Im Rahmen der ACTA-Thematik konnten wir Frau Heike Zirwick, Rechtsanwältin bei der Kanzlei Bernhardt Zirwick Rechtsanwälte in Partnerschaft, für ein Kurzinterview gewinnen.
1.) Würden Sie uns bitte kurz aus Ihrer Sicht erläutern, um was es sich bei dem ACTA-Abkommen genau handelt?
Das ACTA-Abkommen (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) ist ein Handelsübereinkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Australien, Kanada, Japan, der Republik Korea, den Vereinigten Mexikanischen Staaten, dem Königreich Marokko, Neuseeland, der Republik Singapur, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika. Ziel des ACTA-Abkommens ist die Verbesserung der internationalen Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, wobei durch das ACTA-Abkommen ein internationaler Mindeststandard geschaffen werden soll. Auch Rechtsverletzungen im digitalen Umfeld, also im Internet, soll damit entgegengewirkt werden, insbesondere im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte.
2.) Was würde sich Ihrer Ansicht nach für den normalen Internetuser und seine Surfgewohnheiten ändern?
Grundsätzlich existieren im deutschen Recht heute schon umfassende Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums. Neben Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen sehen die deutschen Gesetze, z.B. das UrhG, auch Auskunftsansprüche vor. So verfolgt die Musikindustrie schon seit Jahren in erheblichem Ausmaß diejenigen, die Musik in sogenannten Tauschbörsen illegal zum Download anbieten. Um an die Daten des Anschlussinhabers zu gelangen, über dessen Anschluss die Urheberrechtsverletzungen begangen wurden, kann der Rechteinhaber einen richterlichen Beschluss erwirken, nach dem der Provider verpflichtet wird, die Daten des Anschlussinhabers an den Rechteinhaber herauszugeben. Neben den zivilrechtlichen Ansprüchen des Rechteinhabers sind Urheberrechtsverletzungen aber auch strafbar. Gleiches gilt für die Verletzung gewerblicher Schutzrechte.
Der Großteil der Regelungen des ACTA-Abkommens ist also heute schon geltendes Recht in Deutschland, sodass sich m. E. nicht viel ändern wird. Zudem findet das ACTA-Abkommen keine direkte Anwendung. Es bedarf vielmehr einer Umsetzung in nationales Recht.
3.) Mittlerweile ist das Internet auch im geschäftlichen Bereich nicht mehr wegzudenken. Wie würde sich ACTA auf in Internet agierende Unternehmen auswirken?
Hier gilt das unter 2.) gesagte für in Deutschland tätige Unternehmen entsprechend. Da durch ACTA ein einheitlicher Mindeststandard geschaffen werden soll, könnte es für Unternehmen allerdings leichter werden, ihre Rechte im Bereich des geistigen Eigentums auch in solchen Staaten durchzusetzen, die derzeit unterhalb des angestrebten Mindeststandards liegen.
4.) Polen, Tschechien, Slowakei und ganz aktuell Lettland haben den aktuellen nationalen Ratifizierungsprozess bzgl. des ACTA-Abkommens momentan ausgesetzt. Ist das Ihrer Meinung nach ein Resultat aus einem Umdenken der Regierungen, eine direkte Konsequenz aus durchaus heftigen Protesten oder ist diese Unterbrechung dem intransparenten Entstehungsprozess des Abkommens geschuldet? Oder gibt es eine ganz andere Begründung?
Die Umstände in den genannten Ländern kann ich nicht beurteilen. Deutschland betreffend gehe ich aber davon aus, dass die Aussetzung in erster Linie auf den intransparenten Entstehungsprozess des Abkommens zurückzuführen ist. So waren die Verhandlungen nicht öffentlich und auch die Bundesregierung war lediglich als Beobachter bei den Verhandlungen zugelassen. Dennoch werden auch die Proteste zu der Aussetzung beigetragen haben, indem sie die Aufmerksamkeit auf das ACTA-Abkommen gelenkt haben und sich auch die Politik daraufhin näher mit ACTA und dessen Schwachstellen beschäftigt hat.
5.) Mit SOPA, PIPA, ACTA und im pazifischen Raum TPPA haben Regulierungsabkommen mittlerweile schon fast Konjunktur. Wie erklären Sie sich die momentane globale Offensive bzgl. der Regelung des digitalen Raumes?
Das Internet ist aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken und nimmt einen immer größeren Stellenwert ein. Viele Sachverhalte haben sich ins Internet verlagert. So wird im Internet eingekauft, man "trifft" sich online mit Freunden usw. Teilweise werden die bestehenden Regelungen den Internetsachverhalten wohl nicht gerecht. Zudem ist das Internet global, die nationalen gesetzlichen Regelungen gelten aber nur in dem jeweiligen Land, sodass durchaus auch ein Bedarf an länderübergreifenden Regelungen besteht.
6.) Das auswärtige Amt hat die Weisung zur Unterzeichnung von ACTA zurückgezogen. Was bedeutet das für den weiteren Ratifizierungsverlauf?
Grundsätzlich tritt das ACTA-Abkommen in Kraft, wenn sechs Vertragsparteien das Abkommen ratifiziert haben, jedoch nur zwischen diesen Vertragsparteien. Solange das ACTA-Abkommen in Deutschland nicht ratifiziert wird, ist Deutschland nicht daran gebunden.
Wir bedanken uns bei Ihnen für das aufschlussreiche Interview.
Das Interview führte Sebastian Mosig (Redaktion AGITANO).