530.700: So lautet, Auswertungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zufolge, die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2013 – und ist damit so gering wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Ein Umstand, der für Arbeitsmarktforscher aufgrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen nicht hinnehmbar ist.
Für die nächsten zehn Jahren 50 Prozent weniger Fachkräfte erwartet
Bis 2025 scheidet fast die Hälfte der Fachkräfte aus deutschen Betrieben aus. Bedingt durch den viel zitierten demografischen Wandel, dürfte zeitgelich der Nachwuchs knapp werden. Ökonomen haben für einige Berufe und Regionen bereits einen Fachkräftemangel festgestellt. „In einer solchen Situation müsste die Wirtschaft eigentlich in Ausbildung investieren“, meint Prof. Dr. Gerhard Bosch, Direktor des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE). Stattdessen sank die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2013 auf einen historischen Tiefstand.
Trotz qualifizierter Abschluss unversorgt
Insbesondere in Industrie und Handel ging das Angebot im Vorjahresvergleich um vier Prozent zurück, im Handwerk um drei Prozent. Dabei scheint an Bedarf kein Mangel zu herrschen. Denn gerade in der Handwerksbranche blieben mehr Stellen als im Vorjahr unbesetzt, was unter anderem auch daran lag, dass die Nachfrage nach Lehrstellen leicht rückläufig war. Die „Passungsprobleme“ gehen aus Sicht von Prof. Bosch zu Lasten der Jugendlichen, obwohl zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen zwei Drittel der Unversorgten einen Realschulabschluss oder sogar das Abitur vorweisen können.
Das duale System – oft kopiert und in der Krise
„Die sinkende Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen gefährdet den Wirtschaftsstandort“, fürchtet der Arbeitsmarktforscher Prof. Bosch. Denn gut ausgebildete Fachkräfte seien das Geheimnis der deutschen Wettbewerbsfähigkeit. Das duale System, viel gelobt in der deutschen Wirtschaft und kopiert im Ausland, stecke in der Krise, weil in den (Groß-)Betrieben nur noch kurzfristig – oft in Vierteljahreszyklen – gedacht werde. Politik und Sozialpartner versuchten seit Jahren, die Unternehmen dazu zu bewegen, mehr Lehrstellen anzubieten. Aber die Versprechungen in den Ausbildungspakten seien in den letzten Jahren immer vager geworden. Viele Bildungspolitiker schauten zudem fast nur noch aufs Studieren und hätten die Berufsausbildung sträflich vernachlässigt.
Bosch: Trittbrettfahrer am Allgemeingut Berufsausbildung beteiligen!
„Wenn es Staat und Sozialpartnern nicht gelingt, die Ausbildungsbereitschaft wieder zu stärken, brauchen wir eine Abgabe für außerbetriebliche, öffentlich finanzierte und zusätzlich bereitgestellte Plätze“, schlägt Prof. Bosch vor. „Die Trittbrettfahrer des dualen Systems werden damit an den Kosten des Allgemeinguts »Berufsausbildung« beteiligt. Die Betriebe, die selbst ausbilden, werden entlastet – was wiederum die Bereitschaft erhöht, in Lehrstellen zu investieren.“
(cs mit Informationsmaterial der Universität Duisburg-Essen, UDE)