Digitalisierung: Jobkiller im großen Stil?
Wir sind Nutznießer und Opfer der fortschreitenden Automatisierung: „Jeder Beruf verliert seine einfachen Routinearbeiten an den Computer“, warnt Gunter Dueck, ehemals Cheftechnologe bei IBM. Alles, was Computer erledigen können, wird systematisch automatisiert. Wenig Qualifizierte arbeiten diesen dann höchstens noch als Handlanger zu. Und vollautomatisierbare Jobs werden verschwinden.
Auch das Kontrollieren von Arbeitsleistungen wird mehr und mehr von Software-Programmen erledigt. Dann werden Führungskräfte nur noch für Dinge gebraucht, die Computer bislang noch nicht können, nämlich die Analytik mit Intuition, mit Menschenkenntnis und mit echtem Einfühlungsvermögen zu verknüpfen.
Doch die Digitalisierung als Jobkiller in großem Stil? Natürlich wird die zunehmende Informatisierung Arbeitsplätze schlucken, das war bei jedem Technologiesprung auch in der Vergangenheit so. Doch es werden auch neue Jobs entstehen, die zum Teil heute noch nicht einmal vorstellbar sind.
Symbiose zwischen Mensch und Maschine
Gut bezahlt werden in Zukunft nur noch diejenigen, die mehr zu bieten haben, als das, was Computer und Roboter können. Und das wäre? Menschen können vor allem mit Humor, Fantasie, Emphathie und Instinkten sowie mit Kreativität, gesundem Menschenverstand, dem Erfassen von Kontext, dem adaptiven Bewältigen vielfältiger Aufgaben, mit Fingerfertigkeit, Verhandlungsgeschick und dem vernetzten Einsatz der Sinne punkten.
Wer darin gut ist, sich ständig weiterentwickelt und für Routinen auf die Hilfe intelligenter Maschinen setzt, der ist im Digitalzeitalter vorn. Zum Beispiel begann die IBM-Software Watson 2011, nachdem sie in der US-Fernseh-Quizsendung Jeopardy gegen zwei menschliche Superhirne gewonnen hatte, Medizin zu studieren. Heute wird sie an der Grenze zwischen Leben und Tod eingesetzt.
Im Memorial Sloan Kettering Cancer Center, einer Krebsklinik in New York, ist das Programm ein wertvoller Ratgeber bei der Entscheidung, welche individuelle Behandlung bei Krebspatienten eingesetzt werden soll. Doch nie bestimmt die Software allein über die jeweilige Therapie. Auf Basis der eingespeisten Daten gibt sie vielmehr Empfehlungen ab, denen die Ärzteteams in den meisten Fällen auch folgen.
KI-optimierte Gehirne werden kommen
Auch wenn sowas heute noch abartig klingt: In nicht ferner Zeit wird sich unser Gehirn an Computer anschließen lassen und mit deren Hilfe in jeder Hinsicht leistungsstärker sein. Solche durch künstliche Intelligenz (KI) optimierte Gehirne werden denen, die nicht durch künstliche Intelligenz optimiert worden sind, überlegen sein.
Schon allein deshalb wird es sie dann auch geben. Höher, schneller, weiter, also besser in jeglicher Hinsicht, ist evolutions- und damit existenzimmanent. So wird eines Tages mit nichtbiologisch erweiterten Mensch-Maschine-Wesen wohl eine ganz neue Evolutionslinie entstehen.
Manche bezeichnen diesen Zivilisationssprung als technologische Singularität. Den Begriff hat der umstrittene Futurologe und Transhumanist Ray Kurzweil, seit 2012 Director of Engineering bei Google, heute Alphabet, auf 2045 vorausberechnet. Andere legen ihn inzwischen auf 2039.
Freundliche Androiden mögen wir gern
Wenn sie lebensnah und ungefährlich wirken, dann interagieren Menschen übrigens gerne mit Androiden, also menschenähnlichen Robotern. Deshalb sollten diese freundlich nicken, den Kopf leicht zur Seite neigen, den Blick senken, die Augen schließen, lächeln, erröten und winken können, weil unser Hirn dies als Freundschafts respektive Unterwürfigkeitshinweise deutet.
Zu perfekt sollten sie allerdings nicht sein. Auch nicht zu menschenähnlich. Sonst entstehen die gleichen Vorurteile und Diskriminierungen wie bei leibhaftigen Menschen. So erging es auch Pepper, dem »Roboter mit Herz«, der in Japan auf den Markt kam. Er ist darauf programmiert, sich zu »freuen«, wenn man ihn lobt, und zu »weinen«, wenn er beschimpft wird.
Allerdings wurde er auch gemobbt, eben deshalb, weil er so menschlich wirkt. „Der ideale maschinelle Kollege hat ein paar menschliche Eigenschaften, doch es bleibt klar erkennbar, was er eigentlich ist: ein Roboter“, resumiert Walter Frick im Harvard Business Manager 9/2015.
Nutznießer oder Computersklave?
Marketingleute, einst die Menschenversteher vom Dienst, mutieren zu IT-Technokraten. Vertriebler, bis dato perfekt in der Kundenbeziehungspflege, werden zu Big Data-Spezialisten umfunktioniert. In der Callcenter-Branche titulieren sich die Agents schon längst als Computersklaven. In der Online-Szene ist nur noch von People Analytics die Rede. Die Entmenschlichung schreitet also voran.
Und die Maschinengläubigkeit wächst. Sie impliziert, dass Maschinen die Menschen besser kennen, als diese sich selbst. „Wie, Sie sind … ? Das kann gar nicht sein! Hier in meiner Datenbank steht nämlich, dass Sie … sind!“ Natürlich können und sollen wir uns von Maschinen helfen lassen, doch das darf nicht zur Technologieblindheit entarten. Eine humanistische Informationstechnologie wird vielmehr gebraucht.
„In der Regel geht es beim Wechselspiel von Mensch und Gerät um einen Wettstreit, bei dem nie eindeutig gesagt werden kann, wer eigentlich wem dient”, meint der Publizist Gunnar Sohn. Doch die Macht, die ein vergessenes oder abhanden gekommenes Smartphone besitzt, kann am Grad des Entzugstraumas bereits sehr gut gemessen werden. Nomophobie wird das genannt. Und wie ein schnöder Laptop die mächtigsten Männer der Welt tyrannisiert, wenn der nicht so will wie sie, davon kann jede Sekretärin erzählen.
Besonders erfolgreich werden also diejenigen Anbieter sein, die uns aus solcher Ohnmacht erlösen. „Ein intelligentes Nutzer-Interface gibt uns auf jeden Fall das Gefühl, man sei Herr der Technik, auch wenn man vielleicht in Wahrheit letztlich doch der Sklave der Maschine bleibt”, ergänzt der Medienphilosoph Norbert Bolz.
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Video: Industrie 4.0 auf der Hannover Messe 2016
[Anmerkung der Redaktion: Das hier eingebettete Video wurde (vorübergehend) entfernt, ist jedoch weiterhin hier zu finden: messelive.tv / YouTube.]
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Buchtipp
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Kommunikation in Zeiten der digitalen Transformation
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