Neue Studie von Bain & Company: Servicestrategien für Maschinen- und Anlagenbauer

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Das traditionelle Investitionsgütergeschäft wird in den kommenden Jahren tendenziell stagnieren und noch höheren Marktschwankungen unterliegen als bisher. Wachstum sowie verlässliche Umsätze und Renditen verspricht vor allem das Servicegeschäft. Eine aktuelle Studie der internationalen Managementberatung Bain & Company zeigt, dass Maschinen- und Anlagenbauer noch großes Potenzial im Service haben: Von der Ermittlung des Umsatzpotenzials bis zum Aufbau eines serviceorientierten Unternehmens ist ein systematisches Vorgehen und eine klare Servicestrategie notwendig.

Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau gehörte zu den Verlierern der weltweiten Finanzkrise von 2008 und 2009. Zwar stieg der Umsatz in den letzten beiden Jahren um 22 Prozent, aber seit Dezember 2011 kämpft die Branche wieder mit rückläufigen Zahlen. Ganz ähnlich die Lage in der Schweiz: Die Umsätze der Branche gingen hier bereits 2011 um fast 19 Prozent zurück und der starke Schweizer Franken drückt auf die Gewinne.

Service als stabilisierendes Element

Laut Bain-Studie wird das Neugeschäft im Maschinen- und Anlagenbau je nach Branche in den nächsten Jahren stagnieren oder sogar zurückgehen. Die Prognosen für die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) schwanken für die Eurozone in diesem Jahr zwischen minus 0,3 Prozent und plus 0,8 Prozent. "Die Wirtschaft ist durch die Finanz- und Eurokrise unberechenbarer und volatiler geworden", sagt Oliver Strähle, Partner bei Bain & Company und Co-Autor der Studie. "Das spüren zyklische Branchen wie der Maschinen- und Anlagenbau ganz besonders."

Um den starken Schwankungen des Neumaschinenabsatzes zu entkommen, setzen bereits viele Unternehmen auf den Ausbau ihres Servicegeschäfts. Denn Service wird auch in Zeiten gebraucht, in denen Investitionen in den Maschinenpark zurückgestellt werden. Dieser Effekt zeigt sich besonders bei den Aufzugsbauern: Die führenden vier Hersteller Kone, Otis, Schindler und Thyssen-Krupp konnten in den Krisenjahren 2008 und 2009 ihren Vorsteuergewinn (EBIT) um durchschnittlich 56 Prozent steigern; die Gesamtheit der Industriegüterproduzenten verlor zeitgleich 37 Prozent EBIT. Während das traditionelle Maschinengeschäft im Schnitt eine Umsatzmarge von fünf bis zehn Prozent hat, liegt der Gewinn im Service im Durchschnitt über 15 Prozent vom Umsatz.

Maschinenbauer noch mit viel Potenzial

Die überwiegende Mehrzahl der Maschinen- und Anlagenbauer hat die Bedeutung des Servicegeschäfts bereits erkannt. 85 Prozent der Unternehmen sehen hier langfristiges Wachstumspotenzial. "Trotz des soliden Wachstums ihrer Serviceeinheiten schaffen es nur wenige Maschinenbauer, das Potenzial in diesem Bereich in vollem Umfang zu heben", sagt Bain-Experte Strähle. Noch immer erwirtschaften Investitionsgüterhersteller mehr als zwei Drittel ihrer Serviceumsätze mit Ersatzteilen und Reparaturen.

Über ihre installierte Basis, also ihre im Markt befindlichen Maschinen und Anlagen, haben nur wenige Hersteller ausreichende Informationen. Um das Servicegeschäft strategisch aufzubauen, ist die installierte Basis jedoch der beste Ausgangspunkt. Auch müssen mögliche Serviceumsätze aus den gesamten Betriebskosten der Anlage abgeleitet werden und nicht aus dem Angebot des Herstellers. Ein Grund dafür ist, dass viele Maschinen- und Anlagenbauer weder die innerbetrieblichen Serviceleistungen ihrer Kunden kennen, noch die Serviceangebote ihrer Wettbewerber. Deshalb geben sich viele Hersteller mit dem im Vergleich zum Neugeschäft attraktiven und stabilen Wachstum und Gewinn ihrer Serviceeinheiten zufrieden. Sie verschenken damit jedoch das deutlich größer Potenzial, das in ihrer installierten Basis steckt; ganz zu schweigen von den Möglichkeiten, die sich ergeben, würden sie ihr Serviceangebot auf ganze Prozessketten erweitern.

Die wenigsten Maschinen- und Anlagenbauer vermarkten aktiv ihr bestehendes Serviceangebot mit einer eigenen Vertriebseinheit. Stattdessen beantworten sie Kundenanfragen reaktiv und erfüllen die von den Kunden erwartete Leistung oft nur schlecht oder gar nicht. Durch solch enttäuschte Kundenerwartungen vergeben sich die Unternehmen Chancen in der Preisgestaltung. Typischerweise kalkulieren sie ihre Gestehungskosten plus einer Servicemarge, berücksichtigen aber nicht, was der Service dem Kunden wert ist. So entstehen teilweise sehr undifferenzierte Ersatzteilpreise und beinahe verschenkte Know-how-Transfers.

In fünf Schritten zum Servicechampion

Um vorhandene Servicepotenziale zu ermitteln und zu erschließen, empfiehlt die Bain-Studie ein systematisches Vorgehen in fünf Schritten:

1. Servicepotenzial erkennen

Der erste Schritt beim Ausbau des Servicegeschäfts ist die Erfassung der vorhandenen installierten Basis und der relevanten Servicestandards im eigenen Segment. Unternehmen müssen wissen, welche ihrer Maschinen wo in Betrieb sind, welche Servicelevels welche Kundengruppen derzeit nutzen und wohin sich die Kundenbedürfnisse entwickeln. Es muss geklärt werden, ob Services für Fremdmaschinen angeboten werden sollen und ob die vorhandenen Servicestandorte und -kapazitäten mit den zukünftig abzudeckenden Maschinen- und Kundengruppen übereinstimmen.

2. Serviceziele abstecken

Der zweite Schritt betrifft die strategische Entscheidung über Richtung und Größenordnung der Serviceinitiative. Welche Umsatz- und Gewinnerwartungen hat der Hersteller an den Ausbau seines Serviceangebots? Oft muss er bestehende Services erweitern und in Mitarbeiter oder neue Standorte investieren. Die Zielsetzung sollte ambitioniert sein, die zeitlichen Abläufe realistisch geplant werden. Von Beginn an ist es wichtig, die Rolle des Service für das Gesamtunternehmen festzulegen – in der unternehmensinternen Positionierung und im externen Markenauftritt.

3. Servicepalette komplettieren

Im dritten Schritt wird das Serviceangebot auf Vollständigkeit überprüft. Entlang von drei Dimensionen können Dienstleistungen beim Kunden wachsen:

– Intensivierung und Verbesserung des Services für Maschinen und
Anlagen, die bereits gewartet werden
– Ausdehnung des Services auf umliegende Systeme, Hallen oder
Standorte
– Nutzung des eigenen Know-hows für eine mehrwertorientierte
Beratung und Unterstützung der Kunden.

Im Ergebnis sollten die Unternehmen ihre punktuellen, reaktiven Angebote schrittweise in langfristige, auf partnerschaftliche Vorteile ausgerichtete Kooperationsmodelle überführen.

4. Serviceerbringung industrialisieren

Der vierte Schritt überträgt die Prinzipien des Produktgeschäfts auf den Service. Statt individueller, jedes Mal neu kalkulierter Dienstleistungen, werden standardisierte Servicepakete geschnürt. Sie sind leichter zu kommunizieren und zu kalkulieren. Sie bieten darüber hinaus die Möglichkeit, die Servicequalität überregional zu vereinheitlichen, zu kontrollieren und zu verbessern. Auf Basis des Kundennutzens werden die Preise ermittelt, die in Kombination mit den Paketlösungen den Service für den Kunden und das eigene Unternehmen interessant machen. Schließlich wird eine Vertriebsstrategie mit Zielkundensegmenten und schlüssiger Verkaufsargumentation für jedes Servicepaket erstellt. Für eine optimale Leistungserbringung im Service müssen oft auch die Supply-Chain-Strukturen angepasst werden.

5. Serviceorganisation stärken und Servicekultur etablieren

Zur Umsetzung ihrer Servicestrategie müssen Unternehmen auch ihre Kultur und in vielen Fällen ihre Organisation anpassen. In der Aufbauphase empfiehlt Bain, dem Servicegeschäft mehr Eigenständigkeit, operative Verantwortung und Spezialisierungsmöglichkeiten einzuräumen. Langfristig müssen Service- und Produktgeschäft jedoch eng miteinander verzahnt werden. Das beginnt mit der Karriereleiter: Mitarbeiter im Service und im Neugeschäft müssen gleiche Aufstiegschancen und Anerkennung im Unternehmen haben. Der Service ist bei der Produktentwicklung und der Einführung neuer Technologien von Anfang an einzubinden. Die Einführung einer neuen Maschinengeneration wird idealerweise von der Serviceorganisation mit einem Upgradeangebot für Bestandskunden und einem Portfolio an Serviceangeboten für die Neumaschine begleitet.

Beschleunigter Serviceaufbau

"Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Investitionsgüterhersteller mit der richtigen Wachstumsstrategie ihre Serviceumsätze innerhalb weniger Jahre mindestens verdreifachen können", sagt Oliver Strähle. "Allerdings geht das nur mit einem rigorosen Change Management im gesamten Unternehmen, sonst hinkt die von den Kunden erfahrene Realität dem Leistungsversprechen hinterher." Eine Servicetransformation erfordert hohe Investitionen in neue Mitarbeiter und Standorte, oft verbunden mit der Akquisition eines oder mehrerer Servicespezialisten, ein radikales Umdenken im Management sowie die Einbeziehung der gesamten Organisation über intensive Kommunikation und Beteiligung im Unternehmen. "Das ist ein nicht zu unterschätzender Kulturwandel in technologiegeprägten Unternehmen, der sich jedoch rasch bezahlt macht", so Strähle.

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