Erster Feldeffekt-Transistor auf Virenbasis ist herkömmlicher Technik überlegen

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Es ist eines der ältesten bekannten pflanzenpathogenen Viren, seine Entdeckung markierte den Beginn der Virologie: das Tabakmosaikvirus. Nun schreibt es als Geburtshelfer für neuartige elektronische Bauteile in der Nanotechnologie erneut Geschichte. Gemeinsam haben Wissenschaftler der Universität Stuttgart und der Technischen Universität Darmstadt einen Feldeffekt-Transistor entwickelt, dessen Halbleiterschicht durch einen Biomineralisationsprozess auf dem Tabakmosaikvirus entsteht.

Ende des 19. Jahrhunderts erstmals als Krankheitserreger in Tabakkulturen beschrieben, lässt das Tabakmosaikvirus (TMV) heute wegen seiner Winzigkeit, Stabilität und definierten Struktur die Herzen von Nanotechnologen höher schlagen. „Wir erleben gerade eine Renaissance der Pflanzenviren“, schwärmt Prof. Christina Wege vom Biologischen Institut der Universität Stuttgart.

Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe um Prof. Joachim Bill vom Institut für Materialwissenschaft und Chemikern der TU Darmstadt um Prof. Jörg J. Schneider hat das Forscherteam um Prof. Holger Jeske und Wege mit Hilfe des TMV neuartige aktive Nanostrukturen für Metalloxid-Halbleiter-Feldeffektransistoren (MOSFETs) schonend hergestellt. Diese werden als Schalter und Verstärker für unzählige Anwendungen in der Digital- und Hochfrequenz-Elektrotechnik eingesetzt und sind typischerweise so klein, dass mehrere Millionen Einzeltransistoren auf einem einzigen Computerprozessor Platz finden. MOSFETs können durch eine elektrische Steuerspannung schnell reguliert werden und bestehen aus drei Materialschichten: Substrat (elektrisch leitend), Dielektrikum und Halbleiter.

Die Wissenschaftler erzeugten nun die Halbleiterschicht mit Hilfe von TMV-Partikeln mit circa 300 Nanometern (also 300 Millionstel Millimetern) Länge und 18 Nanometern Durchmesser. Sie brachten diese auf zweilagige Silizium-Plättchen mit Elektroden auf und tauchten sie in eine Reaktionslösung, aus der sich halbleitendes Zinkoxid (ZnO) abscheiden konnte. Dabei zeigte sich, dass die strukturierte Virusoberfläche das Wachstum besonders feiner Zinkoxid-Kristalle bewirkte und regulierte: Bereits bei 60 Grad Celsius bildete sich ein neuartiges TMV/ZnO-Verbundmaterial, das ohne Nachprozessierung schon die elektronische Transistoreigenschaft aufwies.

Mit herkömmlicher Technik können anorganische Halbleitermaterialien meist erst bei Temperaturen über 200 Grad hergestellt werden. Analysen zeigten überdies, dass der neue "Biotransistor" den meisten Zinkoxid-Transistoren klar überlegen war – die TMV-Stäbchen unterstützten offensichtlich den Elektronentransport.

Als nächstes wollen die Projektpartner die Leistung der „Biotransistoren“ weiter verbessern, sie miniaturisieren und an verschiedene Einsatzbereiche anpassen. In Darmstadt wird dafür die Anordnung der Transistorkomponenten aufeinander abgestimmt. In Stuttgart stellen die Pflanzenvirologen neue TMV-Oberflächenvarianten her, die Fabrikation und Betrieb optimieren sollen, und die Materialchemiker entwickeln Methoden zur Produktion weiterer halbleitender TMV-Verbundmaterialien mit anderen physikalischen Eigenschaften. Die umweltverträgliche Herstellung und Leistungsfähigkeit solcher neuen "Biohybridstrukturen" gilt weltweit als aussichtsreiche Grundlage für künftige Produktgenerationen in diversen technischen Bereichen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Holger Jeske, Biologisches Institut, Tel. 0711/685-65070, e-mail: holger.jeske@bio.uni-stuttgart.de

(Quelle: Andrea Mayer-Grenu | Universität Stuttgart)

 

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