Verantwortung im BGM – Interview mit Prof. Dr. Bernhard Badura

In unserem Interview zum Life Balance Day 2016 klärt Prof. Dr. Bernhard Badura über die verschiedenen Problematiken auf, die immer noch rund um die Thematik Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) existieren. Dabei spielt vor allem die Frage nach der Verantwortung eine tragende Rolle.

Inhaltsverzeichnis

Herr Prof. Dr. Badura, das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) bewegt die Unternehmen seit vielen Jahren. Wo stehen wir beziehungsweise die Unternehmen im Bereich BGM in Deutschland?

Es gibt zwischen den Unternehmen deutliche Unterschiede. Auf der einen Seite gibt es Unternehmen, die das schon seit Jahren erfolgreich betreiben, während auf der anderen Seite einige Unternehmen immer noch zögern oder sogar völlig untätig bleiben. Wir erleben jedoch, dass der Fokus in diesem Bereich immer noch überwiegend auf dem Verhalten der Mitarbeiter ruht. Es muss zukünftig mehr um die Frage gehen, inwiefern die Mitarbeitergesundheit durch die Unternehmensbedingungen beeinflusst wird. Im Endeffekt tragen beide Parteien die Verantwortung – also Arbeitgeber und Arbeitnehmer – und nicht nur eine Seite.

Warum tun sich Unternehmen mit der Einführung und der erfolgreichen Gestaltung von BGM so schwer?

Das Problem beginnt, wenn es nicht mehr nur darum geht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rückenkurse, Massagen oder Fitnesstraining angeboten bekommen, sondern auch die Strukturen und die Prozesse in den Unternehmen verändert werden, die direkt oder indirekt auf die Mitarbeitergesundheit Einfluss nehmen. Kurzum haben Führungskräfte immer noch häufig die Problematik, dass sie die eigene Verantwortlichkeit für ihre Mitarbeiter nicht richtig erkennen und wahrnehmen.

In vielen Unternehmen liegt die Beteiligungsquote der Mitarbeiter nach wie vor unter den Erwartungen und Zielen? Wo muss hier angesetzt werden, um die Mitarbeiter stärker zu mobilisieren?

Das hat einen ganz einfachen Grund. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen tagtäglich wahr, wie sich ihre Gesundheit im Rahmen ihres Arbeitsplatzes entwickelt. Wenn dann die Unternehmensführung Maßnahmen ankündigt und diese mit der reinen Eigenverantwortung der Mitarbeiter für ihre Gesundheit begründet wird, dann darf man sich nicht wundern, wenn diese sagen, das interessiert mich aber nicht.

Oft wird gesagt, dass es an der Unternehmensführung beziehungsweise den Führungskräften liegt. Sehen Sie dies auch so? Und wenn ja, was sollte sich hier ändern?

Natürlich, wenn man Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen motivieren will, dann muss man sich zunächst fragen, was die Mitarbeitermotivation (mit)bestimmt. Unsere Forschungen haben dahingehend ein klares Ergebnis hervorgebracht. Entscheidend für die Motivation und Produktivität der Mitarbeiter ist ihre emotionale Bindung an ihr Unternehmen. Wenn diese nicht da ist oder auch nie richtig geschaffen wurde, dann darf man sich nicht wundern, wenn diese Dienst nach Vorschrift machen und alle Angebote der Unternehmensführung als verkappte Betriebseffizienzmaßnahmen wahrnehmen.

Welche Trends sehen Sie für die kommenden Jahre im Bereich BGM?

Zunächst muss man sich fragen, warum Menschen überhaupt arbeiten. Sie arbeiten, weil sie es als sinnstiftend wahrnehmen und Arbeit ihr Leben strukturiert. Nun ist es so, dass die Menschen älter werden, die Globalisierung und die Digitalisierung erzeugen Ängste, die auch von den Medien mitgetragen werden. Zudem hat die Finanzkrise grundlegend das Vertrauen in die Wirtschaft in Frage gestellt. Die Eliten werden als abgehoben erlebt, die nur noch unter einander kommunizieren und nicht mehr mit ihren Mitarbeitern. All diese Dinge führen zu dem gestiegenen Protestwählerpotential und einer Abkehr von der klassischen Parteienbindung, weil man sich darin nicht mehr vertreten fühlt.

Sie gehen also von einer steigenden Misstrauenskultur in der Unternehmenslandschaft in den nächsten Jahren aus?

Ja vor allem, wenn man nicht dagegen hält und vertrauensbildende Maßnahmen entwickelt, wenn man nicht die eigene Kultur fördert oder die Mitarbeiter ausreichend beteiligt. Gerade auch die Erwartung an die Mitverantwortung der Mitarbeiter in den Unternehmen wird unglaubwürdig, wenn nicht die richtigen Handlungsspielräume eingeräumt werden. Es muss sich hier einiges in den Unternehmen ändern, maßgeblich in den Strukturen und -prozessen sowie bei der Unternehmenskultur und der aktiven Kommunikation.

Herr Prof. Dr. Badura, man sieht sehr gut, dass Unternehmen doch noch einiges im Bereich BGM beziehungsweise Mitarbeitergesundheit zu tun haben, um es wirklich erfolgreich zu gestalten. Wir dürfen gespannt sein, wie Unternehmen das Thema Verantwortung zukünftig für sich definieren und leben.

Prof. Dr. Bernhard Badura, BGM, BGF, Mitarbeitergesundheit
© Prof. Dr. Bernhard Badura

Das Interview führte Oliver Foitzik, Herausgeber des Wirtschafts- und Mittelstandsmagazins AGITANO sowie Geschäftsführer der FOMACO GmbH.

 

Über Prof. Dr. Bernhard Badura

Professor Dr. Bernhard Badura ist emeritierter Professor der von ihm mitbegründeten Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Er hat an zahlreichen Universitäten geforscht und gelehrt, u. a. an der Universität Konstanz, der Harvard University, den Universitäten Graz und Zürich. Bevor er zur Universität Bielefeld wechselte, war er Direktor des Instituts für Soziologie der Technischen Universität Berlin. Seine Hauptforschungsgebiete sind Unternehmensdiagnostik und Grundlagen der Kooperation. Er ist Mitgesellschafter von Salubris, einem Beratungsunternehmen zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement.

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