Deutschland: Mehr als eine „soziale Reparaturwerkstatt“
Eine Debatte um das Thema Migration wird selten neutral geführt. Siehe dazu exemplarisch Wehrt Euch! Leben auf Facebook – oder Willkommen in der Wirklichkeit von AGITANO-Kolumnist Ulrich B Wagner. Vor einigen Jahren noch waren es „Menschen mit Migrationshintergrund“, die sich mit der Integration in die deutsche Gesellschaft scheinbar schwertun und damit das deutsche Sozialssystem über Gebühr belasten würden. Zurzeit sorgt der aktuelle Flüchtlingsstrom für Verunsicherung in Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit.
Und tatsächlich stehen wir in Deutschland vor großen Herausforderungen. So äußerte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gegenüber den Stuttgarter Nachrichten, dass der Finanzbedarf für Flüchtlinge im Jahr 2016 zwischen 1,8 und 3,3 Milliarden Euro liegen werde – abhängig von den Anerkennungsquoten, die von Monat zu Monat variieren. Die Tageszeitung DIE WELT hat diesen Bedarf, der sich aus Kosten für Lebensunterhalt, Sprachkurse und Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zusammensetzt, auf sieben Milliarden Euro bis zum Jahr 2019 hochgerechnet.
Alles andere als „Peanuts“. Ob Deutschland aber deshalb als die „soziale Reparaturwerkstatt Europas“ darstellt, wie es einst CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer in der Sendung Maybrit Illner zum Ausdruck brachte, darf wohl – auch angesichts der Zahlen, welche die DIHK, die IHK Schwaben und das ZEW veröffentlicht hat – angezweifelt werden.
Migration sorgt für Milliardeneinnahmen
So zeigt die Sonderauswertung zum DIHK-Gründerreport 2015*, dass von den über 300.000 neuen Unternehmen, die 2014 in Deutschland gegründet wurden, fast jedes fünfte von einer Gründerin oder einem Gründer mit Migrationshintergrund an den Start gebracht wurde. Die DIHK geht aufgrund dieser Entwicklungen von mindesten 50.000 neu geschaffenen Arbeitsplätzen, allein für das Jahr 2015, aus.
Im Bezirk der Industrie und Handelskammer (IHK) aus Bayerisch-Schwaben liegen die Zahlen noch höher: „Knapp jeder dritte Gründungsinteressierte, der die Beratungsangebote unserer IHK nutzt, hat einen Migrationshintergrund“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Peter Saalfrank. Aufgrund dieser Entwicklung geht die IHK Schwaben davon aus, dass nach aktuellen Berechnungen die rund 4.200 Gründer mit Migrationshintergrund im IHK-Bezirk rund 3.500 Arbeitsplätze in 2014 geschaffen haben.
Welche Auswirkungen sich aus diesen Entwicklungen auf die gesamtdeutsche Wirtschaft haben können, zeigen Zahlen des ZEW. Dieses hat im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung den Beitrag von Ausländern und künftiger Zuwanderung zum deutschen Staatshaushalt ermittelt. Der Untersuchung zufolge zahlten 2012 die in Deutschland lebenden 6,6 Millionen Ausländer im Schnitt 3.300 Euro mehr an Steuern und Sozialabgaben als sie an staatlichen Leistungen beanspruchten. Auf diese Weise generierten sie Mehreinnahmen für den Staatshaushalt in Höhe von 22 Milliarden Euro.
Wie gesagt: Bis zum Jahr 2019 belaufen sich die Kosten für die aktuelle Flüchtlingskrise auf sieben Milliarden Euro.—