… aus der Kolumne von Claus-Peter Schaffhauser
Warum können Männer nicht einfach erwachsen werden, so wie es vernünftigen Menschen, zum Beispiel Frauen, problemlos gelingt.
Nein, Männer müssen auf den Fußballplatz und aktiv ihre Knochen hinhalten, bis die kaputten Gelenke sie in die Knie zwingen. Dann kann man aber immer noch ins Fußballstadion fahren, um mit gleichgesinnten Geschlechtsgenossen, den sportlichen Gegner unsportlich grölend verbal zur Sau zu machen. Niederlagen werden von Ultras sehr persönlich genommen. Gern sitzt der Ultra auch mit Freunden und zwei, drei Kästen Bier gemütlich vor dem Fernseher (natürlich großer Flachbildschirm – das passt auch besser) und diskutiert, nicht immer verständlich, die Einkaufspolitik des Vereins und die merkwürdige Taktik des Trainers. – Manche finden ja erst zur Ruhe, wenn der letzte Gast gegangen und sie mit dem Vereinschal um den Hals und noch dem Trikot auf dem verschwitzten Leib, mit 1,x Promillen und dem letzten angebrochenen Bier in der Hand, auf der Couch in den Schlaf sinken und erst wieder durch würgende Laute wach werden, um zu ihrem Entsetzen festzustellen, dass die Mayonnaise auf den Pommes wahrscheinlich doch schon „hinüber“ war.
Zu meiner Ehrenrettung, zur Kategorie Ultra-Fußballfan gehöre ich nicht. Schaue mir aber gern mal ein Spiel unserer Nationalmannschaft an.
Dann gibt es noch den Stammtischbruder, der 50iger Jahre, der den Stammtisch als natürliche Fortsetzung bzw. verlängerte Werkbank der aktiven Vereins- und Männerarbeit sieht, wo es seines Erachtens vordringlich um die schnelle Vernichtung von Alkoholeinheiten und dem erzählen von dreckigen Männerwitzen geht, die man mit Vorliebe der jungen Bedienung erzählt, nachdem man genüsslich ihren Hintern getätschelt hat, um eine weitere „Runde“ zu bestellen. Er weiß Alles, vor allen Dingen besser und sagt dies auch laut und deutlich, manchmal auch schon etwas undeutlich, was aber sicherlich an einer Überdehnung der Kiefermuskulatur liegen dürfte. Er kennt jedenfalls alle notwendigen Hintergründe der gegenwärtigen Finanzkrise, des Irankonflikts und warum der FC Bayern in der letzten Saison keinen Titel geholt hat. Dass, was er nicht weiß, ist nicht notwendig zu wissen und „die Klugscheißer sollen doch einfach mal ihr Maul halten, weil die eh keine Ahnung haben“.
Zu meiner Ehrenrettung, zu dieser Kategorie gehöre ich auch nicht, wobei ich sehr gern ein Bier in der Wirtschaft trinke und zumindest den „gelben Gürtel“ in Schafkopf, Watt’n und Skat besitze und in dieser 3er-Kombination wenig Gegner fürchten muss.
Ich bin mehr der Sammler, als der Jäger und kann sogar aus Dreck Lehm machen. Oder in einem langen abgebrochenen Ast, einen wunderschönen abgebrochenen Ast sehen, der natürlich unbedingt mitgenommen werden muss, um ihn einer einzigartigen Sammlung von abgebrochenen Ästen einzuverleiben, die dann in Stolz vereint, bis zur nächsten Eiszeit an unserer Pergola lehnen. Nie würde ich auf die Idee kommen, so ein wunderschönes Stück zu Kleinholz zu verarbeiten, man verheizt ja in der Ölkrise auch keinen van Gogh. Aber man könnte zusammen mit den Kindern einen Tippi bauen und darin nächtigen. Oder vielleicht auch mit den Enkelkindern, weil die Kinder „auf so was keinen Bock haben“.
Ein besonders schönes Exemplar von Stecken hat mich im Mühlenweg angesprochen. Wortwörtlich. Ganz deutlich hörte ich, wie er sagte: „Na, mein stolzer Recke, wäre ich nicht die ideale Lanze für Dich? Gemeinsam können wir das Böse besiegen und die Bankenkrise beenden, indem wir die Hebel aushebeln und unter den Hufen Deines Schlachtrosses zermalmen“ – (Wahrscheinlich war hier von meinem Drahtesel Marke „Pegasus“ die Rede).
Ja, genau zu dieser Kategorie Männer zähle ich.
Ich ließ mich jedenfalls nicht lange bitten und habe die „Lanze“ hinter mir hergeschleift. Wie unwürdig. Sobald der Weg aber eben und passierbar wurde, habe ich mich auf meinen Drahtesel geschwungen und dem Teil die Sporen gegeben. Wie da die Wiesen und Wälder an mir vorbei gebraust sind. Welch wahre Wonne.
Kurz vor der Einkehr zur heimischen Festung, vor meinem imaginären Auge konnte ich bereits den Burggraben sehen und kostete bereits das köstliche Met auf meiner ausgetrockneten Zunge, sah ich schemenhaft, wie mir ein unbekannter Reiter auf der Steinebacher Straße entgegen kam, das Visier in feindlicher Absicht geschlossen. Mit der rechten Hand die Lanze fest umklammert, wollte ich mit der linken Hand die Hand zum Friedensgruß erheben, übersah aber dabei, dass freihändiges Radfahren noch nie meine Stärke war.
Ja, es stimmt. Sekundenbruchteile können ein Leben verändern. Im hohen Bogen flog die Brille und dann ich über den Lenker. Oder zuerst ich und dann die Brille. Egal. Asphalt hat keine Balken, ist aber trotzdem sehr hart. Als nächstes sah ich sehr unscharf (da nun ohne Sehhilfe), dass meine rechte Hand arg geschwollen war und dass ich ziemlich im Gesicht bluten musste. Ich setzte mein „Nasenfahrrad“ wieder auf, welches Gott sei Dank heil geblieben war, sah mir mein Unglück etwas näher an, schnappte mir mein Rad und meinen langen Stecken, von dem leider ein Stück abgebrochen war und trabte dann nach Hause. War ja nur noch ein kleines Stück des Weges.
Ich wusch mir das Blut aus dem geschundenen Gesicht und stellte fest, dass offensichtlich nichts gebrochen war. Die Finger ließen sich alle bewegen und auch Elle und Speiche (sic!) schienen noch heil zu sein. Alle Zähne saßen noch fest im Kiefer. Ein Eckzahn hatte eine Schramme abbekommen. Der Stecken stammte wahrscheinlich ebenfalls von einer Kiefer. Wie schön.
Da man die Verletzungen in der Öffentlichkeit schwerlich verbergen konnte, außer ich hätte eine Burka getragen, wollte ich mir zuerst ein paar Räubergeschichten ausdenken, wie: „meine Frau hat mich wieder mal geschlagen“, oder „unter ein Rudel von Wölfen geraten“, oder „einer Jungfrau das Leben gerettet, indem ich den Drachen mir der Hand tötete“. – Dass mit der „Jungfrau“ fand ich dann in unserer modernen Zeiten doch nicht so glaubwürdig.
Ich entschloss mich also tapfer die Wahrheit zu erzählen – das Detail mit der Lanze habe ich aber weggelassen.
Vielleicht sollte ich in Zukunft einfach etwas mehr trinken und mir öfter mal die Sportschau ansehen und totes Gehölz den Kleintieren zum Überwintern überlassen. Mal sehen, ob die guten Vorsätze lange vorhalten, denn so ein toller Stecken, der hat schon was, oder?
Ihr Claus-Peter Schaffhauser
Zum Autor:
Claus-Peter Schaffhauser war in mehreren Unternehmen verschiedener Branchen (Elektronik – Siemens, Informationstechnologie – HP, Befestigungstechnik – HILTI) in unterschiedlichen Führungspositionen tätig (u.a. EDV, Logistik, Vertrieb, Revision). Er berät seit 17 Jahren Kunden verschiedener Branchen in der Optimierung von Logistikprozessen (Lieferantenanbindung, Aufbau- und Ablauforganisation, Reklamationsmanagement) und in der Baustellenlogistik (Optimierung letzte Meile). Claus-Peter Schaffhauser spricht Deutsch und Englisch. In seiner Freizeit schreibt er Kolumnen und arbeitet als Künstler.