Laut Informationen des „Handelsblatts“ will die Schweiz das umstrittene bilaterale Steuerabkommen mit Deutschland retten und hat hierfür höhere Nachversteuerungssätze angeboten. Bislang sind je nach der Kategorie der Kapitaleinkünfte Nachversteuerungssätze von 19 bis 34% vorgesehen, dadurch gehen die Steuerhinterzieher dann automatisch straffrei aus. Nach geltendem Recht war hierfür bislang eine Selbstanzeige und die Rückholung des Schwarzgeldes nach Deutschland nötig. Die Nachversteuerungssätze sollen nun laut der Schweiz auf 21 bis 41% angehoben werden. Damit sollen die Bedenken der SPD-geführten Bundesländer beseitigt werden, die die Zustimmung des Bundesrates zu dem Abkommen verhindern können. Zusätzlich zu der Nachversteuerung ist dann eine Abgeltungssteuer vorgesehen. Die schwarz-gelbe Koalition hat hier 26,4% ausgehandelt – und damit nicht nur die Opposition sondern sogar Brüssel erzürnt. Der Grund: Es sei unverständlich, heißt es nicht nur aus Brüssel, wieso Deutschland eine Abgeltungssteuer von 26,4% ausgehandelt habe, während der Quellensteuersatz im bestehenden Zinsbesteuerungsabkommen zwischen der EU und der Schweiz 35% betrage. Das gleiche Entgegenkommen bietet schwarz-gelb auch den Steuerhinterziehern bei der Nachversteuerung an. Im bilateralen Steuerabkommen Großbritanniens mit der Schweiz liegen die Sätze je nach Kategorie der Kapitaleinkünfte deutlich höher, bei 27-48%. Auch die ungerechtfertigte „Amnestie für Steuerhinterzieher durch die Hintertür“ wurde bereits von deutschen Steuerfahndern massiv kritisiert: In dem Steuer-Abkommen zwischen der EU und der Schweiz entspricht die Quellensteuer einer Vorauszahlung. In den bilateralen Abkommen hingegen ist die Abgeltungssteuer definitiv, so dass ein Steuerhinterzieher nach Erhebung der Steuer nicht mehr verfolgt werden kann und somit seiner gerechten Strafe entgehen würde. In der Schweiz lagern schätzungsweise rund 130 bis 180 Milliarden Euro an unversteuerten deutschen Schwarzgeldern.
Mit den bilateralen Abgeltungssteuer-Abkommen soll aus Schweizer Perspektive das Bankengeheimnis des Landes gerettet und offenbar die Einführung des automatischen Informationsaustausches verhindert werden, auf das die EU-Kommission schon seit einigen Jahren hinarbeitet. Berlin hat sich durch sein antizipiertes bilaterales Abkommen also sowohl aus der europäischen sowie aus der haushaltsdiziplinären Perspektive sowie auch in Bezug auf die heimische Steuergerechtigkeit mehrfach kontraproduktiv erwiesen. Zudem hat Brüssel Anfang März 2012 kritisiert, dass Berlin und London zu Unrecht die Verträge geschlossen hätten, da es sich um Bereiche handle, die exklusives EU-Recht betreffen. Beide Staaten haben daraufhin ziemlich wortkarg eingelenkt und zugesagt, die Abkommen mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen. „Dies bedeutet, dass Teile des Abkommens entfernt werden, die sich mit der EU-Richtlinie zur Zinsbesteuerung und dem Zinsbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und der EU überlappen – zum Beispiel Bestimmungen zur Abgeltungssteuer oder im Zusammenhang mit der Förderung des Bankgeheimnisses“, so Emer Traynor, die Sprecherin des EU-Steuerkommissars Algirdas Semeta.
(mb)