Vom Hobby zum Start-up
Herr Kühn, Bio Tee, Fair Trade aus Übersee, in gemeinnützigen Behindertenwerkstädten abgepackt – das klingt ein wenig nach Nicaragua-Kaffee der 80er. Ist das Assam Projekt ein soziales Engagement oder verdienen Sie damit Geld?
Die Idee der Unternehmung ist im Grundgedanken auch durch eigenes Interesse entstanden. Und da hier soziale Verantwortung und beste Qualität im Fokus liegen, haben wir das auch konsequent auf unsere Unternehmung angewandt. Letztlich muss das Geschäft natürlich auch Ertrag erwirtschaften, um langfristig Erfolg zu haben und sollte gleichzeitig Freude an der Arbeit bereiten. Viele positive Rückmeldungen zu unserem Projekt bestätigen uns in unserer Arbeit und treiben uns an.
Sie nennen Ihr Unternehmen nicht Geschäft, sondern Projekt. Wen oder was möchten Sie durch Ihren Teehandel unterstützen?
Allen voran möchten wir die komplette Lieferkette unterstützen und verbessern. Hierzu zählen neben unseren Kunden auch die Produzenten und die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter auf den Teeplantagen. „Projekt“ auch deswegen, weil wir in verschiedenen Kooperationen unser soziales Engagement ausbauen wollen. So haben wir uns bewusst für eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung entschieden und arbeiten darüber hinaus mit Studenten im kreativen Bereich zusammen, unter anderem beim Verpackungs- und Webdesign. Auch der Hintergrund unserer aktuellen Verpackung entstand in Kooperation mit einer freischaffenden Künstlerin.
Bio und Fair Trade sind heute keine Alleinstellungsmerkmale mehr im Lebensmittelhandel. Wie behaupten Sie sich gegenüber der vielfältigen Konkurrenz?
Direktimport, beste Qualität und faire Preise gehören zu unserer Maxime. Wir sind ja unter anderem aufgrund der alten Preisgefüge in den Markt gestartet, um eben nicht für einen erstklassigen Assam-Tee über 10 Euro für 100 Gramm zu zahlen.
Mit der Gradierung second flush Qualität Special Finest Tippy Golden Flowery Orange Pekoe 1 (SFTGFOP1) vertreiben Sie einen sehr hochwertigen Tee, aber eben nur dieses eine Produkt. Ist das ein Risiko oder Strategie?
Ganz klar auch hier: Wir wollen unseren Kunden beste Qualität liefern. Auch die Wahl des Assam Tee war wohl überlegt. So ist Assam Tee einer der meistgetrunkenen und harmonisch, kräftig balancierten Tees am Markt. Durch die saisonal bedingte Ernte kaufen wir einmal im Jahr eine sehr große Menge Tee, wodurch wir einen sehr guten Preis erzielen können. Aber seien Sie gewiss: Es werden noch weitere Produkte in der Zukunft in unser Portfolio aufgenommen werden.
Da Sie nur die aromatischere zweite Teeernte des Jahres anbieten, sind Ihre Vorräte meist nach vier Monaten ausverkauft. Was tun Sie den Rest des Jahres?
Das ist so nicht ganz der Fall. Wir kaufen einmalig die große Menge an Tee ein und das muss dann auch die volle Saison ausreichen. In den Anfängen unserer Unternehmung kam es trotz jährlich zweistelligem Wachstum immer wieder vor, dass wir ausverkauft waren. Aktuell haben wir noch eine kleine Restmenge der letztjährigen Saison, wobei auch diese vor Eintreffen der neuen Ernte ausverkauft sein wird. Die Kunst liegt hier also darin, die ideale Menge für eine komplette Saison einzukaufen. Das ist bei der aktuellen Wachstumslage immer noch sehr schwer genau zu kalkulieren.
Könnten Sie sich vorstellen, den Onlinehandel mit Tees aus Äquatornähe, die das ganze Jahr über geerntet werden, oder mit anderen saisonalen Produkten auszuweiten oder ist Assam Tee Ihre Überzeugung?
Auch hier, die Qualität ist ausschlaggebend. Es wird auch in Assam fast das ganze Jahr über Tee geerntet. Allerdings gibt es die beste Qualität aufgrund der äußeren Umstände und Einflüsse auf das Wachstum der Teepflanze nun mal in der zweiten Ernte, im „second flush“. Eine Abkehr von dieser Qualitätsmaxime wird es nicht in naher Zukunft nicht geben.
Für den Direktimport Ihres Tees mussten Sie die passenden Produzenten finden. Wie aufwändig ist die EU-Bio-Zertifizierung einer indischen Teeplantage?
Die Suche nach geeigneten Plantagen ließ sich schon aufgrund unserer geforderten Ansprüche stark eingrenzen. Hierzu zählen neben der herausragenden Qualität vor allem der kontrolliert biologische Anbau und das Bemühen, die Bedingungen der Arbeiter vor Ort kontinuierlich zu verbessern. Der Zertifizierungsprozess ist ein aufwendiger und bürokratischer Prozess, da die gesamte Lieferkette zertifiziert und kontrolliert wird. Somit ist gewährleistet, dass von der Plantage bis in die Verkaufsverpackungen nur zertifizierte Partner den Tee verarbeiten dürfen und reiner Bio Tee verkauft wird.
Die Teeherstellung ist ein mühevoller Prozess mit viel Handarbeit und kleinen Betriebsgeheimnissen. Wie stellen Sie die Qualitätskontrolle sicher?
Wir führen bei der Auswahl der neuen Ernte diverse sogenannte „Tea Tastings“ durch, bei denen wir die Qualität des Blattguts und allem voran natürlich den Geschmack überprüfen. Darüber hinaus wird durch die Bio-Kontrollstelle der Tee auf Pestizide untersucht und seit diesem Jahr führen wir ebenfalls eine eigene, außer Haus beauftragte Rückstandskontrolle durch zur doppelten Absicherung für uns und unsere Kunden.
Mittlerweile sind Sie Teeexperten. Wie viel Fachwissen und Beratung benötigt ein Start-up, um erfolgreich mit fernöstlichen Partnern zu handeln?
Um ehrlich zu sein ist es ein langer Weg gewesen, den wir gegangen sind. Allerdings war die konsequente Ausrichtung und anschließende Umsetzung eine gute Stütze um am Markt durchzudringen, von den zum Teil sehr großen Partnern ernst genommen zu werden und auch erfolgreich mit Ihnen zu handeln. Sofern es im Unternehmen nicht möglich war, eine Lösung zu finden, haben wir die Aufgabe an externe Spezialisten ausgelagert, um deren Expertise nutzen zu können.
Bioproduktion, fairer Direktimport, verpackt von Menschen mit Handicap, frischer Online-Verkauf – klingt einfach und vernünftig. Ist Ihr Geschäftsmodell auf andere Branchen übertragbar oder wo liegen die Hürden?
Das haben wir uns vor Beginn der Gründung natürlich auch gefragt. Hier ist ganz klar der Verbraucher der Entscheider und steuert mittels seiner bewussten Wahl des Produktes beim Kauf die Ausrichtung des Marktes. Man muss natürlich bei anderen Branchen mit anderen Schwierigkeiten und Herausforderungen rechnen, aber generell sehen wir kein Problem, beste Qualität zu fairen Preisen auf andere Bereiche zu übertragen.
Herr Kühn, wir danken für Ihre interessanten Antworten.
Das Interview mit Hagen Kühn führte Oliver Foitzik.
Über das Assam Projekt
Das Assam Projekt besteht aus den Schulfreunden Hagen Kühn und Max Schütze, ein em Wirtschaftsingenieur und einem gelernten Koch und angehenden Verpackungstechniker. 2014 machten Sie ihre Teeleidenschaft zum Beruf und gründeten in Berlin die Assam Projekt K+S GmbH. Einmal im Jahr nach der second flush-Ernte transportiert ein LKW den feinen Assam Tee vom nordostindischen Teegarten Tonganagaon nach Kalkutta. Per Schiff erreicht der Tee Wochen später Hamburg und wird schließlich in den gemeinnützigen Berliner Mosaik-Werkstätten für den Online-Versand verpackt.