Willkommenskultur – meinen wir das wirklich immer ernst?

Die Notwendigkeit einer Willkommenskultur wird von deutschen Unternehmen immer wieder betont. Aber wie setzt die Wirtschaft hierzulande die Willkommenskultur um? In der Praxis scheitert es oft schon am Zeitverständnis, wenn es darum geht, ausländische Mitarbeiter ins Unternehmen zu integrieren. Die zertifizierte Wirtschaftsmediatorin und Speakerin zu internationalen Führungsthemen Barbara Wietasch zeigt in ihrem heutigen Beitrag zur zweiwöchentlich erscheinenden Themenserie “Global Management: Ein Tanz mit den Eisbergen“ Möglichkeiten auf, wie es Unternehmen gelingt, eine aktive Willkommenskultur zu verwirklichen.

Es ist seltsam, dass die Menschen, die auf dich warten, weitaus weniger deutlich hervorragen als die Menschen, auf die du wartest.

Jean Giraudoux, Kein Krieg um Troja, Akt 1

Investieren im Ausland – Auslandsinvestitionen im Inland

Wenn deutsche Unternehmen expandieren, wird die Zusammenarbeit in den Auslandstöchtern meist nach deutschen Werten, Prozessen und mit deutschen Top-Managern abgewickelt. Die Erfolge sollen sich schnell einstellen und für das Headquarter nachvollziehbar sein. Die Soziologen nennen diese „Verabsolutierung“ einer national geprägten Vorstellung, wie zum Beispiel Geschäfte gemacht werden sollen, „Ethnozentrismus“, was einen Dialog auf Augenhöhe mit den Partnern im ausländischen Umfeld zuverlässig blockiert.

Chinesische Führungskultur in Österreich? Für die meisten undenkbar

Ich selbst habe in einigen deutschen Unternehmen im Ausland gearbeitet und weiß, dass deutsche Mitarbeiter besser eingebunden werden als Locals. Meist wurden wichtige Besprechungen in Deutsch gehalten und Positionen gingen eher an eine „vertraute“ Person. Wenn dies aber ein türkisches Unternehmen in Österreich macht, und mehr und mehr die Schlüsselpositionen mit Türken besetzt oder chinesische Unternehmen in Deutschland eine chinesische Führungskultur leben, schütteln wir verständnislos die Köpfe. Schnell sind wir dabei, unsere Kultur, sei im Leadership, der Unternehmensführung, des Miteinanders, unsere Werte und Unternehmensphilosophie über die der anderen zu stellen und erwarten von ausländischen Unternehmen, dass sie sich in Deutschland möglichst deutsch verhalten. „Wandel durch Handel“ passiert jedoch sehr, sehr langsam und ist in der globalen Geschäftswelt mehr als notwendig.

Angst vor Auslandsinvestitionen

Zudem haben viele verantwortliche Personen in Politik und Wirtschaft Angst vor Auslandsinvestoren. Der Marktzugang ist einfach schwierig, hier wie dort. Die Mitarbeiterführung und das Zusammenführen von internationalen Teams ist in jedem Fall eine große Herausforderung. Wie kann in einem so schwierigen Umfeld eine Willkommenskultur bzw. eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung geschaffen werden?

Wenn Deutschland Vize-Weltmeister im Export bleiben will, muss es die Willkommenskultur stärken. Es muss dabei eine stärkere Präsenz vor Ort gezeigt werden und vor allem ein besseres Verständnis und Akzeptanz der Geschäftspartner und der Mitarbeiter. China hat uns als Weltmeister bereits 2009 abgelöst und ist durch die politische Expansionsstrategie der Regierung mehr und mehr auf dem Vormarsch, auch hier zu investieren und Unternehmen zu führen, meist nach einem chinesischen „Ethnozentrismus“.

Chinesische Willkommenskultur? Profitorientierung statt Mitarbeiterentwicklung

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Willkommenskultur? Eher Dollarzeichen in den Augen und auf der Arbeitskleidung. (Bild: © Barbara Wietasch)

Wie geht es chinesischen Unternehmen im hiesigen Markt? Die Personalsuche wird von deutschen Beratern oft abgelehnt, da die Mitarbeiterführung, die Integration und die Willkommenskultur nicht auf deutsche Mitarbeiter passt. Diese sind „Locals“ und bekommen – wegen der fehlenden Willkommenskultur – ähnlich wie oben angeführt, keine gleichberechtigte Behandlung. Das „Menschenbild“ der chinesischen Führungselite lehnen wir ab. Diese Unternehmen sind maximal 25 Jahre als Privat-Unternehmen tätig. Die Manager haben häufig in Amerika studiert. Es herrscht eine starke „Hire-and-Fire“-Mentalität. Mitarbeiterentwicklung und -bindung stehen nicht im Fokus der chinesischen Willkommenskultur. Profit und Erfolg steht im Mittelpunkt. Verständlich, wenn man die chinesische Geschichte und Entwicklung betrachtet. Ein chinesischer Manager sagte mir bei meinem Besuch in Shanghai: Wenn ich meine Mitarbeiter schule und weiterentwickle, verlangen sie hinterher mehr Geld oder gehen zu Konkurrenz. Das wir auch in den Auslandstöchtern in Deutschland gelebt. Was hier als „Mitarbeiterbindungsinstrument“ zur Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit gesehen wird, steht bei den ausländischen Investoren nicht auf dem Programm. Das schnelle Geld, die Dollar-Zeichen, in den Augen und auf der Arbeitskleidung.

Willkommenskultur in Unternehmen: Ausländer rein!

Generell gilt: Firmen leben Willkommenskultur. Viele streben einen hohen Ausländeranteil an. Wie sieht es mit Integration und Anerkennung aus?

„Ausländer rein!“ lautet die Devise. Der deutsche Industrie- und Handelskammertag schätzt, dass bis 2025 rund 1,5 Millionen zusätzliche Fachkräfte aus dem Ausland gebraucht werden. Schon heute hat jeder zwölfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen ausländischen Pass. Bei den Akademikern der Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Technik und Naturwissenschaften (Stichwort „MINT“) sind es sogar 15 Prozent.

In vielen Unternehmen ist ein hoher Ausländeranteil ausdrücklich erwünscht, etwa bei der SAP AG. „Gemischte Teams erzielen die besseren Ergebnisse“, sagt Finanzchef und Arbeitsdirektor Werner Brand. Allein in Walldorf beschäftigt der Softwarekonzern Fachkräfte aus 80 Ländern. „Der weltweite Wissenstransfer und der interkulturelle Austausch sind Teil unserer Vielfalt“, sagt auch Christoph Kübel, Arbeitsdirektor beim Automobilzulieferer Bosch.

Aller Anfang ist schwer – Wie die Integration im neuen Job dennoch gut klappen kann

Um einen positiven Eindruck der deutschen Willkommenskultur zu vermitteln, schenken sie in den ersten 30 Tagen ihrem neuen Mitarbeiter ganz besondere Aufmerksamkeit und planen sie die Probezeit gewissenhaft. Fangen sie so früh wie möglich mit der gemeinsamen Arbeit an und sorgen sie dafür, dass der erste Arbeitstag für die neue Fach- oder Führungskraft ein Warmstart wird. Geben sie einen „Buddy“, einen Mentor zur Seite, so können Stolpersteine schnell erkannt und umschifft werden.

War es die richtige Entscheidung, den neuen Job überhaupt anzunehmen?

In den ersten Tagen und Wochen prüfen Mitarbeiter ganz genau, ob ihre Entscheidung richtig war,

  • einen neue Herausforderung im Ausland einzugehen,
  • in einer neuen und unbekanntenKultur zu arbeiten,
  • in ein Unternehmen anderer Nationalität zu wechseln.

Hier ein paar Beispiele, was sich neue Kollegen fragen oder von ihren Freunden gefragt werden:

  • Macht die Arbeit Spaß? Sind die Kollegen und der Vorgesetzte nett?
  • Wie ist die Kommunikation? Lernst Du etwas dazu?
  • Ist die Bezahlung für die geforderte Leistung und im Vergleich zu anderen Landsleuten gerecht?
  • Wird Dir vertraut und Verantwortung übertragen? Darfst Du schon entscheiden oder hat der Chef eventuell Entscheidungs- oder Delegationsdefizite?
  • Wie wird mit ausländischen Mitarbeitern umgegangen? Gibt es Paten oder Mentoren? Wird Rücksicht auf andere Kulturen beim Kantinenessen genommen? Wie werden neue, nicht-deutschsprachige Mitarbeiter integriert?

Gesellschaft und Unternehmen müssen Willkommenskultur entwickeln und leben

Hier einige Deckanstöße für gelebte Willkommenskultur und ein erfolgreiches ONBOARDING:

1. Lassen Sie den Mitarbeiter nicht im Regen stehen (oder am Pförtnerhäuschen)

Nehmen Sie sich so viel Zeit wie notwendig, damit der neue Mitarbeiter sehr genau weiß, was von ihm erwartet wird. Reflektieren Sie mit ihm gemeinsam den Arbeitstag. Planen Sie genügend Zeit ein. Vereinbaren Sie einen detaillierten Einarbeitungsplan und ernennen Sie einen fixen Mentor.

2. Intensiver Austausch zu Beginn

Setzen Sie Ziele, abhängig von den fachlichen Kenntnissen des neuen Mitarbeiters. Geben Sie Ihrem Mitarbeiter ausführliches Feedback. Sehen Sie den neuen Mitarbeiter als externen Berater mit einem ungetrübten Blick für mögliche blinde Flecken. Lassen Sie sich Feedback im Vergleich zu seinen bisherigen Arbeitserfahrungen geben.

3. Unausgesprochene Spielregeln – was ist Ihre Unternehmens-Wertewelt

Informieren Sie den neuen Mitarbeiter über die vielen ungeschriebenen Gesetze und Gepflogenheiten des Unternehmens. Machen Sie ihn mit den Tabus, Ritualen und Werten vertraut. Das hilft einem neuen Mitarbeiter enorm, seine eigene Situation in Ihrem Unternehmen im Vergleich zu seinem bisherigen Arbeitgeber einzuschätzen. Der Kulturschock kann somit abgefedert werden. Ganz besonders wichtig ist dies, wenn der Mitarbeiter nicht nur aus einer anderen Unternehmenskultur, sondern auch aus einem anderen fremden Land kommt.

4. Beziehen Sie die Team-Kollegen mit ein

Von Anfang an: Bei der Planung erfahren Sie damit gleichzeitig mögliche Wünsche bezüglich einer anderen Aufgabenverteilung. Wenn der neue Mitarbeiter begonnen hat, erfassen Sie die Stimmung und fragen Sie regelmäßig gezielt nach, so dass Sie Machtspiele und Rollenkonflikte so früh wie möglich erkennen und diesen gegensteuern können.

5. Achten Sie bei der Personalauswahl darauf, ob der neue Mitarbeiter ins Unternehmen passt. Das gilt auch für Personalberater

Bei aller Willkommenskultur sind in der Regel nicht die fachlichen Qualifikationen, sondern die unterschiedlichen Arbeits-, Führungs- und auch Lebensstile die eigentliche Ursache des Scheiterns. Beziehen Sie bei Ihrer Personalentscheidung ein, mit wem es zu möglichen Problemen kommen kann und berücksichtigen Sie diese Vermutungen in der Integrationsphase. Wenn in Ihrer Unternehmenskultur auch ein raues Wort üblich ist, würde der neue Mitarbeiter damit klar kommen?

Eine gelebte Willkommenskultur kann dazu beitragen, …

  • die Eingliederung von Mitarbeitern aus dem In- und Ausland in den Arbeitsprozess zu erleichtern.
  • neue Märkte und Kundengruppen im In- und Ausland zu erschließen.
  • Vorteile beim Wettbewerb um qualifizierte Beschäftigte zu erlangen (Arbeitsgeberimage).
  • Mitarbeiter langfristig ans Unternehmen zu binden.
  • das Betriebsklima und die Arbeitsweise der Beschäftigten positiv zu beeinflussen.

    Barbara Wietasch, Global Management, Führung, Internationalität, Leadership, International Business, IRC
    Speakerin zu internationalen Führungsthemen (Foto: © Barbara Wietasch)

  • Image und öffentliches Ansehen des Unternehmens zu erhöhen, und dadurch die besten Bewerber anzuziehen.
  • schlichtweg: Kosten zu sparen!

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der erfolgreichen Implementierung einer Willkommenskultur im Unternehmen.

Ihre
Barbara Wietasch

Über Barbara Wietasch

Barbara Wietasch ist Sprachwissenschaftlerin, Organisationsentwicklerin (MAS), zertifizierte Wirtschaftsmediatorin und Speaker zu internationalen Führungsthemen sowie Lektorin an einer internationalen Business School in Wien. Von ihrer frühesten Jugend an haben andere Länder und andere Sitten sie begeistert, ebenso ihr Wissen an andere weiterzugeben. Profitieren Sie von ihrem großen Wissen als Praktikerin und Expertin und erschließen Sie für sich und Ihr Unternehmen die Schätze aus der internationalen beziehungsweis globalen Zusammenarbeit. Ihre Trainings- und Beratungssprachen sind deutsch, englisch und spanisch.

Mehr über Barbara Wietasch im Internet unter www.internationaldynamics.de.

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