Ökostrom und Vergleichsportale: Der Strom- und Gasvertrieb im Wandel

Unabhängige Stromanbieter drängen unvermindert in den wachsenden Wechselmarkt – Discountanbieter sind gezwungen ihr Geschäftsmodell zu verändern – Ökostrom etabliert sich weiter als Massenmarkt – Discounter sind auch bei Gas auf dem Vormarsch – Ökogas bleibt vorerst noch Nische

Unabhängige Discount- und Ökoanbieter im deutschen Strom- und Gasmarkt für Haushaltskunden befinden sich am Scheideweg: Reine Ökostromanbieter erweisen sich zunehmend als Gewinner der Strommarktliberalisierung. Billigstromanbieter hingegen kämpfen mit ihrem riskanten Geschäftsmodell und sind dabei ihre Strategie zu ändern – oft zu Lasten der Kundenzufriedenheit. Dies geht aus einer aktuellen Analyse der Unternehmensberatung A.T. Kearney hervor, die in einer unabhängigen Studie jährlich den deutschen Strommarkt und seit 2012 auch den deutschen Gasmarkt für Haushaltskunden untersucht.

Unabhängige Anbieter weiter auf dem Vormarsch

Der Strommarkt für Haushaltskunden zeigt weiterhin ein starkes Wachstumspotenzial. Die Anzahl der Wechselkunden wird bis zum Jahr 2016 von 7 Mio. (Stand 2011) auf voraussichtlich 12 Mio. ansteigen. Dies entspricht einem Zuwachs der Wechselquote von 18% auf 30% des Gesamtmarktes. Auch im Gasmarkt für Haushaltskunden zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab. Von 1,2 Mio. gewechselten Gaskunden (2011) wird die Anzahl der Wechselkunden bis 2016 auf 2,2 Mio. ansteigen, was einem Zuwachs der Wechselquote von 9% auf 16% des Gesamtmarktes entspricht. Aufgrund dieses Trends drängen unabhängige Anbieter unvermindert stark in diesen vielversprechenden Markt und machen den etablierten Energieversorgern Konkurrenz. Die Anzahl der unabhängigen Stromanbieter hat sich von 25 im Jahr 2009 auf 50 bis Ende 2011 verdoppelt. Im Gasmarkt hat sich die Anzahl unabhängiger Anbieter von 20 (2009) auf 55 (Ende 2011) sogar nahezu verdreifacht. „Im deutschen Strom- und Gasmarkt gibt es mehr Anbieter als je zuvor“ stellt Hanjo Arms, Partner bei A.T. Kearney und Autor der Studie, fest. „Zudem wächst die Anzahl der Zweitmarken sowie der Tarife und Angebote überproportional“. Im Jahr 2011 sind insgesamt 470 neue Strom- und 405 neue Gastarife in Deutschland hinzugekommen.

Discounter verändern ihr Geschäftsmodell – zu spät?

Discountanbieter erfreuen sich zwar bei Wechselkunden großer Beliebtheit, doch ihr Geschäftsmodell bereitet ihnen zunehmend Schwierigkeiten. „Viele Billigstromanbieter machen im ersten Vertragsjahr zunächst keinen Gewinn, bitten den Kunden aber in den Folgejahren kräftig zur Kasse“, sagt Andreas Stender, Principal bei A.T. Kearney und Co-Autor der Studie. „Strukturell kann dieses Modell für die Unternehmen durchaus erfolgreich sein, da sie auf die Trägheit der Kunden beim Tarifwechsel setzen. Nachhaltige Kundenzufriedenheit werden sie damit aber wohl nicht erzielen.“ Eine Analyse der Endkundenpreise zeigt das deutlich: Etwa 70% des Endkundenpreises bei Strom und 60% bei Gas setzen sich aus Steuern und Abgaben sowie Netzentgelten zusammen und sind daher nicht durch die Strom- bzw. Gasvertriebe beeinflussbar. „Wenn dann hohe einmalige Boni an Neukunden ausgezahlt werden, ist die Rohmarge vor internen Kosten für diese Kunden im ersten Jahr deutlich negativ“ ergänzt Arms. Um das Problem einer deutlich negativen Marge zu Beginn des Kundenlebenszyklus zu lösen, entwickeln Discounter ihr Geschäftsmodell momentan erkennbar weiter. Es zeigt sich eine Abkehr von cash-orientierten Vorkassetarifen hin zur Kundenwert- bzw. Ergebnissteigerung. Durch konsequente Umsetzung von Maßnahmen wie z.B. schnelle Preiserhöhungen, Einbehalten des Bonus oder Paketpreise können Billiganbieter durchaus profitabel werden. Allerdings machen diese Beispiele auch deutlich, dass die „Kundenwert“-steigerung aus Sicht der Unternehmen klar zu Lasten der Kundenzufriedenheit geschieht. Außerdem stellt sich die Frage, ob einige Unternehmen die Kundewertsteigerung zu spät und in zu geringem Ausmaß erreichen werden.

Ökostrom etabliert sich weiter als Massenmarkt

Das Modell „Ökostrom“ hingegen kristallisiert sich zunehmend als Gewinnermodell heraus. Reine Ökoanbieter sind in der Regel sowohl im Bereich Strom als auch bei Gas vom ersten Kundenjahr an profitabel und benötigen so auch kaum Maßnahmen zur Kundenwertsteigerung. Eine Analyse zeigt für Strom zum Beispiel eine Rohmarge von 90-120€ pro Jahr und von 160-200€ für den Bereich Gas. Ökogas befindet sich allerdings im Vergleich zu Ökostrom noch in einer früheren Entwicklungsstufe, und bleibt vorerst ein Nischensegment. Bei Strom stammen 36% der angebotenen Tarife aus dem Ökosegment, so dass man hier bereits von einem etablierten Massenmarkt sprechen kann.

Vergleichsportale spielen Schlüsselrolle für Discounter, nehmen aber an Bedeutung ab

Bereits 80% der Haushaltskunden informieren sich über ein Vergleichsportal und nahezu 50% führen einen Anbieterwechsel online aus. Die Portale bieten strukturelle Vorteile vor allem für Discountanbieter, die mit einer Mehrmarkenstrategie oft gleich mehrere vordere Plätze belegen. Eine erste Bewegung in Richtung Verbraucherschutz ist zwar sichtbar, hat sich aber noch nicht umfassend durchgesetzt. Die Portale beeinflussen nach wie vor stark die Marktpreise und sind einer der wichtigsten Vertriebskanäle für Discounter. Eine zunehmende Anzahl von Portalen macht aber auch hier das Wettbewerbsumfeld schwieriger. Dies gilt sowohl für Strom- als auch Gas.

Hier finden Sie eine ausführliche Zusammenfassung dieser Studie.

(AT Kearney 2012)

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