… aus der wöchentlichen Themenserie von Anne M. Schüller über Marketing, Kundenbindung, Branding und Unternehmensorganisation. Nach dem Doppelbeitrag „So funktionieren Kundenbefragungen in neuen Businesszeiten (Teil 1 und Teil 2)“ folgt heute der 2. Teil von „Gendermanagement: Der ‘kleine‘ Unterschied in der Mitarbeiterführung“ (Link zu Teil 1).
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Nur, wenn es den Unternehmen gelingt, das Beste ihrer männlichen Mitarbeiter und das Beste ihrer weiblichen Mitarbeiter optimal zusammenzuführen, ist wahre Exzellenz und damit die Zukunft zu schaffen. Doch dabei helfen Quoten nicht weiter. Vielmehr müssen vor allem die männlichen Spielregeln in den Unternehmen gewandelt werden, damit Frauen eine reelle Chance erhalten.
Männer wollen Helden sein! Und maskuline Hirnarchitektur strukturiert hierarchisch. So verlangt es Männer, zu wissen, wer oben und wer unten ist, und dazu müssen sie sich laufend messen (Wer hat den längsten … Balken im Powerpoint-Erfolgsdiagramm?). Wo Männer regieren, gibt es überall Ranglisten: die besten Verkäufer, die höchsten Jahresgehälter, die reichsten Clans. Und es gibt Insignien der Macht. Aber: Man misst sich nur mit seinesgleichen. Schon kleine Jungs lernen im Kindergarten: Mädchen verhaut man nicht. Etwas später dann dies: Eine Memme, also „weibisch“ zu sein, ist für einen Buben absolut indiskutabel. Und das Anti-Müller Hormon eist alles Feminine aus ihm heraus. Seine schlimmste Schmach: von einem Mädchen im Wettkampf besiegt zu werden. Kaum ist diese Phase vorbei, fährt die Natur seinen Testosteronspiegel hoch, und der drängt ihn, weibliche Beute zu machen.
All das verfestigt sich später in den Führungsetagen, den ‚Spielplätzen der Macht‘. Solange ein typisches Alphamann-Hirn im Vollautomatikmodus weilt, ist eine Frau, wenn nicht Trophäe, dann „Beta“, also zweite Wahl. Dort, wo Frauen der Preis des Siegers sind, kommen diese als Ebenbürtige einfach nicht vor. Wer in der Hackordnung aber unten steht, wird herablassend behandelt und bekommt auch weniger ab. Geringerer Lohn bei gleicher Arbeit ist nur ein sichtbares Zeichen dafür. Die Herabsetzungen sind oft sehr subtil, doch sie sind überall da. So werden weibliche Mitglieder in Aufsichtsratsgremien schon mal gerne ‚Goldröckchen‘ genannt. Niemand würde sich hingegen erdreisten, ihre männlichen Counterparts als ‚Schlipsträgerchen‘ zu bezeichnen.
In solchen Szenarien müssen Frauen schon Erdbeben veranstalten, um in den Fokus zu rücken – was aber nicht weiblich ist und aus der Gemeinschaft der Frauen entrückt. Keiner mag es, wenn Frauen ihre Erfolge lautstark rühmen und ihr Licht eben nicht unter den Scheffel stellen. Ein Teufelskreis! Der Ausweg aus diesem Dilemma? Expertise! Expertentum wird von Männerhorden sehr geschätzt und katapultiert auf vorderste Plätze. Ich habe selbst von Berufs wegen hauptsächlich mit Managementkreisen zu tun. Nach meinen Vorträgen höre ich da schon mal hinter vorgehaltener Hand: „Also, als Frau wäre sie nichts für mich.“ Super! Denn wenn das geklärt und abgehakt ist, hat meine Expertise freie Bahn.
Die Waffe Testosteron
In jeder Führungsriege finden zwangsläufig Machtkämpfe statt. Das Thema hat viele Facetten und kennt traurige Geschichten. Hinderliche Intrigen und peinliches Schaulaufen, maßloses Geltungsbedürfnis, Kadavergehorsam, Statusgerangel und Positionen-Geschacher haben dabei in erster Linie Ego-Intentionen – und nicht das Allgemeinwohl zum Ziel. Den alten Oberlöwen stehen bei all dem die größten Brocken zu. Auf ihr Kommando folgt die Meute der Mitläufer nahezu blind. Hochstatus weist an, ohne zu fragen. Niederstatus hört zu, ohne etwas zu sagen. Und wenn doch, dann sind solche Hinweise irrelevant. Gefährlich, gefährlich ist sowas in diesen Tagen!
Ein einziger mieser Charakter in Top-Position kann die Kultur eines ganzen Unternehmens verseuchen – und dessen Erfolg ruinieren. Denn alle orientieren sich an der Führungsspitze. Und die Mitarbeiter achten in einem solchen Szenario nur noch darauf, dem Chef zu gefallen. Der Kunde ist dann zweite Wahl. Multis, Konzerne und Dax-Unternehmen, in denen es große Territorien und viel öffentliches Ansehen zu verteidigen gilt, sind von solchen Phänomen zwangsläufig besonders betroffen. Männliche Hirne stehen auf Win-Lose-Konzepte (Besiegen!), weibliche Hirne bevorzugen Win-Win.
Siege kurbeln die Testosteron-Produktion an. Und Testosteron schaukelt hoch. So überschreitet man(n) zulässige Grenzen, um sich Vorteile zu sichern und nicht ins Abseits zu geraten. Der Buchautor Dieter Otten fand einmal im Rahmen einer Studie heraus, dass rund ein Drittel der erwachsenen Männer in Deutschland es billigen, moralisch verwerfliche oder kriminelle Akte zu begehen. Und laut einer kürzlichen Untersuchung der Duke University in North Carolina sind vier von fünf Managern bereit, Unternehmenswerte zu zerstören, um kurzfristige Ziele zu erreichen. Ergo: Es wird gefoult, solange es kein Abpfeifen gibt.
Zwar kann Testosteron ein wunderbarer Antreiber sein, es sorgt für Genius, für Wachstum und Fortschritt, und es bringt uns auch mächtig voran. Doch in den falschen Hirnen ist es ein Teufelszeug. Testosteron liebt das Risiko, befeuert Eskalation und fabriziert den so gefürchteten Machtrausch, der nicht selten despotisch endet. In Summe verbreiten Testosteronbomben am Ende ein tödliches Gift. Das ist längt bekannt. Doch ändert sich was? „Männer wollen Schlachten wiederholen, in denen sie siegreich waren“, hat die Literaturprofessorin Gertrud Höhler in ‚Das Ende der Schonzeit‘ geschrieben, und dies: „Männer wollen nicht ertappt werden bei Einsichten, die sie Frauen verdanken.“ Frauenarbeit wird zwar von Männern geschätzt, aber nicht gewürdigt.
Fortsetzung auf Seite 2