Kein Bock auf Kuscheln!

… aus der wöchentlichen Business-Kolumne von Ulrich B Wagner mit dem Titel „Me, myself and I – eine Reise in sich hinein und über sich hinaus„.

     Heute:      Kein Bock auf Kuscheln!
Oder: Warum es längst überfällig ist, Stellung zu beziehen…

„Jedenfalls ist es besser, ein eckiges Etwas zu sein als ein rundes Nichts“
(Friedrich Hebbel (1813 – 1863), deutscher Dramatiker und Lyriker)

Die Steilvorlage zu dieser Kolumne findet sich auf der Titelseite der Samstagsausgabe der FAZ vom 15. Oktober 2011: Ein Schwarzweißbild Kaiser Neros mit Gespielin im Colosseum zu Rom, den Daumen lässig nach unten geneigt.

Darunter der nachfolgende Text: „Gefällt mir nicht – Die Vertreter der Generation Facebook haben es sich angewöhnt, nur noch ihr Gefallen zum Ausdruck zu bringen, ihre Abneigung aber nur indirekt durch die Verweigerung einer Gefallensbekundung. Dass sie sich damit auch das direkte Vergnügen versagen, jemanden die Meinung zu sagen, wie Kaiser Nero oder die Ratingagenturen auf Seite 13, wird in Kauf genommen. Das Urteil der Ratingagenturen führt dann nur dazu, dass kein Vertreter der zimperlichen Generation Facebook den „Gefällt mir“ –Knopf bei herabgestuften Bank oder Staaten drückt.“

Warum gibt es ihn nicht, den Dislike-Button auf Facebook? Hangelt man sich durch die einschlägigen Internetforen, kann man eine sehr lebhafte Diskussion zu diesem Thema verfolgen. Auf Facebook selbst gibt es eine Dislike-Button Fanpage mit 3.309.306 Personen (Stand: 18.10.2011 11.07 Uhr), denen diese Seite gefällt und die damit aktiv ihrer Forderung Ausdruck verleihen, endlich diese Funktion auch auf Facebook zu implementieren. Dies zum einen.

Auf der anderen Seite, und dies empfinde ich persönlich als noch ärgerlicher, ist der blanke Zynismus (der deutsche Gegenwartsphilosoph Peter Sloterdijk definierte Zynismus seiner Zeit als das falsche, aufgeklärte Bewusstsein) des FAZ-Schreiberlings, gerade die Generation als wehleidig, ängstlich, überempfindlich und weichlich zu betitulieren, die mit ihren Facebook-Aktionen maßgeblich die Revolutionen der vergangenen Monate in der arabischen Welt ausgelöst und koordiniert hat.

Es ist auch weltweit die Generation, mit deren Zukunft, mit deren Bildungs- und Aufstiegschancen bereits auf unverantwortliche Weise gezockt wurde, und immer noch gezockt wird (Meldung des Tages: Die Deutsche Bank und die Casino-Zockerei! Banker als Zocker: Dieser Vergleich wird in Zeiten allmächtig wirkender Finanzmärkte beinahe täglich gezogen. Die Deutsche Bank erweckt gerade den Eindruck, als wolle sie mit aller Macht beweisen, dass es sich dabei nicht um ein Klischee handelt. Der deutsche Branchenprimus hat laut einem Bericht der „Financial Times“ insgesamt fast fünf Milliarden Dollar in Luxus-Casinos in Las Vegas gesteckt – weil die Welthauptstadt des Glücksspiels aber extrem unter den Folgen der amerikanischen Wirtschaftskrise leidet, wird das Institut wohl einen großen Teil der Summe abschreiben müssen SPIEGEL ONLINE 18.10.11)

Es mag durchaus sein, dass der „typische“ FAZ-Leser weniger sorgenvoll in die Zukunft zu blicken geneigt ist, da er seine Schäfchen so oder so im trocken zu haben scheint, oder die besten Jahre seines Lebens bereits hinter sich gelassen hat. Dagegen wird es die „zimperliche“ Generation Facebook hauptsächlich treffen. Ihre Zukunft ist heute schon weitestgehend determiniert, wenn nicht sogar zerstört, durch unser desaströses Finanzsystem, die weltweite Gier und die maßlose Profitorientierung ohne jegliches soziales und gesamtgesellschaftliches Verantwortungsgefühl.

Es war schon immer einfach mit einem Wir haben es ja nur gut gemeint – Lächeln auf die nachfolgenden Generationen und auf die Jugend zu schimpfen (Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul, sie wird niemals so sein, wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten. Inschrift aus Babylon 1000 v. Chr.)

Ich für meinen Teil hoffe inständig, dass die guten alten Babylonier wenigstens mit ihrer Prophezeiung Recht behalten mögen, dass es der Jugend nicht gelingen wird, unsere Kultur der Gier zu erhalten. Es wäre ihnen zu wünschen.

Dislike-Button hin oder her. Der Generation Facebook ist meines Erachtens auf keinen Fall der Vorwurf zu machen, sich seinem Zorn nicht ausreichend Platz zu verschaffen, wie die weltweiten, in Folge der „Occupy Wall Street“- Bewegung ausgelösten Massenproteste zeigen. Allein die „Occupy Frankfurt“ – Bewegung konnte vergangenen Samstag vor der EZB über 5.000 Menschen allen Alters und aller sozialen Schichten mobilisieren. Noch heute harren über 200 Protestanten mit ihren Zelten in der Taunusanlage vor der Europäischen Zentralbank aus.

Das Gesicht und die Initiatoren der Bewegung, die derzeitig Zeichen setzen, Stellung beziehen und klar und deutlich zeigen, dass sie keinen Bock mehr haben auf Kuschelkurs und Augenwischerei, sind gerade die affinen Facebooker und Co. Es ist nämlich die Zukunft der Generation Facebook, die gerade den Bach herunter geht. Es ist aber auch unser aller Lebensgrundlage, die, wenn wir uns nicht endlich aufraffen, grob fahrlässig verspielt wird.

Es sind im Moment noch nicht 99 Prozent unserer Gesellschaft, die eindeutig Stellung beziehen. Aber es werden von Tag zu Tag immer mehr.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen mehr Mut zur Wut und die notwendige Sozialcourage, dieser auch Ausdruck zu verleihen.

Herzlichst

Ihr Ulrich B Wagner

Zum Autor:

Ulrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main.

Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie.

Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Website www.ikcm.de, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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