Dr. Lutz Raettig: Ohne Vertrauen ist alles nichts

Dr. Lutz Raettig, Aufsichtsratsvorsitzender der Morgan Stanley Bank AG (Bild: Martin Joppen)
Dr. Lutz Raettig, Aufsichtsratsvorsitzender der Morgan Stanley Bank AG (Bild: Martin Joppen)

Dr. Lutz Raettig, Aufsichtsratsvorsitzender der Morgan Stanley Bank AG in Frankfurt und Sprecher des Präsidiums von Frankfurt Main Finance, sprach im Interview mit AGITANO – in Zusammenarbeit mit der mmc AG – über die Bankenkrise, den teilweise einhergehenden Vertrauensverlust gegenüber der Bankenbranche und wie Vertrauensmanagement bei Morgan Stanley gelebt und aktiv betrieben wird. Dieses Gespräch wurde im Vorfeld des Trust-Events, welches am Donnerstag, 15. Mai 2014, von 18:00 Uhr bis 21:30 Uhr, unter dem Titel „Vertrauenskulturen in Frankreich und Deutschland: Was bewirken sie heute und morgen?in Frankfurt am Main stattfindet, durchgeführt.

Das Interview mit Dr. Lutz Raettig ist das vierte der Reihe. Die bisherigen drei Interviews waren:

Vertrauen durch Transparenz, Kommunikation, Berechenbarkeit“ von Prof. Dr. Rainer Klump, Professor für Volkswirtschaftslehre und Vizepräsident an der Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie Präsident des deutsch-französischen Vereins „Freunde und Förderer der Maison Heinrich Heine“

Vertrauen: Selbstkritik, harte Arbeit, nur sehr langfristig“ von Prof. Dr. Nonnenmacher, Herausgeber der F.A.Z.

Vertrauen lässt sich nicht dekretieren, es muss vorgelebt werden“ von Prof. Dr. Tom Sommerlatte, Vorstandsvorsitzender des Trust Management Instituts

Weitere Interviews folgen in den kommenden Tagen.

Interview mit Dr. Lutz Raettig, Morgan Stanley Bank AG

Schönen guten Tag Herr Dr. Raettig, bitte stellen Sie sich kurz vor.

Mein Name ist Lutz Raettig. Ich bin der Aufsichtsratsvorsitzender der Morgan Stanley Bank AG, Frankfurt, Sprecher des Präsidiums von Frankfurt Main Finance, Vorstandsmitglied des Bundesverband Deutscher Banken, Stadtrat (CDU) in Frankfurt, Schatzmeister der CDU Frankfurt und Mitglied des Bundesvorstands des Wirtschaftsrat der CDU. Darüber hinaus habe ich einige Aufsichtsrats- und Beiratsmandate.

Sie stehen an der Spitze eines der größten internationalen Geldhäuser in Deutschland. In den vergangenen Jahren haben Banken sehr viel an Vertrauen in der Gesellschaft und bei den Menschen verloren. Wie haben Sie dies persönlich wahrgenommen?

Ich habe dies auf vielfältigste Art und Weise wahrgenommen. Einerseits kamen Menschen direkt auf mich zu, haben ihr Bedauern mit Aussagen wie „Du bist ja ein Banker“ ausgedrückt. Andererseits habe ich eine deutliche Aggressivität zu spüren bekommen, vor allem auch in den Medien. Überall dort, wo man etwas Negatives sagen konnte, waren die Banken eine ideale Zielscheibe. Diese Aussagen waren meist sehr heftig und wenig differenziert. Auch Aussagen der ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler und Christian Wulff waren mehr als nur direkt, vor allem zum 10-Punkte-Programm der Bundesregierung zu Anlegerschutz und zur Unternehmensintegrität. Generell kann man sagen, dass die Kommunikation mit den Medien und mit der Politik damals sehr schwierig war und sich in den letzten sechs Monaten deutlich verbessert hat. Und trotz allem, das Thema ist „not over yet“, also immer noch kritisch.

Teilweise waren hier die Banken auch selbst verantwortlich. Was haben Sie und Ihre Kollegen in den Führungsgremien unternommen, um das verlorene Vertrauen im Markt zurückzugewinnen?

Ja, da muss ich Ihnen leider zustimmen. Die Banken haben hier teilweise auch selber Schuld. Die Exzesse im Bezahlungs- und Produktbereich, die Aggressivität im Marketing und die teilweise unzureichende Beratung der Kunden sind einige Beispiele, die ich hier anführen möchte. Gemessen an der Zahl der Leistungen, die vernünftig und erfolgreich funktioniert haben, ist dies ein verhältnismäßig kleiner Teil. Aber wir müssen uns hier den Schuh anziehen und der Kritik stellen, was wir täglich tun.

Wir haben in den vergangenen Jahren viel gemacht, um das verlorene Vertrauen im Markt zurückzugewinnen. Wir wirken sehr stark aufklärerisch, dokumentieren nachvollziehbar, wo Banken sinnvolle und wertbringende Leistungen für die Gesellschaft und Wirtschaft erbringen und werben in vielen Institutionen, Vereinigungen und Verbänden für Vertrauen in unsere Arbeit. Es war und ist bis heute ein mühsamer Weg.

Inwieweit wirkte sich der teilweise schlechte Rufe der Banken auch nach innen auf die Mitarbeiter aus?

Das Vertrauen in Glaubwürdigkeit der Führungs-Crew war sicherlich angeknackst und bisweilen schlecht. Unsere Mitarbeiter, die direkt im Kontakt mit dem Kunden stehen und ihm täglich ins Gesicht schauen müssen, haben vieles zu hören bekommen. Es war in den vergangenen Jahren keine leichte Zeit für unsere Mitarbeiter. Das wissen wir.

Jeder Mitarbeiter ist ein Botschafter des eigenen Unternehmens nach außen. Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter dabei trotz der oft harten Kritik motiviert, das eigene Unternehmen nach außen positiv zu repräsentieren?

Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation und dies auf allen Hierarchieebenen und über alle Unternehmensstufen hinweg. Vor allem auf Top-Management-Ebene haben wir sehr viel gemacht. Immer wenn ein Senior Manager in Deutschland war, haben wir sogenannte Townhall-Meetings durchgeführt. In diesem wurden die jeweils anwesenden Mitarbeiter über den aktuellen Sachstand informiert und Fragen hinsichtlich „what’s in it for the future“ beantwortet. Es ging uns darum, das Vertrauen und die Standfestigkeit bei den Mitarbeitern wieder aufzubauen. In vielen Fällen ist uns dies gelungen, manchmal leider auch nicht. In diesen Fällen haben wir intensiv nachgearbeitet und Einzelgespräche geführt. Am Ende lag dann die Entscheidung beim Mitarbeiter. Für uns sind die Mitarbeiter das wichtigste Gut.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht eine gute und starke Vertrauenskultur für Unternehmen?

Das ist absolut essentiell. Ohne Vertrauen ist alles nichts. Integrität, Zuverlässigkeit, Vorhersehbarkeit, Transparenz und natürlich fachliche Kompetenz sind das A&O unseres Handelns. Das geht sehr schnell verloren, wenn größere Dinge passieren. Es ist nur sehr schwer wieder aufzubauen. Und es muss gemacht werden. Kunden müssen Vertrauen zu uns haben, vor allem in die Integrität. Dafür stehen integre Leute und dies sind die Mitarbeiter.

Was tun Sie bei Morgan Stanley dafür, dass diese stabil bleibt und weiter wächst?

Wir haben eine Vielzahl an Initiativen und Aktivitäten durchgeführt. zum Beispiel unser Stammkapital erhöht, neue Shareholder mit dem chinesischen Staatsfond CIC und der Mitsubishi UFJ Financial Group (MUFG) angeworben, ganze Geschäftszweige verkauft, den Private Equity Bereich zugemacht, den Eigenhandel teilweise verkauft und ebenfalls geschlossen, den Broker Smith Barney übernommen, fahren ein rigides Kostenmanagement und haben im Handel viele Abläufe verändert. Im öffentlichen und politischen Feld wurde auch sehr viel gemacht. Und intern haben wir bereits sehr früh, bereits Ende 2007, noch vor der Lehmann Pleite, ein „Culture Change Programm“ initiiert, da wir damals bereits die Auswirkungen, wie zum Beispiel ein sinkender Aktienkurs, mehr als nur deutlich gespürt haben. Wir merken, dass sich alle diese Maßnahmen über die Zeit hinweg positiv auswirken. Wir sind auf einem guten Weg.

Was sind Ihre Beweggründe an der am  15. Mai 2014 in Frankfurt am Main stattfindenden Trust Event-Diskussionsrunde teilzunehmen?

Es geht mir um Aufklärung, das Gespräch zu suchen und für uns und unsere Rolle zu werben.

Herr Raettig, vielen Dank für das offene Gespräch. Sie haben uns interessante Einblicke in das Thema Vertrauensmanagement in Unternehmen, speziell in Ihr Unternehmen, gegeben.

Das Interview führte Oliver Foitzik, Herausgeber des Wirtschafts- und Mittelstandsmagazins AGITANO.

Trust-Event zum Thema Vertrauen in FFM

Unter dem Titel Vertrauenskulturen in Frankreich und Deutschland: Was bewirken sie heute und morgen?“ diskutieren Experten und Praktiker auf dem Trust-Event in Frankfurt, der am Donnerstag, 15. Mai 2014, von 18:00 Uhr – 21:30 Uhr, stattfindet, über Vertrauen und dessen Management.

Diese Veranstaltung wird das Thema „Vertrauensbildung“ näher beleuchten und aufzeigen, wie Vertrauen zwischen Organisationen und Mitarbeitern entsteht. Dabei wird eine große Rolle spielen, wie Franzosen und Deutsche mit der Vertrauensbildung umgehen und wie dies die Zusammenarbeit von französischen und deutschen Unternehmen und Institutionen beeinflusst.

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