Professorin Tanja Schultz vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erhielt am Freitag den mit 20.000 Euro dotierten Forschungspreis Technische Kommunikation der Alcatel-Lucent Stiftung. Die Informatikerin hat die „Lautlose Sprachkommunikation“ international als Forschungsgebiet etabliert. Die von ihr entwickelte Technologie erfasst mittels Elektromyographie die Aktivität der Gesichtsmuskeln beim Sprechen und verwendet Musterkennungsverfahren, um von diesen Signalen auf das – auch lautlos – Gesprochene zurückzuschließen. Die Preisverleihung fand am 12. Oktober im Stuttgarter Neuen Schloss statt.
Die „Lautlose Sprachkommunikation“ eröffnet für die Anwendung zahlreiche Möglichkeiten: So kann lautloses Telefonieren nicht nur die Geräuschbelästigung in der Öffentlichkeit reduzieren, sondern es auch möglich machen, vertrauliche Informationen wie Passwörter und PINs abhörsicher zu übermitteln. Die von Tanja Schultz entwickelte Technologie bietet darüber hinaus eine Lösung, Menschen zu unterstützen, die durch Unfälle oder Krankheiten ihre Stimme verloren haben. In naher Zukunft könnten auch ältere oder geschwächte Menschen eine Stimmunterstützung oder -kräftigung erhalten.
Bei der Elektromyographie zeichnen Elektroden auf der Hautoberfläche die elektrischen Signale (Potentiale) auf, die bei der Kontraktion der Artikulationsmuskeln entstehen – jener Muskeln, die zur Produktion von Sprache benötigt werden, beispielsweise um Lippen, Zunge, oder den Kehlkopf zu bewegen. Die Analyse dieser Signale durch Signalvorverarbeitung und Mustererkennungsverfahren erlaubt es, auf die Bewegungen und damit auf die produzierte Sprache zurückzuschließen. Da die Elektromyographie die Muskelaktivität auch dann erfasst, wenn die Sprecherin oder der Sprecher nicht hörbar artikuliert, kann dieses Verfahren auch lautlos Gesprochenes erkennen. Die erkannte Sprache lässt sich anschließend am Computer in Textform darstellen oder hörbar machen. Mögliche Anwendungen finden sich damit sowohl in der Mensch-Maschine-Kommunikation als auch in der maschinengestützten zwischenmenschlichen Kommunikation.
Das Kuratorium der Alcatel-Lucent Stiftung für Kommunikationsforschung begründete die Vergabe des Preises an Tanja Schultz mit ihrer hohen wissenschaftlichen Exzellenz und der gleichzeitig umfassenden Anwendungsrelevanz ihrer Arbeiten, die unmittelbar am Fokus der Stiftungsausrichtung, nämlich dem besseren Zusammenwirken von Mensch und Technik, ansetzen.
Preisverleihung am Freitag, 12. Oktober
Das Kuratorium der Alcatel-Lucent Stiftung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zeichnet seit 1980 jährlich eine/n herausragende/n Wissenschaftler/in aus, deren/dessen Forschungsarbeit einen wichtigen Beitrag zum Thema „Mensch und Technik in Kommunikationssystemen“ darstellt. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert. Die Verleihung des Forschungspreises Technische Kommunikation 2012 fand am Freitag, 12. Oktober, um 17 Uhr im Weißen Saal des Neuen Schlosses in Stuttgart statt.
Zur Person:
Tanja Schultz, geb. 1964, schloss ihr erstes Studium, Mathematik und Sport für das Lehramt, 1989 mit dem 1. Staatsexamen ab. Anschließend studierte sie Informatik an der damaligen Universität Karlsruhe (TH), an der sie im Jahr 2000 zum Thema Multilinguale Spracherkennung promovierte. Ab 2000 war Schultz zunächst Postdoctoral Fellow, ab 2002 dann Research Scientist und seit 2006 Research Professor an der Carnegie Mellon University (CMU) in Pittsburgh, USA. 2007 nahm sie den Ruf ans KIT an und hat dort den Lehrstuhl für Kognitive Systeme am Institut für Anthropomatik des inne. Schultz ist seit 2007 Vorstandsmitglied der International Speech Communication Association. Am KIT ist sie Gründungsmitglied des Instituts für Anthropomatik (2009) sowie Gründungs- und Lenkungskreismitglied des KIT-Schwerpunkts „Anthropomatik und Robotik“ (2010). Im vergangenen Jahr erhielt Tanja Schultz den PLUX Wireless Biosignals Award (BIOSTEC 2011). 2012 wurde sie mit Christoph Amma und Marcus Georgi auf dem 16. International Symposium on Wearable Computers (ISWC) mit dem Best Paper Award ausgezeichnet.
Bereits 2007 gründete Tanja Schultz das Cognitive Systems Lab am KIT: Bei der Erkennung lautloser Sprache mit Elektromyographie – an der Schnittstelle zwischen Spracherkennung und Biosignalverabeitung – ist sie mit ihrem Team weltweit führend. Den ersten echtzeitfähigen Prototyp ihres Systems stellte sie 2010 auf der IT-Messe CeBIT vor. Im Großlabor „Karlsruher Decision & Design Lab“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird, will Tanja Schultz ihre Entwicklungen weiter vorantreiben. Das mit 40 Kabinen und mobilen Biosignalgeräten ausgestattete Labor bietet beste Möglichkeiten für Experimente mit großem Personendurchsatz in kontrollierten Laborumgebungen und unter realen Bedingungen.
Video
Reihe „Frauen in der Forschung“ – Prof. Tanja Schultz im Interview.
Über die Alcatel-Lucent Stiftung für Kommunikationsforschung
Die Alcatel-Lucent Stiftung ist eine gemeinnützige Förderstiftung für Wissenschaft. Sie behandelt über ein multidisziplinäres wissenschaftliches Netzwerk umfassende Fragestellungen der Informationsgesellschaft. Davon berührt sind neben den Aspekten der neuen breitbandigen Medien die Mensch-Technik-Interaktion, das E-Government, das Medien und Informationsrecht, der Datenschutz, die Datensicherheit, die Sicherheitskommunikation sowie die Mobilitätskommunikation. Alle mitwirkenden Disziplinen sind angesprochen, von Naturwissenschaft und Technik über die Ökonomie und Sozialwissenschaft bis hin zur Technikphilosophie.
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Quelle: KIT