Verbraucherschutzminister Johannes Remmel hat der Abzocke bei Finanzdienstleistungen den Kampf angesagt. „Verbraucherinnen und Verbraucher werden weiterhin nicht ausreichend beraten“, kritisiert der Minister. 11.150 Mal haben sich Menschen im vergangenen Jahr hilfesuchend an die Verbraucherzentrale NRW gewandt, zum Beispiel wegen überteuerter Kredite, zu langer Laufzeiten von Versicherungen oder Finanzdienstleistungen, die gar nicht gewünscht waren. Minister Remmel informiert sich auf der Verbraucherschutztour 2012 bei der Verbraucherzentrale NRW über unlautere Beratung bei der Altersvorsorge, über Riesterrenten, Dispo-Kredite und Angebote auf dem grauen Kapitalmarkt. Remmel: „Bei den Finanzdienstleistern gibt es weiterhin große Probleme mit Beratung. Im Vordergrund stehen oft nicht die Kundinnen und Kunden, sondern wirtschaftliche Anreize wie Provisionen oder Abschluss-Gebühren. Dieses System müssen wir beenden.“ Wolfgang Schuldzinski, Bereichsleiter Markt und Recht der Verbraucherzentrale NRW, ergänzt: „Unsere Beratungsteams erleben täglich, wie Verbraucherinnen und Verbraucher über den Tisch gezogen worden sind. Ratsuchende müssen wirksamer vor den negativen wirtschaftlichen Folgen von Falschberatung und Fehlabschlüssen bei ihrer persönlichen Finanzplanung bewahrt werden.“
In der Bonner Beratungsstelle der Verbraucherzentrale NRW informierte sich Minister Remmel über einen Fall aus dem sogenannten „Grauen Kapitalmarkt“. Ein Verbraucher hat sich an die Verbraucherzentrale NRW gewandt, weil er bei einer riskanten Geldanlage um einen hohen Geldbetrag und um seine Altersvorsorge gebracht wurde. Nach der Beratung durch einen ehemaligen Arbeitskollegen kündigte der 60-Jährige seine Lebensversicherung, um das Geld bei einem Unternehmen anzulegen. Dieses beteiligte sich mit dem eingesammelten Kapital wiederum an anderen Unternehmen. Rund 30.000 Euro investierte der Verbraucher, dazu kamen monatliche Zahlungen von 90 Euro. Dafür erhielt er so genannte Genussrechte. Der Inhaber von Genussrechten wird am Gewinn eines Unternehmen beteiligt, ohne allerdings ein Stimmrecht zu erhalten. Die Anlageform gilt als riskant, weil bei einer Insolvenz erst alle anderen Gläubiger bedient werden. Damit droht ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals – möglich ist das auch in dem Fall, der Minister Remmel geschildert wurde. „Genussrechte sind wegen der Risiken nicht als Altersvorsorge geeignet. Zudem wurde der Verbraucher nicht über die Risiken aufgeklärt. Die Anlageform hätte diesem Verbraucher so nicht empfohlen werden dürfen“, kritisierte Remmel. „Das war keine bedarfgerechte Beratung, sondern reiner Verkauf.“ Bedarfsgerecht wäre die Fortsetzung des Versicherungsvertrages gewesen, zusätzlich der Abschluss beispielsweise eines Sparplanes.
Verbraucherschutzminister Johannes Remmel fordert strengere gesetzliche Vorgaben für Beraterinnen und Berater. „Der Schlüssel für eine bessere Finanzberatung ist die Eindämmung der provisionsorientierten Beratung. Bundesministerin Aigner hat zwar angekündigt, ein gesetzliches Berufsbild für die unabhängige Beratung zu schaffen. Es fehlen aber nach wie vor klare gesetzliche Spielregeln.“ NRW hat sich im Bundesrat für eine Verschärfung der Regelungen in der geplanten Finanzanlagenvermittlerverordnung eingesetzt und gefordert, dass erhaltene Provisionen umfassend offen gelegt werden müssen. „Wir brauchen Transparenz bei den Provisionen, dann können die Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen, warum ihnen welche Produkte angeboten werden.“
Darüber hinaus hat Remmel erneut einen Antrag in den Bundesrat eingebracht und im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Stärkung der Deutschen Finanzaufsicht gefordert, dass die freie Finanzvermittler und Anlagenberater auch einer Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen unterstellt werden. Das Beispiel des Bonner Verbrauchers zeige deutlich, dass eine Beaufsichtigung dieser Anlagenvermittler nur nach dem Gewerberecht nicht ausreichend sei.
Neben neuen Spielregeln für die Finanzberatung setzt sich Minister Remmel für eine Stärkung der unabhängigen Beratung durch die Verbraucherzentralen ein. „Die Beratungsstellen der Verbraucherzentrale NRW sind für mich Garant für eine wirklich unabhängige Beratung in Finanzfragen. Deshalb haben wir im Jahr 2011 in Nordrhein-Westfalen die institutionelle Förderung der Verbraucherzentrale um eine Millionen Euro erhöht“, so Remmel. Private Vermögensbildung benötigt neben einer stärkeren Finanzaufsicht ein dichtes Netz anbieterunabhängiger Finanzberatung, damit sich Verbraucherinnen und Verbraucher im Vorfeld von Entscheidungen ein besseres Bild von der individuell richtigen Strategie zur Vermögensbildung und privaten Altersvorsorge machen zu können. „Wir begrüßen, dass das Landesverbraucherministerium hierbei ebenfalls dringenden Handlungsbedarf sieht und unseren Ausbau an neutralen Honorarberatungen unterstützt“, so Schuldzinski.
Minister Remmel fordert eine bessere Finanzausstattung der Verbraucherberatung: „Um dauerhaft eine starke und unabhängige Verbraucherberatung zu garantieren, müssen wir die Wirtschaft an der Finanzierung beteiligen.“ Ein Rechtsgutachten im Auftrag des NRW-Verbraucherschutzministeriums zeigt, dass Bußgelder, die das Bundeskartellamt verhängt, auch in die Verbraucherberatung fließen können. Würde man 20 Prozent von den jährlich schätzungsweise 200 Millionen Euro Bußgelder abschöpfen, könnten 40 Millionen Euro zur Unterstützung der Verbraucherarbeit an Verbraucherorganisationen fließen.