Nordrhein-Westfalen fordert Transparanz in der Lebensmittelüberwachung durch öffentliche Internetdatenbank

Nach den Meldungen über Hygieneprobleme in der Großbäckerei Müller in Süddeutschland Ende Februar wurden die Hygienezustände in Bäckereien mit mehr als 10 Filialbetrieben in Nordrhein-Westfalen auf Weisung des NRW-Verbraucherschutzministeriums bei den zuständigen Behörden der Kreise und kreisfreien Städte abgefragt. Im Fokus standen dabei hygienebedingte Betriebsschließungen, erfolgte Nachkontrollen, erhobene Bußgelder von mehr als 200 Euro sowie mögliche eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf Grund festgestellter Hygienemängel. Insgesamt gibt es in Nordrhein-Westfalen 227 Betriebe, die Handelsketten und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung beliefern und/oder mehr als zehn Filialen betreiben.

In den Berichtsjahren 2010 und 2011 wurden demnach 212 Nachkontrollen in Zusammenhang mit mangelhaften Hygieneumständen in den Bäckereibetrieben durchgeführt. Insgesamt wurden neun Betriebsschließungen oder Schließungen von Teilbereichen solcher Betriebe auf Grund von Mängeln in der Betriebshygiene veranlasst, zwei weitere Betriebe hatten zur Durchführung von Reinigungsarbeiten freiwillig geschlossen. In 49 Fällen mussten Bußgelder von mehr als 200 Euro er-hoben werde und in sieben Fällen wurden sogar staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet.

Einen Sonderfall stellt eine Großbäckerei im Regierungsbezirk Arnsberg mit 130 Filialen und etwa 1.000 Beschäftigten dar. Im Jahr 2010 waren zwei aufeinander folgende Betriebsbegehungen durchgeführt worden, bei denen umfangreiche Mängel der Betriebshygiene in fast allen Bereichen des Betriebes festgestellt wurden. Dazu wurden Bußgelder von bis zu 80.000 Euro erhoben. Laut Bußgeldbescheiden wies dieser Betrieb in allen Produktions- und Lagerbereichen massive Hygienemängel auf, die von der Lagerung (überlagerte oder ranziger Ware) über die Produktion (verunreinigte Insektengitter, Schabenbefall, lebende Mäuse, massiver Schimmelbefall, unsachgemäße Lagerung von Schädlingsbekämpfungsmitteln) bis hin zur Ware selbst (eingebackene Schabe) und deren Auslieferung (gravierende Hygiene-Mängel in den Auslieferungsfahrzeugen) reichten.

Detaillierte Nachfragen hierzu ergaben, dass bereits seit Februar 2008 vermehrt Hygieneprobleme in diesem Betrieb aufgetreten waren. Eine Konsequenz der festgestellten Hygienemängel war eine deutliche Erhöhung der Kontrollfrequenz durch die zuständige Behörde, so dass bis Anfang dieses Jahres insgesamt 32 Betriebskontrollen und gebührenpflichtige Nachkontrollen durchgeführt wurden. Neben schriftlichen Anordnungen (Ordnungsverfügungen) wurden außerdem mehrere Bußgeldverfahren eingeleitet. Zeitweise wurde der Betrieb geschlossen, um Teilbereiche zu reinigen und unter anderem von Schädlingen zu befreien. Durch dieses Vorgehen wurde den getroffenen Maßnahmen Nachdruck verliehen. Der Betrieb steht derzeit unter der Leitung eines Insolvenzverwalters und Betriebsprüfungen neueren Datums zeigen nach Aussage der zuständigen Kreisbehörde erhebliche Verbesserungen der Hygienebedingungen. Der Betrieb ist den jeweils verhängten Auflagen der zuständigen Behörde in vollem Umfang nachgekommen, so dass alle Forderungen, die festgestellten Mängel abzustellen, erfüllt wurden. Wegen fehlender rechtlicher Grundlage erfuhren Verbraucherinnen und Verbraucher von diesen Vorfällen, wie auch im vergleichbaren Fall „Müller-Brot“ in Bayern, aber nichts.

Für NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel ist die Bilanz der Sonderprüfung indiskutabel. „Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht auf gute und sichere Lebensmittel. Und sie haben ein Recht darauf zu erfahren, wie es hinter der Ladentheke aussieht. Das ist bisher nicht gewährleistet“, so der Minister. Als Konsequenz will Remmel nun den Druck auf die schwarzen Schafe in der Lebensmittelbranche erhöhen. „Unsere Sonderprüfung zeigt einmal mehr: Wir brauchen Transparenz bei den Lebensmittelkontrollen, etwa in Form einer bundesweiten ‚Hygiene-Ampel’. Jeder Lebensmittelbetrieb muss das Ergebnis der amtlichen Kontrollen für die Kundschaft aushängen oder im Internet veröffentlichen“, führte Remmel weiter aus. „Wir werden den Druck auf die schwarzen Schafe deutlich erhöhen. Schmuddel, Schlendrian und schwarze Schafe dürfen den Einkauf von Lebensmitteln oder den Restaurant-Besuch nicht zum Glücksspiel werden lassen“, betonte Remmel. „Die bisherige Vorgehensweise, Kontrollergebnisse nicht zu veröffentlichen und den Bürgerinnen und Bürgern zu verheimlichen, kommt einer Entmündigung gleich.“

Als erste Maßnahme prüft das Land derzeit die Einführung einer landesweiten Internet-Datenbank, in der Hygiene-Verstöße ab einem Bußgeldbescheid von mindestens 350 Euro durch die zuständigen Behörden veröffentlich werden. Eine entsprechende Gesetzesänderung auf Bundesebene, die NRW voran gebracht hat, ebnet ab September 2012 den Weg dazu. Dabei sind die Bezeichnung des Lebensmittels und des Lebensmittelunternehmers, der das Lebensmittel hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht hat, zu nennen. NRW ist derzeit das erste Bundesland, das eine solche Datenbank einführen will.

Transparenz in der Lebensmittelüberwachung ist das erklärte Ziel des nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministeriums. Im Frühjahr 2011 hatte das Ministerium dazu ein Konzept für die Einführung eines bundesweiten Transparenzsystems („Restaurant-Ampel“) vorgelegt, das am 19. Mai von der Verbraucherschutzministerkonferenz mit einer Gegenstimme beschlossen wurde. Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) verweigert bisher jedoch die Umsetzung in Bundesrecht.

Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung wurden im Berichtsjahr 2011 in NRW insgesamt 1.814 Proben Brot und Kleingebäck sowie 5.997 Proben feine Backwaren untersucht, von denen 198 (10,9 %) und 617 (10,3 %) beanstandet wurden. Wesentliche Beanstandungsgründe waren bei feinen Backwaren sowie Brot und Kleingebäck Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschriften (207 und 93 Proben) und irreführende Angaben (124 und 48 Proben). Feine Backwaren fielen auch als nachgemachte oder wertgeminderte Produkte (82 Proben) und durch Verstöße gegen Zusatzstoffregelungen (54 Proben) auf.
 

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