Immer mehr Unternehmen verlagern ihre IT-Infrastruktur in die "Cloud". Damit müssen sie Firmendaten, Rechnerkapazität oder Softwareanwendungen nicht länger im unternehmenseigenen Rechenzentrum vorhalten, sondern können sie ins Internet auslagern. Dr. Jörg Ohnemus spricht über die Vor- und Nachteile des Cloud Computing.
Dr. Jörg Ohnemus arbeitet als Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Informations- und Kommunikationstechnologien am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Er promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Analyse zur Auslagerung von Informationstechnologien und computerintensiven Geschäftsprozessen und deren Effekte auf den Unternehmenserfolg. Im Mittelpunkt seiner Forschungsinteressen stehen die Adaption und die Auswirkungen von (neuen) Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Produktivität der Unternehmen.
Warum lohnt es sich für Unternehmen, IT-Anwendungen nicht selbst vorzuhalten, sondern über Cloud Computing zu beziehen?
In erster Linie können Unternehmen durch die Nutzung von Cloud Computing Kosten einsparen. Gerade bei Diensten und Prozessen, die nur gelegentlich anfallen, lohnen sich meist die Investitionen in lokale und notwendigerweise an Spitzenlasten ausgelegte IT-Systeme kaum. Durch die Auslagerung in die Cloud sparen Unternehmen diese hohen Investitionskosten, an deren Stelle dann nutzungsabhängige variable Kosten treten. Cloud Computing steigert zudem die Flexibilität der Unternehmen, da die Dienste kurzfristig und beliebig skalierbar an den Bedarf angepasst werden können.
Welchen Unternehmen nutzen besonders Cloud Services?
Am meisten profitieren wohl kleine und mittlere Unternehmen vom Cloud Computing, da sie sich zum Beispiel den Kauf von teuren und nur temporär benötigten Softwarelösungen sparen und trotzdem flexibel die benötigten IT-Services bei Bedarf in Anspruch nehmen können. Des Weiteren sind es vor allem Neugründungen und junge Unternehmen, die noch keine eigenen IT-Strukturen aufgebaut haben, die von Cloud-Services begünstigt werden.
Was sind die Risiken der Nutzung von extern bereitgestellter IT-Infrastruktur?
Wenn man sich für die Cloud entscheidet, begibt man sich natürlich in ein Abhängigkeitsverhältnis und verliert ein Stück weit die direkte Kontrolle über die Prozesse. Dies ist allerdings nicht Cloud Computing-spezifisch, sondern bei jeder ausgelagerten Dienstleistung der Fall. Wichtig ist, dass die Unternehmen mit ihrem zukünftigen Cloud-Dienstleister die genauen Anforderungen und die Leistungsqualitäten der Cloud-Dienste definieren. Trotz solcher Service Level Agreements können natürlich technische Probleme beim Cloud-Dienstleister dazu führen, dass Dienste längere Zeit ausfallen. Dies ist bereits vereinzelt vorgekommen und zog eine Debatte über die Zuverlässigkeit von Cloud Computing nach sich.
Welche Herausforderungen muss das Cloud Computing noch lösen?
Viele Unternehmen halten sich wegen der unklaren rechtlichen Regelungen bislang mit dem Gang in die Public Cloud zurück. Aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen müssen Unternehmen in Deutschland jederzeit Zugriff auf die Daten ihrer Kunden haben. Liegen diese in der Cloud, ist dies nicht immer gewährleistet, gerade wenn zum Beispiel die Rechenzentren in den Vereinigten Staaten liegen. Im Wesentlichen ist bisher die Speicherung von personenbezogenen Daten für deutsche Unternehmen nur innerhalb der EU rechtlich unproblematisch. Dies führte dazu, dass einige Cloud-Anbieter Rechenzentren in Europa errichten, obwohl natürlich ein Großteil der Cloud-Infrastruktur in Nordamerika liegt.
Cloud-Services machen Investitionen der Unternehmen in Hard- und Software sowie lokalen Support teilweise überflüssig. Wird es zu einem Beschäftigungsabbau in großem Umfang in den IT-Abteilungen der Unternehmen kommen?
Damit ist eher nicht zu rechnen. Natürlich wird an einzelnen Stellen IT-Personal eingespart, allerding wird dies an anderen Stellen aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Geschäftsprozesse in den Unternehmen auch wieder benötigt. Zumindest bei mittleren und großen Unternehmen geht momentan der Trend zu hybriden Cloud-Lösungen. Das bedeutet, dass firmeninterne Cloud-Dienste, die weiterhin eigenes IT-Personal notwendig machen, gemeinsam mit Public Cloud-Anwendungen zum Einsatz kommen. Nicht zuletzt besteht natürlich auch bei den Cloud-Anbietern ein großer und wachsender Bedarf an IT-Spezialisten.
Inwiefern wird Cloud Computing unsere Arbeitswelt umkrempeln?
Die Cloud wird sicherlich nicht von heute auf morgen unsere Arbeitswelt total verändern. Aber Cloud Computing wird zusammen mit dem mobilen Internet dafür sorgen, dass wir zukünftig von jedem beliebigen Ort aus und zu jeder beliebigen Zeit arbeiten können. Dies wird sich auf die Arbeitsabläufe und die Art und Weise, wie wir unsere Arbeits- und Freitzeit aufteilen werden, auswirken.
(Quelle: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung / ZEW)
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