Feministisches Sprachhandeln… oder auf blöd deutsch gesagt

… aus der wöchentlichen Kolumne „QUERGEDACHT & QUERGEWORTET  – Das Wort zum Freitag“ von Ulrich B Wagner. Nach „Zeige dich, verberge dich … Über Transparenz und Geheimnis in Zeiten von Facebook & Co.“ folgt heute: „Feministisches Sprachhandeln… oder auf blöd deutsch gesagt“.

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Sprachgebrauch wird ebenso bestimmt von objektiven Regeln wie von subjektivem Stilgefühl. Der Meister darf die Form zerbrechen. Aber niemand kann zerbrechen, was er gar nicht hat. Normen müssen nicht streng befolgt, aber sie müssen vorausgesetzt werden. Wie sonst wäre es, zum Beispiel, möglich, eine Sprache zu lehren und zu lernen. Höchstes Ziel der Sprache als Verständigungsmittel ist es, einen anderen genau das verstehen zu lassen was der, der da schreibt oder redet, meint. Das ist schwer
Rudolf Walter Leonhardt, Auf gut deutsch gesagt, 1983

In einer irrsinnigen Welt vernünftig sein zu wollen, ist schon wieder ein Irrsinn für sich.“
Voltaire

„Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes, aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel.“
Friedrich Wilhelm Nietzsche

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Feministisches Sprachhandeln – Schutz vor „gewaltvoller“ Sprache

Die spinnen die Römer würde mein alter Freund Asterix wohl sagen oder sich verwundert, wie einige Kollegen in der Presse auch, unermüdlich die übermüdeten, rot unterlaufenen Augen reiben, um sich entnervt zu fragen: Ist schon wieder 1. April, wo ist nur das Jahr geblieben? Vor nicht einmal vier Tagen auf der Suche nach Ablenkung diese Kampfansage auf BILD-Online:

Im Kampf gegen Diskriminierung haben Soziologen der Berliner Humboldt Universität einen offiziellen Leitfaden für »Feministisches Sprachhandeln« veröffentlicht. Ziel: Behinderte, Ausländer und vor allem Frauen, die sich nicht der »Zwei-Geschlechter-Norm« unterwerfen wollen, sollen vor »gewaltvoller« Sprache geschützt werden.

Einverstanden, ich bin ein Mann, angesichts dieser Schublade aus „Behinderten, Ausländern und vor allem Frauen … “, würde ich mir gewiss, als Frau oder auch nicht gefühlter Frau, doch auch einmal die eine oder andere Frage stellen. Eigentlich dachte ich auch, dass Alice, die „von der anderen Seite“ DES SPIEGELS, der EMMA, dieses Thema der Gleichberechtigung schon geklärt hat. Doch darum geht es heute nicht.

Zurück zum Anfang!

Die Bildzeitung beruft sich in ihrem Artikel auf die Veröffentlichung der Arbeitsgemeinschaft Feministisch Sprachhandeln an der alt ehrwürdigen Humboldt-Universität zu Berlin unter dem ominösen Titel: „Was tun? Sprachhandeln – aber wie? W_Ortungen statt Tatenlosigkeit“ (s. auch die Internetseite der AG oder holen Sie sich doch direkt die PDF-Version dieses fulminanten geistigen Ergusses für ein paar lustige Lesemomente am Wochenende. Ich für meine Person habe mir direkt ein Exemplar aufs Klo gelegt).

Ausgangspunkt dieser „genialen“ Überlegungen sei es, dass Menschen landauf und landab durch unseren täglichen Sprachgebrauch maßgeblich diskriminiert und ausgegrenzt würden. Gutmenschen und ihr Wahn (jeder darf meiner Meinung nach  den Wahn haben, der ihm gefällt, so lange er mich damit in Frieden lässt), versuchen uns jahrein, jahraus zu missionieren oder umzuerziehen und uns damit auch Teil unserer Identität und Kultur zu nehmen. Denken Sie nur an unsere liebe Pippi Langstrumpf, die jetzt nicht mehr „Negerprinzessin“, sondern „Südseeprinzessin“ und ihr werter Vater „Südseekönig“ anstatt „Negerkönig“ heißt.

Noch abstruser wurde es jedoch einmal als unsere ehemalige Bundesfamilienministerin Schröder (Gott hab sie selig) sich einmal zu diesem Thema zu Wort meldete und auf die Frage, wie sie mit dem kleinen Neger in Michael Endes Klassiker „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ umgehen würde, in ihrer grenzenlosen Einfältigkeit zum Besten gab: „Ich würde daraus beim Vorlesen ein Baby mit schwarzer Hautfarbe machen“. Chapeau! Nimmt man sich diese Passage aus dem Buch nach dieser genialen Übertragung in die Welt der verlogenen politischen Korrektheit nochmals vor, liest sich dies wie folgt: „Ein Baby riefen alle überrascht, ein schwarzes Baby! Das dürfte vermutlich ein Baby mit schwarzer Hautfarbe sein, bemerkte Herr Ärmel und machte ein sehr gescheites Gesicht“ (s. auch „Lost Generation … Über Sarotti Mohren und kleine Negerlein“).

Doch jetzt das!

Die (tatsächlich ernst gemeinten) Vorschläge der Humboldt-Sprachverbesserer (zitiert nach BILD-Online):

„Mitarbeita“ (Mehrzahl: „Mitarbeitas“) statt „Mitarbeiter“ und „Mitarbeiterinnen“.
Offizieller Beispielsatz der Broschüre: „Unsa Lautsprecha ist permanent auf Demos unterwegs. Ea erfreut sich hoher Beliebtheit.

Auch „Drucka“, „Türöffna“ werden empfohlen, um „ … männlich assoziierte »er«-Endungen zu vermeiden“. Eine weitere Möglichkeit sei, „ … als Irritation das Zeichen »@« an Substantive anzuhängen beziehungsweise in Worte einzufügen“. Also: „hum@n“ oder „m@n“ – Hauptsache „irritierend“!

„Doktox“ (Mehrzahl, „Doktoxs“) statt ??? „Doktor(-in)“.
Offizieller Beispielsatz der Broschüre: „Dix Studierx hat in xs Vortrag darauf aufmerksam gemacht, dass es unglaublich ist, wie die Universität strukturiert ist, dass es nur so wenige Schwarze/PoC Professxs gibt.

Das Fragewort zur x-Form ist übrigens laut Leitfaden „Wex?“

Notfalls könne die x-Endung auch mit einem Sternchen für „trans*“ versehen werden – also für Menschen, die zu keinem Geschlecht „gezwungen“ oder nicht „frauisiert“ werden wollen, so der Leitfaden. Denn, so die Autoren und Autorinnen: „Keine Person ist einfach so »Frau«, sondern wird frauisiert und/ oder frauisiert sich selbst.“

Zeiten ändern sich – und die Professox auch

Gut, wir haben damals an der Uni auch die eine oder andere lustige Zigarette geraucht oder den einen oder anderen köstlichen roten Wein getrunken, doch wir hatten immerhin zu jeder Zeit die Mahnung unserer Professoren in den Ohren: „Veröffentlichen immer erst im Zustand der wieder eingetretenen Nüchternheit“.

Wie uns nämlich der alte Herodot vor Jahrtausenden erzählte, ist es ratsam immer persisch zu handeln! So gewinnt man nämlich nicht nur Kriege, sondern auch Anerkennung.

Zeiten ändern sich und mit ihr auch die Professox wie ich in Folge der Recherche für die heutige Kolumne lernen musste, als ich das Interview mit Lann Hornscheidt auf SPIEGEL ONLINE las, die je nach Schreibweise als Professorin, Profe_ssorin oder Professx für Gender Studies und skandinavistische Linguistik am Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechterstudien der HU Berlin lehrt.

Hier ein kleiner Auszug:

SPIEGEL ONLINE: Ich habe es noch nicht ganz verstanden: Wann benutze ich die X-Form?

Hornscheidt: Wenn sich Personen zum Beispiel nicht als männlich oder weiblich verstehen und durch die tradierte Sprache nicht angesprochen fühlen. In meine Sprechstunde kommen zum Beispiel Studierx, die nicht mehr in Lehrveranstaltungen gehen, weil sie immer als Herr oder Frau Sowieso angesprochen werden und sich diskriminiert fühlen.

Sind das nicht nur Einzelfälle?

Nein, allein im letzten Semester haben sich zwölf Personen bei mir gemeldet, die sich diskriminiert fühlten. Es würde schon viel helfen, wenn zu Semesterbeginn gefragt würde, wie Personen angesprochen werden wollen – und dies dann respektiert und nicht hinterfragt würde. …

Verdammt, die gute Frau ist noch besser als der Leitfaden. Wir hatten auch die eine oder andere bescheuerte Ausrede, warum wir nicht zu Lehrveranstaltungen oder Prüfungen erschienen, doch das ist natürlich unschlagbar.

Machen Sie sich selbst Ihre Gedanken. Ich verstehe jetzt auf jeden Fall den eindrücklichen Hinweis im Online-PDF:  „In der Aufforderung »alle lesen bitte diesen Text zum nächsten Mal« ist beispielsweise vorausgesetzt, dass »alle« lesen können“.

Es ist so ein Ding mit dem Verstehen

Verstehen ist schwer wie es in meinem Eingangszitat heißt, denn höchstes Ziel der Sprache als Verständigungsmittel ist es, einen anderen genau das verstehen zu lassen was der, der da schreibt oder redet, meint. Hierfür muss m@n 🙂 – für eine Universität eine enorme Anforderung – immerhin erst einmal Lesen können. Vom Zuhören, Verstehen und der Fähigkeit, das eine von dem anderen unterscheiden zu können, ganz zu Schweigen.

Ich für meine Person möchte niemanden diskriminieren. Ich liebe jedermanns Freiheitsrechte und insbesondere das Recht auf Selbstbestimmung.

Doch ich musste mir bei der Lektüre dieser gequirlten Sch*** (mein verstorbener Vater verzeihe mir) neben dem nicht enden wollenden Kopfschütteln, doch immer wieder reflexartig zwischen die Beine greifen.

In diesem Sinne verabschiede ich mich heute, „auf gut deutsch gesagt”, mit den Zeilen von Erich Fried:

Das Wort ist mein Schwert
und das Wort beschwert mich

Das Wort ist mein Schild
und das Wort schilt mich

Das Wort ist fest
und das Wort ist lose

Das Wort ist mein Fest
und das Wort ist mein Los

Ihr

Ulrich B Wagner

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Über Ulrich B Wagner:

Ulrich B Wagner
(Foto: © Ulrich B. Wagner)

Ulrich B Wagner (Jahrgang 1967) ist Diplom-Soziologe, Psychologe, Schriftsteller und Kolumnist. Sein Studium der Soziologie, Psychologie & Rechtswissenschaften absolvierte er an der Johann Wolfgang von Goethe Universität, Frankfurt am Main. Zusammen mit Professor Karl-Otto Hondrich arbeitete er am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an einer Reihe von Forschungsprojekten zum Thema  „Sozialer und kultureller Wandel“.

Ulrich B Wagner ist Dozent an der european school of design in Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt  Kommunikationstheorie, Werbe- und Konsumentenpsychologie, sowie Soziologie und kultureller Wandel und arbeitet als Berater sowie systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikation und Konzeptentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Mail ulrich@ulrichbwagner.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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