Susanne Latour: „Wie taufe ich richtig?“ – Teil 8: Starke Markennamen: Ruhig mal aus der Rolle fallen

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Susanne Latour
Seit über 20 Jahren spezialisiert auf die Entwicklung von Markennamen (© Bild: Susanne Latour).

… aus der wöchentlichen Themenserie „Wie taufe ich richtig?“ Durch den passenden Namen mein Unternehmen zur erfolgreichen Marke machen der Autorin und Spezialistin für Markennamen Susanne Latour. Heute: „Starke Markennamen: Ruhig mal aus der Rolle fallen“.

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Ein neuer Wirkstoff konnte patentiert und zugelassen werden, aber wie soll das Produkt nun heißen? Pflanzenschutzmittel tragen dazu bei, die Ernteerträge zu erhöhen, indem sie die Pflanzen vor Schädlingen schützen: Herbizide (gegen Unkraut), Insektizide (gegen Insekten, Fungizide (gegen Pilze). Die Hautpanbieter in Deutschland sind BASF, Bayer Cropscience und der Schweizer Konzern Syngenta.

Jedes Produkt basiert auf einem chemischen Wirkstoff, der vom Entwickler 20 Jahre als Patent geschützt werden kann. Danach bleibt nur noch der Markenname, um das Produkt von denen der Wettbewerber zu unterscheiden. Dafür ist der Markenname wesentlich. So wichtig, dass eine Naming Expertin zu Rate gezogen wird. Was soll der Name denn aussagen? Das Markenrecht untersagt beschreibende Namen. Frei erfundene Namen benötigen einen hohen Aufwand an Kommunikation, um mit dem Produkt in Verbindung gebracht zu werden. Assoziative Namen erweisen sich für Pflanzenschutzmittel als die beste Lösung, insbesondere wenn sie die Positionierung des Produktes verdeutlichen. Viele Namen von Pflanzenschutzmitteln weisen auf die Komposition oder Indikation hin, was sie leicht austauschbar macht. Bei Bayer sagten die Namen der Insektizide CONFIDOR® Vertrauen und BELT® Schutz. Bei BASF geben die Produktnamen von Edelsteinen wie JUWEL®, DIAMANT®, RUBIN® nur einen Hinweis auf die Qualität des Produktes, aber mehr vermitteln solche Namen nicht.

Bei der Entwicklungen eines neuen Markennamens für ein Insektizid von Bayer Cropscience war die Herausforderungen, dass der neue Name dem Anwender verdeutlicht, wie das Produkt wirkt. Bayer strebte für eines seiner stärksten Produkte einen starken Namen an, der sich von allen anderen unterscheidet und neue Wege öffnet.

Kreative Assoziationen eröffnen neue Wege

Bayer CropScience wollte ausgetretene Pfade verlassen und ließ sich deshalb von einem Naming Coach helfen. Sie unterstützte das Team, das mit Produktmanagern aus acht Ländern multikulturell sowie polyglott zusammengesetzt war. Man traf sich zu einem zweitägigen Workshop in einem originellen Umfeld, um kreative Assoziationen rund um das neue Pflanzenschutzmittel zu finden. Der Workshop bietet geschützten Raum und Zeit: Alle Ideen bleiben hier und jetzt – vertraulich. Das Team wird durch alle fünf Sinne stimuliert, um Gedanken sprudeln zu lassen. Alle Vorschläge in diesem Prozess sind wertvoll.

Nach einer Aufwärmphase schilderte die Moderatorin in einer Fantasiereise die Geschichte von Alice. Gut aussehend, intelligent, gesund und voller Energie absolviert sie nach ihrer Schulzeit ein naturwissenschaftliches Studium. Sie engagiert sich in zahlreichen studentischen Sportteams, betreibt Leichtathletik, Paragliding, Surfen. Gemeinsam mit ihrer Freundin startet sie nach einer anstrengenden Trainingsphase beim New York Marathon. Zur Belohnung erhalten beide eine Einladung in das beste Spa der Stadt. Dort wird Alice von Adam massiert, entspannt sich, verliebt sich und engagiert ihn als ihren persönlichen Fitnesstrainer. Sieben Monate später heiraten sie.

Das für diesen Zweck speziell entwickelte Szenario enthält wesentliche Aspekte des neuen Mittels, wie „Ausdauer“, „fließend, schwebend“ oder „Schutz“. Sie werden während der Fantasiereise in einen gänzlich anderen Zusammenhang gestellt, wodurch der Weg zu neuen Assoziationen frei wird. Solch ein Workshop ist nicht nur für die Namensfindung eine wertvolle Hilfe. Für die beteiligten Produktmanager kann ein solches Event auch zum Kick-off für das neue Präparat werden. Denn die kreative Pause im Alltagsgeschäft, der gemeinsame Spaß sowie das hierarchiefreie Zusammenarbeiten in einem kosmopolitischen Team ist eine mitreißende Erfahrung, die begeisternd wirkt.


Kick-off für den Produkt-Launch

Auf der Basis dieses Inputs folgte die Sammlung vieler möglicher Bezeichnungen. Nach vier Stunden, in denen die Ideen nur so sprudelten, ergaben sich fast 1.500 Bezeichnungen, die anhand bestimmter Kriterien in einer weiteren Runde selektiert wurden. Das Ergebnis war eine Liste mit 150 Kandidaten, die anschließend juristisch und international überprüft wurden.

Aus den verbleibenden Top-Namen entschied sich das Bayer-Team schließlich für MOVENTO®. Die Bezeichnung wurde als sehr passend bewertet, weil das Produkt von der Spitze bis zur Wurzel der Pflanze fließt und MOVENTO® diese Bewegung in allen relevanten Sprachen ausdrückt. Gleichzeitig ist es ein Name, der aus der Rolle fällt: Jenseits von Anwendungsgebiet oder Wirkstoff erzeugt MOVENTO® Assoziationen zur Wirkungsweise des Pflanzenschutz-mittels und ist somit einprägsam und merkfähig. Das Projekt-Team steht hinter dem Namen, den es schließlich selbst gefunden hat.

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Über Susanne Latour:

(© Bild: Susanne Latour)
(© Bild: Susanne Latour)

Susanne Latour – Eine Kosmopolitin im Namensgeschäft. Das Thema Markennamen kennt Susanne Latour wie kaum jemand: Seit über zwei Jahrzehnten betreut sie Namensprojekte auf nationaler und internationaler Ebene. Nach zwei Jahren Tätigkeit für die europäischen Namensagentur Nomen International S.A. in Paris gründete sie 1989 im Alter von 26 Jahren deren deutsche Tochterfirma, die Nomen International Deutschland GmbH. 2002 führte sie die bis dahin noch unbekannte Dienstleistung name coaching im internationalen Markt ein. Susanne Latour ist Verfasserin zahlreicher Fachartikel sowie Autorin von „Namen machen Marken“, dem 1996 im Campus Verlag erschienenen Fachbuch zur Entwicklung von Firmen- und Produktnamen. Mehr über Susanne Latour erfahren Sie auf www.anonyma.biz.

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