ist sich fallen zulassen.

In einem kleinen Atelier im Atelierfrankfurt wird daher seit jener Zeit fleißig an der Dematerialisation der Kunst gearbeitet. Von Zeit zu Zeit ist dann und wann auch nur noch ein leerer Rahmen, oder zwei verlassene Bilderhaken zu sehen, die sich frei im Luftzug tanzend in einander drehen und dann und wann dazu ein Lächeln hinter dem Spiegel zu vernehmen.

Doch davon nächste Woche mehr.

Bis dahin wünsche ich auch Ihnen viel Freude beim Spiel mit dem Dematerialisieren und Rematerialisieren der Lebenswelt.

Ihr    Ulrich B Wagner  

 

Über den Autor:

Ulrich B WagnerUlrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie. Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare. Zu erreichen: via Website ikcm, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

 

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