EU hält an Finanztransaktionssteuer fest – 54,2 Mrd. Euro Einnahmen bedeuten 50% weniger Beiträge für die EU-Staaten

EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski hält weiterhin an der viel diskutierten Finanztransaktionssteuer fest. Die Steuer auf Finanzgeschäfte soll einerseits eine regulatorische Wirkung entfalten, indem sie Spekulationsgeschäfte etwas unrentabler macht und damit das Geld in längerfristige Investitionen lenken soll. Dadurch wäre auch der problematische Hochfrequenzhandel betroffen, der computergesteuert winzigste Kursunterschiede von Wertpapieren, Derivaten und Rohstoffen an verschiedenen Börsenplätzen ausnützt und damit keinen Beitrag zur Finanzierung der Realwirtschaft leistet. Rund 70% der Börsengeschäfte in den USA und bis zu 40% der Geschäfte in Europa werden nur noch von Computern gesteuert – die Finanztransaktionssteuer wäre somit wie Sand in dem Getriebe der Spekulation, wie es oftmals heißt. Zudem soll mit der Steuer der Finanzmarkt zur Konsolidierung der Haushalte beitragen: Die Bankenrettung und die Finanzkrise 2008 haben die EU-Staaten insgesamt rund 4,6 Billionen Euro gekostet, vor allem auch als Garantien für den Finanzsektor. Die Steuer sei somit laut Kommissions-Präsidenten Barroso auch eine Frage der Fairness. Es sei an der Zeit, dass der Finanzsektor einen Beitrag zur Gesellschaft leiste. Der Finanzmarkt kennt bislang keine der Mehrwertsteuer vergleichbaren Abgabe, was zu einer ungerechtfertigten Bevorteilung gegenüber der Realwirtschaft führt. Die EU-Kommission rechnet mit jährlich bis zu 54,2 Milliarden, die zu einem Drittel an die nationalen Haushalte fließen sollen. Durch die zusätzlichen Einnahmen der EU würden sich die Beitragszahlungen der Mitgliedsstaaten dann zudem um rund 50% reduzieren – Geld, was die klammen Staaten gut gebrauchen können.

Finanztransaktionssteuer lieber auf der EU- als auf der Euro-Ebene

Anfang Februar 2012 hatten neun EU-Staaten in einem offen Brief von der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft Dänemark eine rasche Einführung der Finanztransaktionssteuer gefordert. Ein entsprechender Vorschlag seitens der EU-Kommission wurde bereits im September 2011 vorgelegt. Die neun Staaten waren Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, Spanien, Finnland, Griechenland und Portugal. Blockiert wird allerdings vor allem von Großbritannien, das mit seinem weltweit zweitgrößten Finanzplatz London (etwa 10% des britischen BIP entfallen auf den Finanzsektor, soviel wie in keinem anderen Industrieland) besonders stark vom freiheitsliebenden Finanzmarkt und dessen Lobbyisten abhängig ist. Die Befürworter der Steuer fordern daher notfalls die Einführung nur in der Eurozone. Frankreich ist sogar bereits einen Schritt weiter und hat Ende Januar 2012 die einseitige Einführung der Finanztransaktionssteuer für Frankreich ab August 2012 angekündigt. EU-Haushaltskommissar Lewandowski bekräftigte nun jedoch, vorerst weiter auf eine Einführung innerhalb der EU-27 hinzuarbeiten. „Die Diskussion über eine verstärkte Zusammenarbeit“ bei der Finanztransaktionssteuer sei zu früh. So habe Großbritannien bereits die älteste Art einer derartigen Abgabe mit der 1694 eingeführten Börsensteuer („Stempelsteuer“). Experten halten diese jedoch als sehr Lückenhaft mit vielen Schlupflöchern und bevorzugen die Finanztransaktionssteuer. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte kürzlich beide Varianten mit einander verglichen und sich klar für die Finanztransaktionssteuer ausgesprochen (siehe Artikel vom 27.02.2012).

Details der Finanztransaktionssteuer

Der EU-Vorschlag sieht eine Abgabe von 0,1% für den Handel mit Wertpapieren und Schuldverschreibungen vor, sowie 0,01% für Derivate. Damit ist der EU-Plan ähnlich der in Taiwan bereits gültigen Finanztransaktionssteuer, was auch eine breitere Bemessungsgrundlage vorsehe. Jedem EU-Staat stehe es allerdings frei, darüber hinaus auch noch einen eigenen Aufschlag vorzunehmen. Um dem Risiko der Standortverlagerung zu begegnen sollen beide Seiten einer Transaktion besteuert werden, also auch, wenn entweder nur der Käufer oder nur der Verkäufer aus der EU kommen. „Das heißt, wenn ein Finanzinstitut seinen Sitz in der EU hat, wird es auf jeden Fall besteuert, auch wenn die Transaktion in einem anderen Land läuft. Insofern ist keine Ausnahme möglich“, führte Lewandowski das Niederlassungsprinzip aus. Um zu verhindern, dass international tätige Finanzinstitute ihre Transaktionen über Tochtergesellschaften außerhalb der EU abwickeln, empfiehlt das DIW, die Steuerpflicht an das Sitzland der Muttergesellschaft anzubinden. Transaktionen durch Privatpersonen und solche mit der Europäischen Zentralbank sollen weitgehend befreit werden, so dass die Finanzierung der Realwirtschaft nicht beeinträchtigt wird.
(mb)

 

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