Das Ausland im Inland – Sprach- und andere Barrieren

Wer Arbeitnehmer aus dem Ausland beschäftigt oder in interkulturellen Teams zusammenarbeitet, stößt immer wieder auf Barrieren, die den Alltag erschweren. Die Sprach-Barrieren, Kultur-Barrieren – sie sorgen dafür, dass das Miteinander im Team nicht so leicht ist, wie es sich Mitarbeiter und Führungskräfte wünschen würden. Aber: Diese Barrieren kann man überwinden!

Wie Sie in Ihrem Team Sprach-Barrieren und ein divergierendes Kulturverständnis verbessern können, verrät Ihnen die zertifizierte Wirtschaftsmediatorin und Speakerin zu internationalen Führungsthemen Barbara Wietasch in ihrem heutigen Beitrag zur Themenserie „Global Management – Ein Tanz mit den Eisbergen“.

Sprach-Barrieren schaffen Missverständnisse

In Produktionsstätten mit einem hohen Prozentsatz an Mitarbeitern mit Migrationshintergrund kommt es immer wieder zu Missverständnissen aufgrund fehlender Sprach- und/oder Kulturkenntnisse. In einem Kunden-Unternehmen berichtete mir der Betriebsarzt, dass es nach einem Arbeitsunfall zu derartigem „Aneinander-Vorbei-Reden“ kam, dass es alle wachgerüttelt hat. Wie können Mitarbeiter die nötigen Sicherheitsvorschriften und Qualitätsstandards einhalten, wenn sie die Sprache nicht verstehen? In diesem Fall sind solche Barrieren sogar lebensgefährlich. Denn dDiese Personengruppe besetzt größtenteils einfache Arbeitsplätze und eine Verständigung in deutscher Sprache ist oftmals nicht möglich.

Überwindung der sprachlichen Barrieren

Wenn die gemeinsame Sprache fehlt, kann dies bei der Unterweisung und in den täglichen Qualitäts- und Werksbesprechungen zu Schwierigkeiten führen und das Umsetzen der Arbeitsaufgaben, -verfahren und Qualitätsstandards unmöglich machen. Die Unternehmen stehen vor der Entscheidung, alles in die wichtigsten Sprachen zu übersetzen, Kleingruppen mit Übersetzerhilfe einzurichten oder die Mitarbeiter in der deutschen Sprache zu schulen. So können die Sprach-Barrieren überwunden werden. Aus den 60er Jahren finden wir noch an den alten Maschinen, dass die Bedienung in den wichtigsten Sprachen angegeben war. Damit es jedoch nicht nur eine Einbahnstraße bei der Unterweisung gibt, sondern die Talente und Fähigkeiten der ausländischen Mitarbeiter auch besser eingeschätzt werden können, ist es erforderlich, in einen Dialog zu treten, Feedback zu erhalten und gerade vor dem Hintergrund des herschenden Fachkräftemangels, die Potenziale zu erkennen und zu entwickeln.

Auch nicht-sprachlich kann man sich verständigen

Da jedoch immer wieder neue Mitarbeiter mit fremdländischen Wurzeln in die Unternehmen kommen, sollten auch die Möglichkeiten der nicht-sprachlichen Verständigung ausgeschöpft werden: Videos, visualisierte Checklisten, Piktogramme, Fotos usw. transportieren oft die Botschaften klarer als gesagte oder geschriebene Anweisungen. Diese sollten jedoch immer in einer leicht verständlichen Sprache dargestellt werden.

Auch stellt das Vormachen – Nachmachen – Feedback-Geben bei den handwerklichen Abläufen eine Alternative dar. Manche Unternehmen richten Video-Ecken ein, um seltene Handgriffe, die nicht allen Teammitgliedern ständig präsent sind, darzustellen und diese so bei Bedarf abrufen zu können.

Ein gutes Miteinander – kulturelle Barrieren überwinden

Menschen unterschiedlicher Herkunft haben unterschiedliche Gewohnheiten, für uns unverständliche Namen, sie denken und handeln anders (Umgang mit Hierarchien, Zugehörigkeiten zu Gruppen, Langzeit- oder Kurzzeitorientierung, Umgang mit Unsicherheiten, usw.). Und sie haben ihre eigenen Erwartungen an das neue Arbeitgeberland Deutschland. Jeder macht sich ein Bild von seinem neuen Arbeitsplatz, bevor er sein Land verlässt. Erlebt man dann die Realität, können daraus leicht Missverständnisse und Konflikte entstehen.

Menschen, die sich schlecht verbal ausdrücken können, werden rasch als nicht kompetent eingestuft und ausgegrenzt. „Vorurteile“ und. „Schubladendenken“ können schnell in diskriminierendes Verhalten umschlagen. Die „Amis auf Egotrip“, die „ewig philosophierenden Franzosen“, die „rechthaberischen, selbstbewussten Spanier“, die „lächelnden, listigen, leistungsorientieren Chinesen“, die „umständlichen Inder“; die Vorstellung vom „globalen Dorf“, in dem wir alle leben wird in internationalen Begegnungen Tag für Tag relativiert. Die Technik mag uns näher zusammengerückt haben, tief verwurzelte kulturelle Unterschiede bleiben jedoch bestehen – und schaffen neue Barrieren.

Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Die Beherrschtheit vieler Japaner angesichts der Dreifachkatastrophe von Erdbeben, Tsunami und Atomunfall löste in Europa große Verwunderung aus. Wie können Menschen mit solchen Schicksalsschlägen so kontrolliert und aggressionsfrei bleiben? Viele Mitarbeiter mit Migrationshintergrund haben Flüchtlingssituationen, Bürgerkriege, Trennungen von Familie und Freunden in Kauf genommen, um bei uns einen Neuanfang zu starten.

Vorurteile sind verbreitet

Kulturelle Unterschiede offenbaren sich nach wie vor im vereinten Europa wenn im Zuge der Eurokrise Debatten darüber losbrechen, wie die Wirtschaft in Griechenland, Italien oder Deutschland funktioniert und was dabei gut oder schlecht läuft. Es ist oftmals nur ein kleiner Schritt zu den nationalen Vorurteilen wie dem „schlitzohrigen Griechen“, der gern ein bisschen früher in Rente geht, und dem „unsolidarischen“ Deutschen, der nur an seine eigenen Vorteile denkt. Und es stellt sich für eine gesunde Selbstreflexion die Frage:

  • Mit welchen Glaubenssätzen sind Sie persönlich aufgewachsen? „Jeder ist seines Glückes Schmied“ oder „gemeinsam sind wir stark“?
  • Sind Sie eher ein Gruppenmitglied oder ein Einzelkämpfer?
  • Kennen Sie den unterschiedlichen Umgang mit Hierarchien? Haben Sie im Laufe Ihres (Berufs-)Lebens Erfahrungen mit unterschiedlichen großen Machtdistanzen gesammelt? Wie verhalten sich Ihre Kollegen aus unterschiedlichen hierarchischen Prägungen?
  • In welchem Umfeld von Machtdistanz funktionieren Sie selbst am besten?
  • Wie ist die Akzeptanz von Frauen? Wie lösen Sie selbst Konflikte? Sind Statussymbole die Norm oder werden Erfolge eher unter den Teppich gekehrt?
  • Wie wichtig sind Regeln, Normen, Zeitpläne, wie gehen Sie selbst mit Unsicherheiten um?
  • Wie wichtig ist eine Langzeitorientierung? Sind Sie geduldig oder lieben Sie es, Dinge „zügig“ auf den Weg zu bringen – oder lassen Sie Projekte auch mal in Ruhe reifen?

Als Führungskraft müssen Sie wissen, dass fast alle Kulturen dem Aufbau und der Pflege von Beziehungen einen höheren Stellenwert einräumen, als wir es tun. Vertrauensaufbau braucht Zeit, mehr noch, wenn man als ausländischer Mitarbeiter nicht alles versteht. Auch ist unsere deutsche Art zu reden für viele andere Kulturen „sehr direkt“, wir kommen direkt auf den Punkt, sprechen Probleme sofort an, während dies in anderen Ländern als verletzend und Gesichtsverlust interpretiert wird.

Wie lassen sich kulturelle Barrieren überwinden?

Bereiten Sie als Führungskraft Ihre ausländischen Mitarbeiter – z.B. beim Recruiting im Ausland, um Fachkräfte anzuwerben – darauf vor, wie

  • der Umgang miteinander am Arbeitsplatz und auch im Privatleben funktioniert,
  • kommuniziert wird und welche Kommunikationsstile angewendet werden,
  • Planung und Zeitmanagement erfolgen,
  • wichtigen Arbeitsanweisungen, Betriebsanweisungen, und Verfahrensanweisungen den Arbeitsalltag strukturieren,
  • wichtig Eigenverantwortlichkeit und das gute Zusammenspiel im Team sind,
  • mit Vorgesetzten und Hierarchien umgegangen wird?

So lassen sich schon vorab eventuelle Barrieren und Missverständnisse verhindern. Als Führungskraft sollten Sie auf der einen Seite die Werte, Haltungen, Gepflogenheiten in Bezug auf die deutsche Kultur darstellen und vermitteln können, auf der anderen Seite sich aber auch mit den entsprechenden Kulturen auseinandersetzen, aus denen Ihre Mitarbeiter kommen. Fragen Sie Ihre Mitarbeiter in Teambesprechungen, um diese Unterschiede erlebbar zu machen. Diese Darstellung bietet den ausländischen Fachkräften Gelegenheit zu überlegen:

„Wie ist/war es bei uns zu Hause? Was sind wir gewohnt? Was ist vielleicht ähnlich, was komplett anders? Wo kann ich mich leicht anpassen und wo muss/will ich einen anderen Standpunkt beibehalten? Was brauche ich, um zu lernen und um mich anpassen zu können.“

Die Auseinandersetzung mit kulturellen und arbeitsrelevanten Themen schafft auf beiden Seiten eine hohe Empathie, die sich positiv in gute Zusammenarbeit übersetzt!

Ihre
Barbara Wietasch

Über Barbara Wietasch

Barbara Wietasch, Global Management, Führung, Internationalität, Leadership, International Business, IRC
Speakerin zu internationalen Führungsthemen (Foto: © Barbara Wietasch)

Barbara Wietasch ist Sprachwissenschaftlerin, Organisationsentwicklerin (MAS), zertifizierte Wirtschaftsmediatorin und Speaker zu internationalen Führungsthemen sowie Lektorin an einer internationalen Business School in Wien. Von ihrer frühesten Jugend an haben andere Länder und andere Sitten sie begeistert, ebenso ihr Wissen an andere weiterzugeben. Profitieren Sie von ihrem großen Wissen als Praktikerin und Expertin und erschließen Sie für sich und Ihr Unternehmen die Schätze aus der internationalen beziehungsweis globalen Zusammenarbeit. Ihre Trainings- und Beratungssprachen sind deutsch, englisch und spanisch.

Mehr über Barbara Wietasch auf www.internationaldynamics.de.

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