… aus der Kolumne von Claus-Peter Schaffhauser
Wir Deutschen sind gründlich, gründlich bis zum Abwinken. Wenn wir erst einmal von etwas überzeugt sind, machen wir vor nichts Halt. So trennen wir beispielsweise unseren Müll, was das Zeug hält. Jeder Joghurtbecher wird ausgekocht, ehe er, säuberlich nach Farben sortiert, in den Plastiksack wandert. Dieser wird selbstredend mehrmals verwendet und sieht den Wertstoffhof bei mehreren Gelegenheiten, ehe auch ihn das Schicksal allen Plastiks ereilt – die Wiederverwertung. Man kann sich das so wie eine Art „Jüngstes Gericht“ für Kunststoff vorstellen: die einen werden thermisch verwertet, was die Hölle sein muss, andere werden zu Granulat verarbeitet, um schließlich als Parkbank oder Blumenschale ins Paradies einzugehen.
Inzwischen gibt es Technologie und Maschinen, die, sauberer als ein Trennweltmeister, die verwertbaren Stoffe vom Restmüll scheiden. Wir trennen trotzdem weiter. Eine Abkehr vom Trennen wäre für uns fast so schlimm, wie der Abstieg des Lieblings-Fußballvereins oder das eigene Haustier zum Hauptgang serviert. Auch will sich die Abfallwirtschaft ungern das gute Geschäft mit dem Grünen Punkt und dem Gelben Sack vermiesen lassen. Da wir es also mit einer echten Win-win- Situation zu tun haben, bleibt alles, wie es ist.
Ein anderer interessanter Aspekt ist unser Umgang mit dem Wasser. Irgendwann wurde in Deutschland die Parole ausgegeben, dass Wasser ein kostbares Gut sei, welches man sparsam zu verwenden habe. Wahrscheinlich stammte diese Aussage von einem verirrten Wanderer, den man kurz vor dem Verdursten in der nordchilenischen Atacamawüste gefunden hatte. Ein Zustand, der nicht unbedingt auf Oberbayern übertragbar ist, aber was soll es! Übersetzungsfehler gibt es schlieβlich nicht nur beim Radfahren.
Jedenfalls wird jetzt seit Jahren, landauf, landab am Wasser gespart. Noch 1992 rauschten pro Kopf und Tag 147 Liter in den Abfluss – heute sind es noch knapp 122 Liter. Das geht an die Substanz! Für die Toilettenspülung wurde die Spartaste erfunden und für Wasch- und Spülmaschinen der Sparknopf. Dabei sparen wir uns um Kopf und Kragen, da der chronische Wassermangel die Kanalisation in Mitleidenschaft gezogen hat. Die Abwasserverbände müssen zwangsspülen und notfluten, um das Schlimmste zu verhindern: Rohrbrüche und giftige Gase. Da aber Abwasserverbände keine eingetragenen Vereine sind, werden solche Kosten natürlich auf den Kubikmeterpreis Wasser aufgeschlagen. Die Zeche zahlt der Verbraucher bzw. der Nicht-Verbraucher. Das Wasser wird teurer, und der gute Deutsche weiss, was zu tun ist: noch mehr Wasser muss gespart gewerden.
Deutschland ist ein sehr regenreiches Land. Jährlich fallen rund 188 Milliarden Kubikmeter Wasser gratis vom Himmel, wovon gerade einmal drei Prozent den Haushalten durch die Wasserwerke zur Verfügung gestellt werden. Ziemlich schlau wäre nun, die Wasserabrechnung nicht nach Verbrauch, sondern über eine Pauschale aufzustellen. Was würde in diesem Fall passieren? Richtig, der Verbrauch ginge nach oben. Wasser kostete so ja „nichts“ mehr, und alles wäre gut. Aber da haben wir die Rechnung ohne den Wasserfachwirt gemacht. Erstens kann die Lösung nicht so einfach sein, sonst wäre sie den Verantwortlichen in den Wasserwerken schon von alleine eingefallen. Es bedeutet zweitens, dass man sich teure Berater von Roland Berger oder McKinsey holen müsste. Dafür aber ist kein Geld da; es ist zum Verzweifeln.
Und was tut die Politik? Sie führt gegen den wachsenden Widerstand der Bevölkerung das Betreuungsgeld ein, weil die versprochene Schaffung von Kita-Plätzen noch teurer wäre. So etwas kann man aber den Wählerinnen und Wählern nicht unter die Nase reiben, also verpackt man es als Wahlgeschenk. In den vergangenen Jahren konnten die Politiker sich aus Zeitmangel leider nicht die Köpfe über fehlende Kita-Plätze zerbrechen, da sie sich um das vom Verfassungsgericht monierte Wahlrecht kümmern mussten. Das Ergebnis kennen wir: Im Deutschen Bundestag werden zukünftig 100 verdiente Leistungsträger mehr sitzen. Da war man sich, wie auch bei der Erhöhung der Diäten, über alle Parteigrenzen hinweg schnell einig: es ging schlieβlich um staatstragende, wichtige Entscheidungen. Wir wissen ja aus der Motivationslehre, dass ein schlechtes Gehalt der häufigste Grund für Unzufriedenheit ist. Ob sich die neuen Hanseln dann wenigstens um unsere notleidende Kanalisation kümmern? Wohl eher nicht. Geld stinkt zwar nicht, aber dieses Thema ist dann doch zu anrüchig.
Permanent überlegen unsere Politiker, was sie wohl als nächstes nicht erledigen könnten. Das kostet Zeit, Geld und Nerven. Dass da dünnhäutige Politiker wie Peer Steinbrück lieber Vorträge bei Unternehmen halten, als im Bundestag nichts zu tun, kann man schon verstehen. Bei der DHL hat Herr Steinbrück leider keinen Vortrag gehalten, obwohl das bitter nötig gewesen wäre. Wie wir wissen, handelt es sich bei der DHL um einen ehemaligen Staatsbetrieb, mit allen für Staatsbetriebe typischen Denkmustern. Da jedoch die Privatisierung der Post noch nicht lange zurückliegt (1994), kann man nun wirklich keine Wunder erwarten. Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis der letzte Staatstbedienstete seine wohlverdiente Pension einstreicht, wenn er nicht vorher in die Politik geht. Dort sind 100 neue Jobs zu vergeben.
Bis dahin also müssen unsere DHL-Beamten alleine zu Recht kommen. An der Spitze der Post steht F.B.B. Appel, ein ehemalige McKinsey-Mann. Dieser gibt natürlich nur Visionen vor, für die Umsetzung ist das Fußvolk zuständig. Das hat vor einigen Jahren die Packstation erfunden: ein in Stein gegossenes Monstrum, welches Pakete und Briefe derjenigen Postkunden aufnimmt, die nie zu Hause sind, weil sie immer mehr arbeiten müssen, um sich im Internet schöne Dinge kaufen zu können, die dann von der DHL in die Packstation geliefert werden. Das hat schon am Anfang nicht so recht funktioniert, ist jetzt aber noch komplizierter, denn man braucht zum Ausliefern jetzt eine M-Tan.
Nein, keine Authorisierung mehr per PIN, sondern per M-Tan. Diese bekommt man auf das Handy oder auch nicht. Hat man aber keine M-Tan bekommen oder man ist zu blöd, sie an der Packstation einzugeben oder benutzt aus Gewohnheit versehentlich die alte PIN, wird die Nutzung sofort gesperrt und man muss eine (kostenpflichtige) Hotline anwählen. Dort geht aber nie jemand ans Telefon, entweder weil gerade zu viele saure Kunden anrufen oder weil man ganz einfach keine Lust hat, schon wieder den Scheiß auszubaden, der irgendwelchen Heinis im Bonner Post-Tower eingefallen ist. Nach 14 Tagen Nichtabholung und die sind schnell vorbei, geht das Paket zurück an den Absender: Umsatzziele vergeigt, Rezession. Wahrscheinlich werden momentan besonders viele Renaults, Citroens, Fords, Fiats und Opel an die Packstation geliefert. Anders sind die Absatzprobleme der europäischen Automobilindustrie nicht zu erklären.
Schlimm? Ach was, es kommt noch schlimmer. Zur Steigerung der Effizienz hat die Post zwei Verfahren für die physische Auslieferung von versicherten Sendungen verknüpft. Man kann nämlich einen so genannten „Garagenvertrag“ abschließen, der dem Postboten eine Alternative bietet, wenn man mal nicht zu Hause sein sollte. Was aber ist ein sicheres Zeichen dafür, dass man nicht zu Hause sein könnte? Richtig: die offene, leere Garage! Ist man trotz offener, leerer Garage zu Hause, hat man eben Pech gehabt. Wohnt man in einem vierten Stock ohne Aufzug – auch Pech gehabt. Hat der Paketbote eher Eile als Bock – wieder Pech gehabt. Nun darf man sich aber in der offenen Garage nichts zustellen lassen, weil das eine Aufforderung zum Diebstahl wäre. Also, so die Logik der DHL, könne man gerne den Garagenvertrag – der ja gar kein Garagenvertrag ist, sondern lediglich die Erlaubnis der alternativen Zustellung mit Haftungsübergang auf den Empfänger – gerne online modifizieren.
Gesagt, getan. Leider verlangt das Prozedere neben der Identifikation durch Namen, Adresse, Geburtsdaten, Mädchennamen der Mutter und Blutgruppe des Hundes, auch noch die Eingabe einer PIN. Welche PIN? Hatten wir je eine PIN? Wir haben keine PIN. Wir stellen einfach einen neuen Antrag, ganz easy. Jetzt werden wir jedoch aufgefordert, eine Handynummer einzugeben. „Isch aabe aba gar kein Andy!“ rufen, wir, doch wieder Pech gehabt: Pflichtfeld ist Pflichtfeld. Also geben wir aufs Geratewohl „123456789“ ein. Prompte Antwort: diese Handynummer existiert bereits. Wir wenden uns an die (kostenlose) Hotline. Dort wird uns sehr freundlich erklärt, dass man die Handynummer für die Packstation bräuchte. Packstation! Verzweiflung macht sich breit, denn wir wollen ja nichts an die Packstation geliefert haben, sondern einfach nach Hause, wenn wir nicht zu Hause sind. Mag sein, aber die Post hat nun einmal das vereinfachte Verfahren „Garagenvertrag“ mit dem vereinfachten Verfahren „Packstation“ verknüpft. Das setzt zwingend eine Handynummer voraus, damit die M-Tan übermittelt werden kann, die wir zwar nicht für den Garagenauftrag benötigen, welche aber für die Packstation vorgeschrieben ist. Man könne sich gerne telefonisch (kostenpflichtig) beschweren.
Letztlich haben wir uns dann dafür entschieden, die Post mit einem altmodischen Brief anzuschreiben. Darin teilen wir mit, dass wir den Garagenvertrag fristlos kündigen und die Post für alle verloren gegangenen versicherten Sendungen haftbar machen, die nicht ordnungsgemäß zugestellt werden. Keine Antwort. Vermutlich liegt sie in der Packstation.
Vielleicht tüfteln die DHL-Bediensteten gerade zusammen mit den Jungs vom Wasserwerk aus, was man als nächstes vereinfachen könnte, um den Steuerzahler zu unterstützen. Wir jedenfalls haben beide Gruppen im Verdacht, dass sie an entscheidender Stelle an unserem Maut-System mitgewirkt haben. Was in vielen Ländern, sei es mittels Vignette, Pickerl oder bemannten Mauthäuschen umgesetzt wird, geht in Deutschland natürlich nicht so einfach!
Der Rest ist Geschichte oder Bestandteil von laufenden Gerichtsverfahren. Was waren doch gleich nochmal die größten Hindernisse am neuen Flughafen Berlin? Ah ja, Brandschutz! Allgemein und laienhaft gesprochen, ein Wasserproblem!! Und in Stuttgart ist am neuen Bahnhof bestimmt eine Packstation vorgesehen!!!
Der Kreis schließt sich.
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Zum Autor:
Claus-Peter Schaffhauser war in mehreren Unternehmen verschiedener Branchen (Elektronik – Siemens, Informationstechnologie – HP, Befestigungstechnik – HILTI) in unterschiedlichen Führungspositionen tätig (u.a. EDV, Logistik, Vertrieb, Revision). Er berät seit 17 Jahren Kunden verschiedener Branchen in der Optimierung von Logistikprozessen (Lieferantenanbindung, Aufbau- und Ablauforganisation, Reklamationsmanagement) und in der Baustellenlogistik (Optimierung letzte Meile). Claus-Peter Schaffhauser spricht Deutsch und Englisch. In seiner Freizeit schreibt er Kolumnen und arbeitet als Künstler.