Bundesrat: Trinkwasserversorgung soll weiter in kommunaler Hand bleiben

Der Bundesrat hat sich am 1. März 2013 erneut kritisch zu einem Vorschlag der Europäischen Kommission Stellung genommen, der erstmals europäische Regelungen für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen einführen soll. Die Länder wiederholen ihre bereits im März 2012 erhobene Forderung, die Bereiche Elektrizität, Gasnetze, Abwasserbehandlung sowie insbesondere die Trinkwasserversorgung aus dem Anwendungsbereich der vorgesehenen Richtlinie auszunehmen. Sie machen hierbei deutlich, dass sie der Erhaltung der bisherigen Strukturen der Trinkwasserversorgung in kommunaler Verantwortung erhebliche Bedeutung beimessen. Die notwendige Gewährleistung einer sicheren, qualitativ hochwertigen und gesundheitlich unbedenklichen Wasserversorgung verbiete es, Wasser zur freien Handelsware zu machen.

Die Europäische Kommission möchte mit ihrem Vorschlag Regelungen für Dienstleistungskonzessionen einführen, da dieser Bereich nach ihrer Ansicht derzeit nicht ausreichend geregelt ist. Dies habe schwerwiegende Verzerrungen des Binnenmarkts zur Folge. Insbesondere sei hierdurch der Zugang europäischer – vor allem kleiner und mittlerer – Unternehmen zu den mit Konzessionen verbundenen wirtschaftlichen Möglichkeiten beschränkt. Der Richtlinienvorschlag soll diese Unzulänglichkeiten verringern sowie Transparenz und Rechtssicherheit in diesem Bereich garantieren.

(Bundesrat 2013)

Geplante Ausschreibungspflicht ab 2020

Die geplante EU-Richtlinie soll in erster Linie die Gemeinden und Städte betreffen, die ihre Wasserversorgung bereits (teil-)privatisiert haben oder dies in Zukunft vorhaben. Für diese sollen nun EU-weite einheitliche Regeln eingeführt werden. “Wir müssen verhindern, dass im Hintergrund gemauschelt wird. Wir müssen die Qualität des Wassers sicherstellen, aber auch die Arbeitsbedingungen in den Versorgungsunternehmen”, so die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt. Um dies sicherzustellen soll laut der EU-Richtlinie folgender Richtwert eingeführt werden: Wenn mehr als 20% des Geschäfts außerhalb der eigenen Kommune erbracht wird und der Vertragswert acht Millionen Euro übersteigt, muss ab 2020 künftig öffentlich nach EU-Regeln ausgeschrieben werden.

Kritik von Stadtwerken, Kommunen und Politikern

Die EU-Richtlinie wird von betroffenen Stadtwerken und Kommunen überwiegend kritisch betrachtet: Die Vorgabe, dass 80% des Geschäfts vor Ort betrieben werden muss, könne sich als schwierig erweisen: Wenn die Stadtwerke neben Wasser auch Strom und Gas vertreiben, ergebe sich häufig folgendes Problem: “Energie hat meistens den zwei- bis dreifachen Umsatz des Wassers”, so Heide Rühle, EU-Abgeordnete der Grünen. “Und der Energiemarkt lässt sich nicht regional isolieren. Deshalb ist die 80-Prozent-Regelung völlig irreal.” Die großen Stadtwerke müssten also demnach bis 2020 sicherstellen, dass ihr Wassergeschäft klar von privatisierten Sparten getrennt ist.

Viele Kritiker befürchten deshalb eine Privatisierung durch die Hintertür. So wollen die deutschen Kommunalverbände die EU-Pläne noch stoppen. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat sogar die Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits aufgefordert, die Trinkwasserversorgung zur Chefsache zu machen.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Dr. Georg Nüßlein, sieht ebenfalls eine Gefahr für die qualitativ hochwertige Wasserversorgung in Deutschland. Wasser sei keine Handelsware und es müsse sichergestellt sein, dass die Kommunen weiterhin die absolute Wahlfreiheit haben, ob sie die Trinkwasserversorgung in Eigenregie oder mit einem privaten Partner sicherstellen wollen – ganz gleich, wie stark dieser beteiligt ist.

Wasser und Sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht

– Weitere Details in dem nachstehenden Dokumentarfilm “Water Makes Money” über die Mechanismen und Auswirkungen der Wasserprivatisierung:

Interessantes:

– Im Oktober 2012 wurde der Fachaufsatz: “Liberalisierungspolitik – eine Bestandsaufnahme des Rückbaus wirtschafts- und sozialpolitscher Interventionen in entwickelten Industrieländern” mit dem ersten ersten Preis der Fritz Thyssen Stiftung für sozialwissenschaftliche Aufsätze ausgezeichnet. In einem Ländervergleich von 21 OECD-Ländern kommen vier Sozialwissenschaftler zu dem Ergebnis, dass es in allen OECD-Staaten seit den 1980er Jahren einen Liberalisierungs- und Deregulierungstrend gibt, der sich in marktkonformer Politik niederschlägt.

(mb)

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