Perspektiven 2025: Zukunftsforschung über die Hightech-Textilien von morgen (2)

9. Dann ist noch der Punkt Produktion & Logistik offen. Was können technische Textilien hier bewirken?

Produktion & Logistik wird sich unter den Aspekten Energieeffizienz und Nachhaltigkeit überall neuen Herausforderungen stellen müssen. Ökobilanzen und ökologische Fußabdrücke werden Einfluss auf Wettbewerbsvorteile und Produktionskosten nehmen. Technische Textilien können hier Nutzen bringen bei besonders haltbaren wiederverwendbaren Verpackungen oder bei ökologisch abbaubaren Materialien mit begrenzter Lebensdauer. Durch passgenaue Bekleidungsproduktion vor Ort nahe am Verbraucher kann zukünftig Transport- und Logistikaufwand minimiert werden. Kleben, Laserschweißen, 3D-Drucker und neuartige Verfahren für textilbasierte Werkstoffe können neue Einsatzfelder erschließen und den Leichtbau auf ein neues Niveau bringen. Dazu muss das Recycling der eingesetzten Rohstoffe gelöst werden. Zusätzlich bietet die Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe noch erhebliche Potenziale für Ressourceneinsparung.

10. Ein interessanter Bereich für Innovationen ist aber auch der klassische Bereich Bekleidung. Hier werden ja neue und intelligente Materialien zu ganz neuen Funktionen führen. Können Sie uns hier einen kleinen Ausblick geben?

Bekleidung wird durch Funktionsintegration schlauer, wie wir schon bei integrierter Sensorik Körpermonitoring und Kommunikationstechnik gesehen haben. Smart Textiles stehen uns bevor, die auch Energie erzeugen können und intelligente, individuelle Bekleidung ermöglichen. Hinzu kommt die Steuerbarkeit von Eigenschaften des Tragekomforts wie für Temperaturregulierung, Luftdurchlässigkeit oder Luftfeuchtigkeit. Aber auch modische Farben und Muster könnten zukünftig als Download für eine langlebigere Basiskleidung bereitgestellt werden. Im Hinblick auf die demografische Entwicklung gewinnt Kleidung mit künstlichen Muskeln an Bedeutung, die dem Träger hilft, wenn seine eigene körperliche Leistungsfähigkeit nachlässt. Der unterstützende Muskelanzug erhöht dann die Beweglichkeit und ersetzt den Rollator als Gehhilfe. Mit den genannten Möglichkeiten erhalten wir gleichzeitig neue Bausteine für die Gestaltung besonders praxistauglicher Funktions- und Arbeitskleidung.

11. Hat die Baumwolle im Rahmen Ihrer Zukunftsprognosen überhaupt noch eine Zukunft, oder ist dieser klassische Rohstoff ein Auslaufmodell? Was halten Sie in diesem Zusammenhang von Bio-Baumwolle und Fair-Trade Baumwolle?

Baumwolle hat heute an der weltweiten Faserproduktion einen Anteil von etwa einem Drittel. Die Tendenz ist über die letzten Jahre fallend. Der Grund: Durch das Bevölkerungswachstum wächst der weltweite Faserbedarf schneller als das Baumwollangebot.

Die konventionelle Produktion von Baumwolle in großen Mengen hat zwei bedeutende Nachteile. Sie kann heute nur sichergestellt werden durch stark schädlingsgefährdete Monokulturen. Die Folgen sind ein sehr intensiver Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln und ein hoher Wasserverbrauch der Pflanzen. Beides ist auf Dauer mit großen Nachteilen beim Zukunftsaspekt Nachhaltigkeit verbunden. So verbrauchen die Baumwollhersteller heute etwa 25% der weltweit eingesetzten Insektizide und der austrocknende Aralsee veranschaulicht die Folgen des hohen Wasserverbrauchs. Gerade im Bereich Bio dürfte das größere Potenzial darin liegen, weltweit mehr heimische Naturfasern zu verarbeiten und verfügbare landwirtschaftliche Abfälle zu nutzen. Konkret untersucht werden dafür Fasergrundstoffe aus Holz, Soja, Mais, Banane, Eukalyptus, Krabbenschalen und Milch.

12. Hat Deutschland als Standort für die Textilindustrie noch Zukunft oder wandert hier vieles in günstiger produzierende Entwicklungs- und Schwellenländern ab?

Deutschland hat mit einen Branchenumsatz von aktuell 29 Mrd. Euro als Standort weiterhin eine Zukunft. Dazu muss es gelingen vorausschauend Wettbewerbsvorteile in Forschung und Entwicklung vorzubereiten und neue Märkte entscheidend mitzuprägen. Das kann gut gelingen, weil wir in Deutschland mit 16 Instituten in Europa die größte Dichte von Textilforschungsinstituten haben. Die Kooperation mit der mittelständischen Industrie ist dank einer guten Rahmensetzung der Politik auf hohem Niveau.

Steigende Rohstoffpreise werden dazu beitragen, dass der Lohnanteil an den gesamten Produktionskosten weiter sinkt. Umgekehrt steigt in den bisherigen Billiglohnländern mit höherer Qualifikation und besserem Lebensstandard das Lohnniveau kontinuierlich an. Erste Mittelständler haben deshalb unter Abwägung von Qualität, Kosten und Logistikaufwand ihre Produktion bereits von Fernost nach Deutschland zurückgeholt. Insbesondere bei technischen Textilien sind Textilhersteller häufig in einer Zuliefererrolle. Sie profitieren zukünftig von lokaler Produktion und enger Anbindung an die Wertschöpfungsketten der weiterverarbeitenden Industrien. Außerdem kann der erkennbare Trend zu interdisziplinären Innovationen den Standort Deutschland stärken, wenn das Ausbildungsniveau über viele Fachrichtungen hinweg zukunftsorientiert gestaltet wird.

Herr Strobel, vielen Dank für das interessante Gespräch.

(Das Interview führte Marc Brümmer von der AGITANO-Redaktion)

Die Broschüre „Perspektiven2025“, herausgegeben vom Forschungskuratorium Textil e.V., steht im Internet zur Verfügung: http://www.textilforschung.de/pdfcat/Techtex2025/

Weiterführende Informationen:

Dipl.-Ing. Thomas Strobel
FENWIS GmbH – Zukunftslandkarte, Wissensflüsse, Training
Web: www.fenwis.de
Email: thomas.strobel@fenwis.de

Link zum ersten Teil des Interviews über die „Perspektiven 2025“.

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