Quergedacht & quergewortet: Wider die Gutmenschen …

… aus der neuen, wöchentlichen Kolumne von Ulrich B. Wagner „QUERGEDACHT & QUERGEWORTET  – Das Wort zum Freitag“. Heute Über ein Leben als heterosexueller, nicht veganer Weißer in einer Welt voller Gutmenschen … Oder der Versuch nicht den Verstand zu verlieren angesichts des moralinen Fundamentalismus unserer Lebenswelt.

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Gutmenschen sind ein Fluch. Auch sie tun gute Taten. Aber sie tun es auf eine Weise,
die ihre Mitwelt manchmal schier um den Verstand bringt.
Oscar Wilde

Es gibt nur eine Sache die größer ist als die Liebe zur Freiheit:
Der Hass auf die Person, die sie dir wegnimmt.
Che Guevara

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Ja, (auch wenn ihr glaubt ich habe den Verstand verloren) ich fühle mich verfolgt!!!

Ich glaube es war der gute alte Schopenhauer, der einmal zum besten gab, dass viele nur deshalb nicht den Verstand verlieren, weil sie keinen haben.

Doch von vorne: Wie soll man allen Ernstes nicht nur die Contenance, sondern auch seinen letzten Verstand verlieren, angesichts dieser Fundamentalisten und verlogenen Gutmenschen, die quer durch alle Bereiche unserer alltäglichen Lebenswelt das Ruder an sich gerissen haben und nunmehr moraline Kreuzzüge gegen all die führen, die Vielfalt statt Monotonie, Differenz statt Gleichschaltung, Selbstbestimmung statt Bevormundung und echte Toleranz statt zwanghaften, verlogenen Gutmenschentum auf ihre Fahnen geschrieben haben?


Doch der Reihe nach. An einem schönen sonnigen Tag dieser Woche stehe ich mit meinem 8-jährigen Bub, nach gefühltem stundenlangen Schlange stehen, an der Theke des legendären Wurststands der noch legendäreren Frau Schreiber in der Frankfurter Kleinmarkthalle.
Voller Stolz über das endliche Erringen dieser ach so wundervollen Köstlichkeit stehen wir nun mit unserer Fleischwurst da, führen sie in unsere durch die Vorfreude bis zu den Ohren geöffneten Münder, als eine wild gewordene Horde Buggy schiebender Gutfrauen uns mit Sonnenblumenkernen bewerfend als Mörder, Tierquäler und blöde Unmenschen beschimpft.
Sei’s drum nach einem kurzen Abwischen der am Senf haftenden Sonnenblumenkerne hat sie dann doch geschmeckt und meinen Kleinen, frisch gestärkt, zur fast revolutionären Tat verleitet, mit dem Rest seines übrig gebliebenen Ketchups die Worte „Jetzt erst Recht“ auf die Wand zu pinseln. Eine Tat, die Frau Schreiber instinktiv dazu verleitete den „kleine Revoluzzer“ angesichts solcher Zivilcourage und Freiheitsliebe umgehend mit einem großen Stück Krakauer zu belohnen.

Scherz beiseite. Auch wir essen nicht jeden Tag Wurst oder Fleisch. Auch wir besitzen Verstand (wenn uns nicht gerade wieder einmal geraubt wurde) und haben im Rahmen der humanistischen Schulbildung an einem katholischen Gymnasium etwas über fleischfreie Tage, gesunde Ernährung und Fastenrituale gelernt auch wenn wir mittlerweile dem Verein nicht mehr angehören (doch das steht auf einem anderen Blatt).


Allen Ernstes müssen wir uns von Vegetariern, Veganern und allen anderen Gutmenschen wirklich missionieren lassen?

Muss in einem liberalen, fortschrittlichen und demokratischen Land wirklich alles zwanghaft verordnet werden?

Ich bewerfe keine Vegetarier, Veganer & Co. mit Wurstscheiben oder Rumpsteaks. Geschweige denn erdreiste ich mich dazu mit anderen Menschen zwanghafte Lehrveranstaltungen über Ernährung abzuhalten. Ich zwinge Euch ja auch nicht zum „Leberkäs-Tag“. Den zwanghaft „verordneten Veggie-Tag“ könnt ihr Euch daher in Euren Allerwertesten stecken.

Ich für meine Person bin noch nicht entmündigt und werde es auch nicht zu lassen.

Wie oben bereits betont, liebe ich all die Unterschiede zwischen uns, die Vielfalt in unserer Lebensführung, die Selbstbestimmung und Mündigkeit jedes Einzelnen, die Freiheit und Toleranz.

Spätestens dann jedoch, wenn im deutschen Herrenfussball die Schwulenquote festgeschrieben wird, mein geliebtes Buch von Astrid Lindgren über die kleine wilde Negerprinzessin Pipi Langstrumpf und ihrem verwegenen Vater dem König von Taka Tuka Land auf dem Index steht, ich keinen Mohrenkopf und auch kein Zigeunerschnitzel mehr essen darf, werde ich kämpfen!

Denn wie Che Guevara es ausdrückte : Um für etwas zu kämpfen muss man es sehr lieben . Um etwas sehr zu lieben, muss man bis zur Verrücktheit daran glauben.

Ich achte, schätze und toleriere die Andersartigkeit unter uns Menschen. Doch nichts destotrotz liebe ich meine Freiheit und Selbstbestimmung.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen mehr Mut zum Widerstand in einer Welt des verlogenen Gutmenschentums.

Herzlichst
Ihr
Ulrich B Wagner

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Über Ulrich B. Wagner:

Ulrich Wagner
QUERGEDACHT & QUERGEWORTET – Das Wort zum Freitag (Foto: © Ulrich B. Wagner)

Ulrich B. Wagner (Jahrgang 1967) ist Diplom-Soziologe, Psychologe, Schriftsteller und Kolumnist. Sein Studium der Soziologie, Psychologie & Rechtswissenschaften absolvierte er an der Johann Wolfgang von Goethe Universität, Frankfurt am Main. Zusammen mit Professor Karl-Otto Hondrich arbeitete er am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an einer Reihe von Forschungsprojekten zum Thema „Sozialer und kultureller Wandel“.

Ulrich B. Wagner ist Dozent an der european school of design in Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt Kommunikationstheorie, Werbe- und Konsumentenpsychologie, sowie Soziologie und kultureller Wandel und arbeitet als Berater sowie systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikation und Konzeptentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Mail ulrich@ulrichbwagner.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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