Franz Alt: Schluss mit Lustig

„Atomkraftwerkschnäppchen“ in Finnland

Um die Jahrtausendwende wurde in Finnland der Bau eines Atomkraftwerkes beschlossen. OLKILUOTO 1 und OLKILUOTO 2 mit je 910 MWp Leistung gingen 1978 und 1980 in Betrieb. OLKILUOTO 3 soll 1,7 GWp Leistung bringen. Baubeginn war 2005. Ein deutsch-französischen Konsortium bestehend aus Siemens (Dampfturbinen und Transformatoren) und Areva (Nuklearteil) bot das Gesamtkunstwerk zu einem Schnäppchenpreis von drei Milliarden Euro an und wollte es bis 2009 fertigstellen.

Der langen Rede kurzer Sinn: Die Internationale Atomenergiekommission rechnet nicht mit einer Fertigstellung vor 2016, eher später. Die Kosten sind von drei auf zehn Milliarden Euro gestiegen. Der finnische Auftraggeber hat außerdem aufgrund des notwendig gewordenen Energiezukaufes auf 1,8 Milliarden Euro Kostenersatz geklagt. So sehen „Sieger“ auf beiden Seiten aus. Nicht viel besser geht es Areva mit einem Atomkraftwerk in Frankreich. Auch hier ist der Schnäppchenpreis von drei Milliarden Euro nicht zu halten, sondern auf acht gestiegen. Der Fertigstellungstermin rückt ebenso in die Ferne.

„Schiefes“ Gaswunder

Wo die Atomaren schwächeln, scheinen sich die Fossilen gefangen zu haben. „Schiefergas und Schieferöl in Hülle und Fülle“, kam die Kunde aus den USA. Die Internationale Energieagentur (IEA) bestätigte diese Jubelmeldungen im jährlichen World Energy Outlook, der Bibel der Energiewelt. Zwar hatte sich die IEA schon sehr oft geirrt (nicht zuletzt, als sie 2004 einen kontinuierlichen Anstieg des Ölpreises auf 29 Dollar bis zum Jahr 2030 prognostizierte), doch die Meldung über das schiefe Öl- und Gaswunder schlug in der Energiewelt ein wie eine Bombe. Energieintensive Großkonzerne meldeten sich zur Abreise in die USA an und es folgte Entwarnung an allen Fronten. „Die Versorgung sei für Jahre, Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte gesichert“, jubelten die Bestandserhalter.

Entscheidend: die öffentliche Meinung

Eine entscheidende Rolle in der Auseinandersetzung zwischen atomar-fossil und erneuerbar wird die öffentliche Meinung und Stimmung in der Bevölkerung spielen. Nachdem weder zu hoffen noch zu erwarten ist, dass wieder eine Bohrinsel wie im Golf von Mexico hochgeht oder ein Tsunami ein Atomkraftwerk zerstört, wird der Kampf um die öffentliche Meinung über die Medien ausgetragen. Diese wiederum brauchen Anlässe

Als roter Faden zieht sich die Diskussion um das deutsche Erneuerbare Energiegesetz (EEG) durch die Energiediskussion. Von den Befürwortern als Basis für die Energierevolution gepriesen und weltweit imitiert, von den Gegnern als wirtschaftsfeindliches, protektionistisches Teufelswerk bekämpft, ist das EEG das Rückgrat der „Energiewende“. Nach zwölf Jahren ist es wie jedes Gesetz korrekturbedürftig. Ob es nach der Wahl überhaupt in seiner Substanz bestehen bleibt, ist momentan fraglich.

Im letzten Jahr schien es, dass angefacht durch die deutschen Stromkonzerne die Stimmung zu kippen drohte und die öffentliche Meinung plötzlich gegen das EEG war. Inzwischen hat sich die Sachlage wieder verändert. Die anerkannte Wirtschaftsexpertin Claudia Kempfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hat in ihrem Manifest „Kampf um Strom“* das EEG als Zukunftsmodell präsentiert und die Argumente der Gegner (unter anderem es würde die Strompreise explodieren lassen) zerpflückt. Weite Teile der deutschen Industrie ziehen für das EEG in den Kampf (Siehe FAZ-Inserat).

Unerwartete Schützenhilfe

Unerwartete Hilfe für das deutsche Modell der Energiewende kam von außen: Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris ist mit Sicherheit keine ökologische Untergrundorganisation durchsetzt mit grünem Gedankengut, sondern eher das Gegenteil: Eine strategische Speerspitze der Erdöl- und Atomwirtschaft. Der Chefökonom der IEA Fatih Birol gilt aber als ausgleichendes Element und höchst cleverer Stratege. In der Beurteilung der deutschen Energiewende im allgemeinen und dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) im Besonderen dürfte er auch die Feder geführt haben.

Darin heißt es nämlich: „Neben der Steigerung der Energieeffizienz steht der großangelegte Ausbau der erneuerbaren Energien im Zentrum der Energiewende. Seit seiner Verabschiedung im Jahr 2000 hat sich das Erneuerbare Energiegesetz (EEG) als sehr wirksames Instrument zur Verbreitung der erneuerbaren Energien und insbesondere der Stromerzeugung durch Biomasse, Windenergie und Photovoltaik erwiesen. Zudem hat es sich als erfolgreich bei der Drosselung der Kosten erwiesen, wie es sich im besonderen Maße an der Senkung der Einspeisetarife für Solarstrom zeigt, zu der es in Antwort auf die rasche Expansion dieser Technologie in den letzten vier Jahren gekommen ist.“

Kontraproduktiv: Zentralistische Strukturen

Dass umgängliche Lob kann nicht verschleiern, dass auch die Erneuerbaren nicht unbelastet in die nächste Runde des Rennens gehen.

Auffallend ist, dass die Schwierigkeiten dort entstanden sind, wo man versucht hat ähnliche zentralistische Strukturen auszubauen, wie sie auch bei den fossil-atomaren Energieträgern herrschen. So hat sich der Bau zentralistisch organisierter Großanlagen als problematisch erwiesen. Überall dort wo die Fördertarife überhöht waren, kam es zu einem Showdown. So auch in Spanien: Eine gigantische Ausbaulawine lockte daraufhin Investoren aus aller Welt auf die Iberische Halbinsel. Die Photovoltaik, aber auch die Windkraft, wurden zu Finanzprodukten mit staatlich garantierten zweistelligen Renditen. Gleiches oder ähnliches galt für Tschechien, Italien und einige osteuropäische Staaten.

Dort, wo die traditionelle Energiewirtschaft sich der Erneuerbaren bemächtigt hat, wie beim Ausbau der Windenergie im Offshore-Bereich stehen die Zeichen ebenfalls auf Sturm. Für die geplanten gigantischen Windparks im Meer stehen keine geeigneten Abtransport Leitungen zur Verfügung. Auch um das nach altem zentralistischem Denken konzipierte Konstrukt „Desertec“ (in der Wüste Nordafrikas Strom produzieren und dann nach Europa zu transportieren), ist es ziemlich ruhig geworden. Inzwischen stellt man fest, dass in Deutschland Onshore-Windräder verbrauchernahe errichtet, eher ein Erfolgsrezept sind und keiner zentralistischen Struktur bedürfen.

Lesen Sie auf Seite 3 mehr über die Trumpfkarte der Eigenstromnutzung

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