Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeitswelt

Am 3. Dezember fand in Berlin die Fachtagung „Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeitswelt“ statt, an der zahlreiche Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik beteiligt waren. In seiner Eröffnungsrede betonte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer die Chancen der Digitalisierung für mehr Flexibilität und mehr Produktivität. Er betonte aber auch, dass noch Weichenstellung seitens relevanter Akteure aus Politik und Wirtschaft nötig seien, um die Digitalisierung gewinnbringend voranzutreiben.

Rede von Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer

Ich freue mich, Sie hier im Haus der Deutschen Wirtschaft zu unserer Fachtagung „Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeitswelt“ begrüßen zu dürfen.

Wir hören heute im Auto auf das „Navi“, anstatt umständlich in Karten zu blättern, wir schreiben E-Mails statt Briefe, und manche steuern ihre Rollläden, den Backofen oder die Heizung von unterwegs mit ihrem Smart-Phone.

Beispiele aus dem Alltag zeigen, dass die Digitalisierung nicht irgendein Randphänomen ist, sondern schon heute weite Lebensbereiche erfasst.

Das gilt natürlich auch für die Wirtschaft und die Arbeitswelt. „Industrie 4.0“ heißt das Stichwort. Moderne IT-Technologie, Internet und industrielle Fertigungsprozesse wachsen immer weiter zusammen. Was in der Wirtschaft digitalisiert werden kann, wird digitalisiert!

Und ich sage ganz bewusst: „in der Wirtschaft“, um die Debatte nicht auf die Industrie zu verengen. Auch Handwerk und andere Dienstleistungen sind längst von der Digitalisierung geprägt. Man muss also von „Wirtschaft 4.0“ sprechen.

Digitale Arbeitswelt

Der Wandel zu einer digitalisierten Wirtschaft und Arbeitswelt hat vor langer Zeit begonnen und ist bereits in vollem Gange.

Schon heute haben zwei Drittel aller Beschäftigten in Deutschland einen digitalisierten Arbeitsplatz. Das heißt, sie arbeiten an einem Computer, an einem computerisierten System oder nutzen die Möglichkeiten digitaler Steuerung und Kommunikation zur Erledigung ihrer Aufgaben.

Bereits 40 Prozent der deutschen Unternehmen nutzen Cloud-Computing. Weitere 30 Prozent erwägen, demnächst Cloud-Computing zu nutzen.

Digitalisierung ist also kein Zukunftsthema. Digitalisierung findet jetzt und heute statt.
Das zeigt zweierlei:

  • zum einen, dass die Unternehmen und Beschäftigten in Deutschland schon seit langem erfolgreich Digitalisierung umsetzen.
  • Und zum anderen, dass die mit der Digitalisierung verbundene Zunahme der Arbeitsteilung bisher gut organisiert werden konnte.

Mehr Werkverträge

Mehr Digitalisierung bedeutet auch mehr Arbeitsteilung und mehr Flexibilität! Daraus erwächst für die Politik die wichtige Aufgabe, die Chancen der Digitalisierung klug zu unterstützen, anstatt im Gegenteil der Digitalisierung neue Fesseln anzulegen.

Die Digitalisierung bringt neue Arbeitsformen und neue Arbeitsabläufe mit sich. Vieles davon bricht mit alten Strukturen und passt nicht in alte Schemata. Mir ist bewusst, dass einzelne Entwicklungen auch bei einigen zu Verunsicherung führen.

Wir müssen jedoch aufpassen, dass wir Neues nicht vorschnell ablehnen. Und wir müssen darauf achten, dass wir bewährte Instrumente nicht beschädigen. Es wäre fatal zu glauben, die digitale Zukunft ließe sich durch mehr Regulierung gewinnen!

Es ist in meinen Augen zum Beispiel der völlig falsche Weg, Werkverträge einzuschränken. Denn wir werden durch die Digitalisierung mehr integrierte Zulieferer und IT-Dienstleister bekommen. Nicht, weil dort Löhne niedriger sind. Tendenziell gilt sogar das Gegenteil. Sondern weil es aus Gründen der Spezialisierung mehr Outsourcing auf eng vernetzte Zulieferer und Dienstleister geben wird – und zwar grenzüberschreitend. Und das heißt: Es wird mehr Werkverträge geben.

Digitale Agenda

Ich begrüße sehr, dass Sie und die Bundesregierung sich dieses Zukunftsthema mit der „Digitalen Agenda“ aktiv vornehmen und im Vergleich zu anderen Industrienationen oben auf Ihre Agenda setzen.

Wichtig und richtig ist ebenfalls, dass die Bundesregierung in ihrer Digitalen Agenda unmissverständlich klarstellt, dass sie die Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeitswelt gemeinsam mit den Sozialpartnern, mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, begleiten und gestalten will.

Es sind nämlich die Sozialpartner, die die Digitalisierung der Arbeitswelt bereits erfolgreich gestalten und auch zukünftig erfolgreich gestalten werden. Nur sie können praxisnahe Lösungen finden, die den spezifischen Bedürfnissen der einzelnen Branchen gerecht werden.

Breitbandausbau und Fachkräfte

Ich bin überzeugt, dass wir mit der Digitalisierung große Wertschöpfungspotenziale erreichen. Und ich bin überzeugt, dass wir in Deutschland gute Voraussetzungen haben, um diese Wertschöpfung auch bei uns im Land zu halten.

Allerdings werden alle Anstrengungen der Wirtschaft nicht ausreichen, wenn wir nicht die zwei größten Hürden beim Thema Digitalisierung nehmen:

  • Der Breitbandausbau ist sicherlich von zentraler Bedeutung. Ohne die digitalen Autobahnen, ohne eine digitale Infrastruktur werden wir die Chancen dieser Entwicklung nicht voll ausschöpfen können.
  • Die zweite große Hürde ist die Sicherung der notwendigen Fachkräfte: Für die Digitalisierung sind besonders die so genannten MINT-Qualifikationen – also: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – von Bedeutung.

Schon heute fehlen hier weit über 100.000 MINT-Fachkräfte, und schon heute behindert dieser Mangel digitales Wachstum und digitale Innovation in Deutschland.

Hierin offenbart sich nicht nur eine bildungspolitische, sondern eine ganz grundsätzliche, gesamtgesellschaftliche Aufgabenstellung: Wir müssen es schaffen, dass die Digitalisierung und neue IT-Technologien positiv wahrgenommen und nicht als Bedrohung empfunden werden. Wir müssen es schaffen, dass Digitalkompetenz in allen Teilen der Gesellschaft ohne Wenn und Aber als Schlüsselqualifikation begriffen und angestrebt wird.

Mit anderen Worten: Wir müssen es schaffen, dass Wirtschaft 4.0 mit einer Gesellschaft 4.0 einhergeht. Ansonsten findet der große Digitalisierungssprung anderswo in der Welt statt – und das können wir nicht wollen.

Die Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeitswelt ist facettenreich und geht mit vielfältigen Herausforderungen einher. Auch deshalb haben wir uns entschieden, das Thema mit der heutigen Fachtagung in den Fokus zu nehmen.

Ich freue mich, dass Sie so zahlreich unserer Einladung gefolgt sind und sich heute ein so sachkundiges Publikum versammelt hat.

Kennen Sie schon die Leinwände von Inspiring Art?