…aus dem wöchentlichen Kommentar von Franz Alt. Diesmal mit einem Gastbeitrag von Hans Kronberger: “Schluss mit lustig”.
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David gegen Goliath am Strommarkt war gestern. Heute stehen einander zwei kräftige Bullen gegenüber, der fossil-atomare auf der einen, der im weitesten Sinn solare (Wasser, Wind, Sonne und Biomasse) auf der anderen Seite. Und es ist mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sie aufeinander losgehen werden. Auch der Zeitpunkt steht schon fest: Nach den Wahlen. Kommentar von Hans Kronberger.
Die fossil-atomaren Stromerzeuger haben eine hochgerüstete Kriegskasse. Geld allein ist aber schon lange kein Garant mehr für ein dauerhaftes Obsiegen. Ein Unfall wie in Fukushima, oder die Machtübernahme durch die Grünen in einem großen Bundesland in Deutschland, setzen der alten Energiebranche mächtig zu. Die Erneuerbaren haben die bessere Munition, unendlich viel Primärenergie und immer noch Rückenwind. Dies reicht aber nicht aus, um die Energiewende so rasch voran zu treiben, dass man sich eine direkte Konfrontation ersparen könnte. Beide Gruppen steigen mit für sie schwierigen Lasten in die Arena – im Kampf um die Hoheit in der Energieversorgung der Zukunft.
Ruhe vor dem Sturm
In Deutschland und Österreich wird heuer im Herbst gewählt. In Deutschland wird es voraussichtlich zu einer neuen Konstellation kommen, da sich schwarz – gelb auf Grund der schwächelnden Liberalen wahrscheinlich nicht mehr ausgehen wird. In Österreich könnte das rot-schwarze Modell noch einmal knapp über die Runden kommen. Wie auch immer die Wahlen ausgehen werden, der Kampf um die Vorherrschaft in der Stromwirtschaft wird die nächste Legislaturperiode in beiden Ländern dramatisch prägen. Die derzeitige Ruhe vor dem Sturm ist ein Kind der Vorwahlzeit und darf nicht als halber Frieden missverstanden werden.
Die Ruhe ist nämlich von oben verordnet: Das schwarz-gelbe Ministerduo Peter Altmaier und Philipp Rösler versuchten zwar noch in der laufenden Legislaturperiode die Energiewende zu relativieren, aber Kanzlerin Angela Merkel sprach am 21. März dieses Jahres ein Machtwort. Die Energiewende bleibt auch in Deutschland angesagt, wenngleich der Begriff von verschiedenen Seiten unterschiedlich verstanden wird. Die Energiewende ist wie ein startendes Flugzeug. Der Versuch unkontrolliert den Start abzubrechen, ohne die Gewissheit, dass man die Start- beziehungsweise Landebahn wieder trifft, ist sehr riskant. Dies hat Merkel erkannt und geht vorläufig auf Nummer sicher. Nach dem Atomausstieg und dem Ausstieg aus dem Ausstieg kann das dritte Looping leicht außer Kontrolle geraten.
Dramatische Erkenntnis
Sucht man im Archiv nach einem Zeitzeugen für die Situation der vier deutschen Energieriesen, so wird man in der Abschiedsrede des einst mächtigen RWE-Bosses Jürgen Großmann fündig. In seiner letzten Bilanzpressekonferenz am 6. März 2012 beklagte er verbittert das Betriebsergebnis des Vorjahres. „Das betriebliche Ergebnis sank um 24 Prozent auf 5,8 Milliarden Euro…Das nachhaltige Nettoergebnis…verringerte sich um 34 Prozent“.
„Schuld daran seien neben den „defizitären Gaslieferverträgen“ die „rückläufigen Margen in der Stromerzeugung, weil die Strompreise nicht in dem Maße gestiegen sind wie die Preise für Kohle und Öl. Ein wesentlicher Grund dafür ist der massive Ausbau der Photovoltaikanlagen, die meistens nur mittags einspeisen. Steinkohle- und Gaskraftwerke müssen dann zurückstecken.“
Auf gut Deutsch: Das alte Spiel der traditionellen Energieversorger, bei der Stromverknappung zur Mittagszeit (wenn gleichzeitig die Kühlaggregate laufen und gekocht wird) konkurrenzfrei hochpreisig zu werden (bis zu zwei Euro pro KWh) geht nicht mehr. Die Photovoltaik, ebenso wie der Wind treiben den Strompreis nach unten. Damals ein dramatisches Geständnis zu dem sich der mächtige Boss auf dem Weg zur Pensionistenbank hinreißen ließ.
„Albtraum“ gratis Strom
Genau 15 Monate später, am 6. Juni 2013 sollte Großmanns Alptraum einen neuen Höhepunkt erreichen. Um 14.19 Uhr, während das Hochwasser seinen Höchststand erreicht hatte, strahlte die Sonne eine Leistung von 23,4 Gigawatt ins Stromnetz ein und deckte damit zu diesem Zeitpunkt 39 Prozent des Verbrauchs Deutschlands ab. Für diesen Strom floss kein Cent in die Kassen der Stromriesen – früher konnte man bis zu zwei Euro für diese wertvollen Kilowattstunden kassieren.
Ein Albtraum für die alten Energieversorger: Wenn das Schule macht, könnten in erlebbarer Zukunft mehr als 100 Prozent Strom aus sauberer Primärenergie produziert, tagsüber in die Speicherkraftwerke gepumpt und nachts wieder zurückgeholt werden.
Wer braucht dann Atomkraft, Öl, Kohle und Gas zur Stromerzeugung? Kein Wunder, dass die Propagandamaschinen auf Hochtouren laufen. Es stellt sich nur die Frage, haben die fossilen die letzte Trumpfkarte bereits gezogen und können damit keinen Stich mehr machen? Das Argument, die Erneuerbaren würden den Strompreis dramatisch verteuern, seien unerschwinglich und würden zu einer De-Industrialisierung Europas führen, widerlegen die Strombörsen. Der durchschnittliche Großhandelspreis für Strom ist durch den Ausbau der Erneuerbaren dramatisch gesunken.
Das Märchen vom angeblich so günstigen Atomstrom hält auch nicht mehr, denn derzeit betteln britische Atomkraftwerksplaner in der EU um gestützte Einspeisetarife, wie sie den Erneuerbaren zur Markteinführung gewährt wurden. Nicht nur die Unfälle von Tschernobyl und Fukushima oder das Eingeständnis keinen marktfähigen Strom liefern zu können lassen an einer strahlenden Atomzukunft (zumindest in der demokratischen Welt) zweifeln, sondern auch das lebende Beispiel eines Milliardengrabes in Finnland.
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