BIP-Alternative: Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“

Wie misst man Wohlstand? Bei der Frage, wie man Wohlstand und Lebensqualität in einer Gesellschaft statistisch messen kann, leitet sich seit einigen Jahren ein lagsamer aber unaufhaltsamer Wandel ein: War in der Vergangenheit der Blick häufig allein auf wirtschaftliche Größen wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und dessen Wachstumsrate beschränkt, hat die Finanz- und Bankenkrise seit 2008 zu Alternativen über unsere Art des Wirtschaftens geführt, bei der die Qualität und die Nachhaltigkeit der Wohlstandszunahme im Fokus steht. Ein erster Meilenstein der jüngeren Entwicklung war hier der im September 2009 vorgelegte Bericht der Stiglitz-Kommission über die adäquate Messung von Wohlstand und sozialem Fortschritt.

Als Folge davon hat sich inzwischen ein weitgehender gesellschaftlicher Konsens darüber durchgesetzt, dass es sinnvoll ist, über die rein wirtschaftliche Entwicklung einer Gesellschaft hinaus, weitere unparteiische Analysen durch eine umfassende und konsistente Sozialberichterstattung bereitzustellen, die auch Aspekte der Nachhaltigkeit beinhaltet.

In einer weiteren Konsequenz wurde daraufhin vom Bundestag die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ eingesetzt. Ihr Auftrag ist es, ein neues statistisches Maß für den Wohlstand unserer Gesellschaft zu entwickeln. Es geht darum, das rein ökonomisch und quantitativ ausgerichtete Bruttosozialprodukt (BIP) als traditionelle Messgröße für gesellschaftliches Wohlergehen so weiterzuentwickeln, dass die für das individuelle Wohlempfinden wichtigen ökologischen, sozialen und kulturellen Kriterien in die Messgröße des Ausmaßes der Lebensqualität unserer Zivilisation bzw. Gesellschaft mit einfließen. Es geht darum, nicht einfach nur immer mehr zu produzieren und zu konsumieren – sondern ob dies tatsächlich zu einer Steigerung der Lebensqualität ALLER beiträgt und ob diese Steigerung/Wachstum nachhaltig erreicht wird, also nicht auf Kosten des zukünftigen Potenzials, weiterhin in einer lebenswerten Umwelt/Umgebung leben zu können.

Dies birgt politischen Sprengstoff: Wenn das Wohlergehen nicht mehr allein über die Wirtschaftsleistung, sondern auch über Aspekte wie ökologische Nachhaltigkeit, Verteilungsgerechtigkeit, Wohnqualität, gute Gesundheitsversorgung, Chancengleichheit im Bildungswesen oder Zugang zu guter Arbeit definiert wird, dann impliziert dies zugleich auch die Formulierung eines politischen Auftrags — nämlich die Gesellschaft in diese Richtung weiterzuentwickeln und beispielsweise für mehr Umweltschutz, eine andere Verteilung des Reichtums oder ein Gesundheitssystem zu sorgen, zu dem alle Einkommensarten solidarisch und nach ihrer tatsächlichen Höhe herangezogen werden. Das birgt gewaltigen Zündstoff.

Aktueller Zwischenstand

In einem aktuellen Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung gehen Richard Hilmer und Nico A. Siegel von TNS Infratest zusammen mit Prof. Gert G. Wagner (Vorstandsvorsitzender des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW Berlin, Lehrstuhlinhaber für Empirische Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin und Mitglied der Enquete Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualitat“ ) der Frage nach einer Alternative zum BIP mit einer eigens durchgeführten repräsentativen Bevölkerungsbefragung nach. Den Beitrag können Sie auf FAZnet nachlesen.

Weiterführende Hintergrundinformationen

Belastungsgrenzen des Ökosystems vielfach erreicht – Abschlussbericht der Projektgruppe 3 der Enquete-Kommission “Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität”

Wie misst man Wohlstand? Diskussion über Alternativen zum BIP

„Wir vertrauen nicht allein dem Markt“ – Interview zur Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“

Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Interview zum Thema qualitatives Wachstum

Alternative zum BIP – Bundestag zieht Zwischenbilanz der Wachstumsdebatte

(mb)

Alternative zum BIP – Wachstumsdebatte im Bundestag Teil 2 – Zwischenbilanz

Kennen Sie schon die Leinwände von Inspiring Art?