… aus der wöchentlichen Themenserie von Anne M. Schüller über Marketing, Kundenbindung, Branding und Unternehmensorganisation. Nach dem letzten Beitrag „Alt oder neu? Unterwegs auf Kongressen und Veranstaltungen in unserer neuen Businesswelt“ folgt heute: „Gendermarketing und Gendersales: Der ungehobene Umsatzschatz.“
———-
Bis zu 80 Prozent aller Konsumentscheidungen werden von Frauen getroffen, die Zahl ist bekannt. Und für viele Branchen ist diese Zahl relevant. Doch Frauen denken, fühlen, handeln, entscheiden und kaufen anders als Männer. Weil aber diese Tatsache in Sales und Marketing bei weitem nicht ausreichend berücksichtigt wird, geht den Unternehmen ein Batzen Umsatz verloren.
Dem deutschen E-Commerce entgehen jährlich geschätzte 2,3 Milliarden Euro Umsatz alleine dadurch, dass die weibliche Kundschaft digital mangelhaft angesprochen wird. Statt der im Versandhandel üblichen 71 Prozent tragen Frauen im puren Online-Handelssegment nur magere 46 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Dies geht aus einer kürzlichen Untersuchung des BVH (Bundesverband des Deutschen Versandhandels) hervor.
Warum das so ist? „E-Commerce ist Männersache. Vom Konzept bis zum System machen die Jungs das, was sie für toll und richtig halten. Die Bedürfnisse der Frauen werden weitgehend ausgeblendet, um nicht zu sagen: sträflich missachtet“, klagt Jochen Krisch in seinem Blog „Exciting Commerce“. Im Autohandel, bei Banken und in den meisten anderen Branchen sieht das keinesfalls besser aus.
Die Frau von heute: kaufkraftstark, loyal, empfehlungsaktiv
Kein Zweifel: Die Kaufkraft der Frauen ist höher als jemals zuvor. Auch ihr Treuepotenzial, ihr Mundpropaganda-Verhalten und ihre Empfehlungsbereitschaft sind überproportional stark ausgeprägt. Fast jede Frau ist quasi ein personifiziertes Schneeballsystem. In unseren neuen Businesszeiten, in denen man den Hinweisen Dritter viel mehr glaubt als der Werbung, dürfte dies von besonderem Interesse sein.
Denn wir leben in einer Empfehlungsgesellschaft. So ist eine persönliche Empfehlung für 88 Prozent der weiblichen Konsumenten die wichtigste Informationsquelle für eine Kaufentscheidung. Das ergab eine kürzliche Umfrage der Empfehlungsplattform Konsumgöttinnen, an der 2.400 Frauen teilnahmen.
Und eine Untersuchung der Erasmus-Universität in den Niederlanden ergab, dass Männer eher einem Unternehmen und seinen Marken die Treue halten, während für Frauen die Beziehung zu einem Ansprechpartner vorrangig ist. Auch das ist ein Hinweis, aus dem man in Sales und Marketing eine ganze Menge machen kann.
Schließlich interessieren sich Frauen für das Urteil anderer stärker als Männer – und sie folgen gutgemeinten Hinweisen sehr viel bereitwilliger. Sie lassen sich allerdings auch eher von der Skepsis anderer anstecken. Denn sie sind – und das hat vor allem mit Hirnfunktionen und Neurochemie zu tun – tendenziell entscheidungsunfreudiger und auch weniger risikobereit.
Die Frau im Fokus: Fragen, die weiterhelfen
Frauen denken, fühlen, handeln und kaufen anders als Männer, das ist bekannt. Doch haben Sie spezifisches Wissen um die Frau als Zielgruppe schon konsequent in Ihr Kundenmanagement eingebaut? Gibt es genderspezifisch bei Ihnen
- zwei verschieden strukturierte Verkaufsgespräche?
- zwei verschiedene Vorgehensweisen am Telefon?
- zwei verschiedenartige Produktbeschreibungen?
- zwei unterschiedliche Formen von Reklamationsbearbeitung?
- zwei verschiedene Formen der Mundpropaganda-Stimulation?
Und außerdem:
- Begrüßen Sie Männer und Frauen verschieden?
- Bedienen oder beraten Sie Männer und Frauen verschieden?
- Verkaufen Sie an Männer und Frauen verschieden?
- Wie nutzen Sie das geschlechterspezifische Treueverhalten?
- Wie nutzen Sie das geschlechterspezifische Empfehlungsverhalten?
Und schließlich:
- Was wissen Sie aus der Hirnforschung über die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Kunden? Und was setzen Sie daraus um?
- Befragen und beteiligen Sie ganz speziell Frauen, um zu erfahren, wie Frauen ticken? Und warum sie kaufen – oder auch nicht?
- Haben Sie Ihre Kundendaten geschlechterspezifisch analysiert? Welche Muster sind zu erkennen? Und was lässt sich daraus lernen?
- Sind Ihre Produkte, wenn Sie sie vor allem an Frauen verkaufen, auf Frauenwünsche und Frauenhände ausgerichtet? Woher wissen Sie das?
- Wie berücksichtigen Sie weibliches Sozialverhalten? Und haben Sie Ihre männlichen Verkäufer auf weibliche Kommunikationsmuster trainiert?
Intuitiv haben viele Unternehmen das eine oder andere schon gut und richtig gemacht. Um dies nun vom Zufall zu befreien, heißt es, sich an jedem einzelnen Touchpoint mit den unterschiedlichen Verhaltensweisen der beiden Geschlechter intensiv und systematisch auseinanderzusetzen – und am Ende passende Maßnahmen daraus abzuleiten.
Fortsetzung auf Seite 2