Fifty Shades of Grey und die Prinzessin in Köln am Rhein

Am gestrigen Donnerstag fand sie endlich statt: Die von sämtlichen Hausfrauen sehnsüchtig erwartete Premiere der Verfilmung von „Fifty Shades of Grey“. Ein Zufall, dass die Fifty-Shades-of-Grey-Premiere terminlich genau mit der Altweiberfastnacht zusammenfiel? Wohl kaum, meint Ulrich B Wagner. Zu Fastnacht kehrt sich alles um und nicht wenige ziehen Lust aus Demütigung und Gewalt. Fifty Shades of Grey ist dabei nur eine weichgespülte und hausfrauenverträgliche Version davon.

In seiner heutigen Kolumne philosophiert Ulrich B Wagner über die närrische Zeit, Fifty Shades of Grey und den Wunsch, einmal Prinzessin in Köln am Rhein zu sein.

Firstly, I don’t make love. I f… hard

Christian Grey’s Credo, The Fifty Shades of Grey

Sonja träumt davon
wie es sein wird
in ihrem Frisörsalon,
und hält ihre Perücke,
während sie sie kicken,
die schwarzen, die weißen und braunen.

Sonja glaubt daran,
daß sie’s hier
ganz leicht schaffen kann
zu ihrem Frisörsalon.
Sie wär so gern Prinzessin,
Prinzessin in Köln am Rhein.

Interzone, Prinzessin in Köln am Rhein

Fifty Shades of Grey an Altweiberfastnacht

Wer den mit über 100 Millionen verkauften Exemplaren bekannten Weltbesteller „The Fifty Shades of Grey“ als S&M Porno bezeichnet, sitzt wahrscheinlich auch abends in irgendeiner trostlosen Vorstadtsiedlung und kifft mit Mentholzigaretten.

Es muss daher schon als bezeichnend angesehen werden, dass der Kinostart der angeblich so sehnsüchtig herbeigewünschten Verfilmung der Weichspültriologie von E.L. James in Deutschland an Altweiberfastnacht stattfand.

Devote Männer

Vor meinem inneren Auge sah ich daher schon gestern den guten alten Marquis de Sade, vor Lachen gekrümmt, als er mit mir in Frankfurt an einem der größten Kinos, dem Kinopolis am Eschenheimer Tor, vorbeilief. Hunderte von Vorstadttrutschen in Verkleidungen (wahrscheinlich mit irgendwelchen Charterbussen eingefahren), die die wahren Abgründe der Ambivalenz und Unübersichtlichkeit des modernen Gefühllebens offenbarten. Teilweise begleitet von ihren dackeläugigen Lebensabschnittsgefährten, deren Anwesenheit unter Beweis stellt, dass die masochistische Rolle in einer Beziehung nicht nur auf den weiblichen Teil determiniert sein muss. Ein Beispiel sind Männer, die Lust aus der Demütigung gewinnen, sich mit „Fifty Shades of Grey“ gegen ihren Willen einen gehypten Abklatsch einer unfreiwilligen Mischung aus „Pretty Woman“ und „9 ½ Wochen“ reinzuziehen, die eigentlich keiner sehen will.

Die Zeiten sind konfus

Wir leben schlicht in unübersichtlichen und konfusen Zeiten: Der Papst findet Schläge in der Erziehung vollkommen angemessen, solange es dabei würdevoll zugeht. Ein würdevoller Schläger fällt jedoch nicht einfach so, mir nichts dir nichts, vom Himmel. Das Bedürfnis, auf wehrlose Kinder oder wehrlose Beziehungspartner in Würde einzuprügeln, muss daher geübt sein. Eingehende Wochenendseminare in den besinnlichen Gemeindezentren unserer katholischen Gemeinden landauf und landab werden dahingehend nicht mehr lange auf sich warten lassen, um diese würdevollen Züchtigungen so ausführen zu können, dass Jugendämter, Kinderschutzzentren, Frauenhäuser und Frauenbeauftragte keinen Argwohn bekommen. Entsprechende Äußerungen des Papstes aus dem Vatikan zur maßvollen Züchtigung der Ehefrauen und den inquisitorischen, heilsamen Nebeneffekten von „Fifty Shades of Grey“ werden von Experten nur noch als eine Frage der Zeit angesehen.

Demütigung als Teil kultureller Prägung?

Wir haben wahrscheinlich eine tiefe kulturelle Einprägung der Demütigung und der Gewalt im täglichen Miteinander, die in den konfusesten Anwandlungen immer wieder aus den Abgründen der Seele ans Tageslicht drängen. Anders ist dieser Hype einer extremen Einschläfrigkeit und Einfältigkeit der Lust nicht zu verstehen. Er, unser “sadistisch” veranlagter Protagonist ist „nun mal so“, weil er selbst misshandelt wurde. Und sie hat ein Daddy-Problem. Die Verfilmung des Erotik-Weltbestsellers „Fifty Shades of Grey“ ist nicht nur psychologisch lahm – statt Sadomaso gibt es Blümchensex. Noch verrückter wird es, wenn man sich die Filmografie der Regisseurin von Fifty Shades of Grey Sam Taylor-Johnson betrachtet: Man stößt unweigerlich auf einen zweiminütigen Clip, den sie 2011 gedreht hat und der zu ihren bekanntesten Arbeiten gehört. Er zeigt den aktuellen 007, Daniel Craig. In Frauenkleidern. Zu allem Überdruss erzählt dann auch noch die Stimme von Judi Dench (M.!), wie viele Frauen in Großbritannien körperlich misshandelt werden.

Die Zeit ist aus den Fugen und die Terminplanung des Deutschlandstarts dieses grandiosen Films kann daher nur als Versuch der Verantwortlichen angesehen werden, dies irgendwie wieder gerade zu rücken.

Sado-Maso im Baumarkt

Wahrscheinlich hat die Initiative der englischen Baumarktkette B&Q, die laut einem Bericht des Daily Telegraph ihre Mitarbeiter in besonderen Schulungen darauf getrimmt hat, wie sie mit interessierten Käufern und Käuferinnen von Kabelbindern, Klebeband, Seilen und Metallklammern umzugehen hat, bei OBI, TOOM und Konsorten schon Nachahmung gefunden. Die Baumarktmitarbeiter müssen uns jedoch nicht weiter beschäftigen, sie sind ja schon einiges gewohnt. Beim Heimwerken und Dekorieren offenbart der Mensch seine Seele. Baumarktmitarbeiter fungieren dahingehend gerne als Psycho- und/oder Familientherapeuten, die bei Bedarf auch einmal in die Tasche ihres Kittels greifen, um die Visitenkarte eines studierten Kollegen hervorzuholen. Ihr Visitenkartenportfolio muss jetzt nur noch durch den einen oder anderen Sextherapeuten ergänzt werden.

Mit dem leisen Verweis auf die Staubsaugerabteilung und den dort gelagerten Saugrohren, sowie die extra zur Karnevalszeit neu aufgenommene Saisonware, kann das Angebot ohne großes Aufsehen problemlos um Masken, Latexanzüge, Reitgerten, Handschellen etc. erweitert werden.

Fifty Shades of Grey – eine neue Liebesordnung?

Dem einen oder anderen geneigten Leser, bzw. der einen oder anderen geineigten Leserin, der / die das Phänomen „Fifty Shades of Grey“ und Geschlechterrollen näher ergründen will, empfehle ich die Lektüre des Essays der israelischen Soziologin Eva llouz unter dem Titel “Die neue Liebesordnung. Frauen, Männer und Shades of Grey”, die vor kurzem in der Edition Suhrkamp erschien. Oder rauchen Sie wie ich heute Abend in Ruhe eine lustige Zigarette und hören dabei den 80er Jahre Klassiker von Interzone “Prinzessin in Köln am Rhein”. Lachen ist ja bekanntlich die beste Medizin.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, dass Sie gut und ohne Blessuren durch diese närrischen Zeiten kommen.

Ihr

Ulrich B Wagner

Über Ulrich B Wagner

Ulrich Wagner
QUERGEDACHT & QUERGEWORTET – Das Wort zum Freitag (Foto: © Ulrich B. Wagner)

Ulrich B Wagner (Jahrgang 1967) ist Diplom-Soziologe, Psychologe, Schriftsteller und Kolumnist. Sein Studium der Soziologie, Psychologie & Rechtswissenschaften absolvierte er an der Johann Wolfgang von Goethe Universität, Frankfurt am Main. Zusammen mit Professor Karl-Otto Hondrich arbeitete er am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an einer Reihe von Forschungsprojekten zum Thema  „Sozialer und kultureller Wandel“.

Ulrich B Wagner ist Dozent an der european school of design in Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt  Kommunikationstheorie, Werbe- und Konsumentenpsychologie, sowie Soziologie und kultureller Wandel und arbeitet als Berater sowie systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikation und Konzeptentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Kennen Sie schon die Leinwände von Inspiring Art?