Über unser kollegiales Verhältnis zur Dummheit

Wer sich für klug hält, ist der Dümmste von allen – das ist das so genannte Paradox der Dummheit. Aber was ist überhaupt Dummheit und was ist Intelligenz? Und ist der Intelligente am Ende des Tages besser dran als der Dumme? Besonders dumm scheint es, sich in Widersprüche zu verwickeln, wie es Politiker jeder Couleur immer wieder gerne tun…

Mit solchen und anderen Fragen zur Dummheit beschäftigt sich Ulrich B Wagner heute in „QUERGEDACHT & QUERGEWORTET – Das Wort zum Freitag“.

Die Dummheit ist rund. Niemand weiß wo sie anfängt und wo sie aufhört.
Ernst Ferstl

Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, kommt keine Klugheit an
Theodor Fontane

Um ernst zu sein reicht Dummheit, während zur Heiterkeit ein großer Verstand unerlässlich ist.
Shakespeare

Dummheit siegt

Im Volksmund gilt immer noch die einhellige Überzeugung: Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln. Nicht ganz zu unrecht, denn internationale Forscher haben im Kontext Intelligenz und Evolution beweisen können: Dummheit siegt. Schon lange gelten Intelligenz und Innovation als hoch riskante Strategien. In der Tierwelt ist Beschränktheit meist von Vorteil und Kreativität eher die Sache der Underdogs.

Fürsorge oder Entmündigung?

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Gibt es bei Starbucks bald eine Altersbeschränkung? (© Ulrich B Wagner & Alistair Duncan / alistairduncan.de)

Die Regierung sagte vergangener Woche den heißgeliebten „Energyshots“ der Sorte Red Bull und Konsorten den Kampf an. Mutig und verwegen zog unser aller Ernährungsminister Christian Schmidt von der CSU in die Schlacht und wurde nicht müde, mit erhobenen Zeigefinger auf die verheerenden gesundheitlichen Folgen hinzuweisen. Schmidt fordert den Handel auf die koffeinhaltigen Wachmacher aus dem Regal zu holen, immerhin enthält eine Dose sage und schreibe 80 Milligramm Koffein. Was wiederum einer Tasse Kaffee entspricht.

Was ist hier wirklich noch vorsorgender Verbraucherschutz und was am Ende des Tages reine Entmündigung des Verbrauchers und Volksverdummung? Angeblich wird nämlich auch über eine verschärfte Alterskontrolle und limitierte Kaffeeausgabe bei Starbucks und Co. in Berlin nachgedacht werden…

Irgendwie dumm oder nicht? Wir oder er? Eigentlich sollte es ja so einfach sein. Dumm bleibt dumm…

Das Paradox der Dummheit

Doch so einfach macht sie es uns nicht: die Dummheit. Dummheit zählt mit zu den schwierigsten Themen, und dass heute so viel über sie geschrieben wird, daran sind nicht nur das Internet und das Fernsehen schuld!

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Nicht Fernsehen und Internet sind schuld an der Hochkonjunktur der Dummheit. (© Ulrich B Wagner & Alistair Duncan / alistairduncan.de)

Doch das einhellige Gemotze über die Dummheit ist nicht ohne Fallstricke. „Über die Dummheit“ hieß ein Vortrag Robert Musils, und es war ausgerechnet Musil, einer der klügsten und feinfühligsten Menschen, der von einem „kollegialen Verhältnis zur Dummheit“ sprach. Das in diesem Zusammenhang formulierte Paradox der Dummheit besagt nämlich, „dass jeder, der über Dummheit sprechen oder solch einem Gespräch mit Nutzen beiwohnen will, von sich voraussetzen muss, dass er nicht dumm sei und also zur Schau trägt, dass er sich für klug halte, obwohl es allgemein für ein Zeichen von Dummheit gilt, das zu tun!

Es ist vergleichbar mit dem Typus des Spießers, den man sehr schnell daran erkennt, dass er davon besessen ist, anderen die Spießigkeit nachzutragen, so ist einer nicht fern vom Dummkopf, wenn er ständig im Verfolgen der Dummheiten anderer seine Intelligenz beweist. So ein Intelligenzbeweis schafft das Gefühl moralischer Überlegenheit, und so ein Gefühl belebt nicht wenige der Dummköpfe, denen die Idee fern liegt, nicht ganz gescheit zu sein. In diesem Zusammenhang fiel mir auch wieder ein Aufsatz von Ottmar Ette in die Hand, der den trefflichen Titel Über hergestellte Dummheit und inszenierte Intelligenz heißt, der in einem Buch steht, das ich jedem an diesem Thema Interessierten nur empfehlen kann: „Strategien der Verdummung. Infantilisierung in der Fun-Gesellschaft.“

Kann man mit Intelligenz die Dummheit bekämpfen?

Doch ob Dummheit mit Intelligenz aufzulösen ist, bezweifelte schon Roland Barthes und hat sie mit dem Fernsehen begründet: „…wäre eine wissenschaftliche Analyse der Dummheit möglich, würde das ganze Fernsehen zusammenbrechen.“

Wie bei allem anderen geht es auch hier um die Frage: wieviel Anteil hat die Intelligenz an der Dummheit? Es geht also immer auch (und nicht nur bei unserem Ernährungsminister) um den Profit, den eine sich beweisende (angebliche) Intelligenz aus der Dummheit zieht.

Der Legende nach sei Roland Barthes in sich gegangen, als er im Laufe des Jahres 1977 schrieb, er habe nur noch ein einziges Projekt: „… meine eigene Dummheit zu ergründen oder, besser noch, sie zu sagen, sie zum Gegenstand meiner Bücher zu machen.“

In diesem Sinne wünsche ich uns allen wieder mehr Mut zu einem gesunden Bauchgefühl und einer Intelligenz, die es nicht nötig hat, sich fortlaufend selbst unter Beweis zu stellen.

Ihr
Ulrich B Wagner

Über Ulrich B Wagner

Ulrich Wagner
QUERGEDACHT & QUERGEWORTET – Das Wort zum Freitag (Foto: © Ulrich B. Wagner)

Ulrich B Wagner (Jahrgang 1967) ist Diplom-Soziologe, Psychologe, Schriftsteller und Kolumnist. Sein Studium der Soziologie, Psychologie & Rechtswissenschaften absolvierte er an der Johann Wolfgang von Goethe Universität, Frankfurt am Main. Zusammen mit Professor Karl-Otto Hondrich arbeitete er am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an einer Reihe von Forschungsprojekten zum Thema „Sozialer und kultureller Wandel“.

Ulrich B Wagner ist Dozent an der european school of design in Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt  Kommunikationstheorie, Werbe- und Konsumentenpsychologie, sowie Soziologie und kultureller Wandel und arbeitet als Berater sowie systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikation und Konzeptentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Mail ulrich@ulrichbwagner.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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