Komik und Depression – Über das umgekehrt Erhabene im Leben von Robin Williams

Inhaltsverzeichnis

… aus der wöchentlichen Kolumne „QUERGEDACHT & QUERGEWORTET – Das Wort zum Freitag“ von Ulrich B Wagner. Nachdem den beiden Beiträgen „Lachen verboten … oder: die spinnen, die Türken!“ und „Narzissmus. Über menschliche Makel in Zeiten von Erdogan, Putin & Co.“ geht es heute um Witz, Lachen, Humor und, dass man Depressionen nicht weglachen kann.

 

Humor ist das umgekehrt Erhabene. Er erniedrigt das Große, um ihm das Kleine, und erhöht das Kleine, um ihm das Große an die Seite zu setzen…“.
Jean Paul

„Heiterkeit ist ohne Ernst nicht zu begreifen.“
Loriot

„Nachdem Gott die Welt erschaffen hatte, schuf er Mann und Frau. Um das ganze vor dem Untergang zu bewahren, erfand er den Humor.“
Guillermo Mordillo

 

Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten

Anfang des letzten Jahrhunderts begann Sigmund Freud sich ausgiebig mit den Werken des Münchner Philosophieprofessors Theodor Lipp und insbesondere mit seiner Schrift „Komik und Humor“ auseinanderzusetzen. 1905 erschien dann als Ergebnis seiner Arbeit „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten“. In dieser noch heute sowohl für die Witzforschung als auch für die Psychoanalyse grundlegenden Studie untersucht Freud die Technik und Tendenzen des Witzes.

Freud sah im Witz eine Technik des Unbewussten zur Einsparung von Konflikten und zum Lustgewinn. Der Lustgewinn beruhe auf einer kurzzeitigen Lockerung von Verdrängungen. Durch die Solidarisierung mit Gleichgesinnten wirke der Witz gegen Autoritäten, oder auch gegen Andersdenkende.

Lachen von Anfang an in uns

Über das Lachen wissen wir, dass es uns Menschen mit in die Wiege gegeben wird. Bereits Neugeborene lächeln, wenn sie an der Mutterbrust nuckeln. Nur wenige Wochen später kommt zu dem diskreten kleinen Bruder dann das Lachen. Anfangs nur durch Körperreizungen hervorgerufen, wird es im Laufe der Entwicklung dann auch von abstrakten Reizen, Bildern, Worten oder Dingen evoziert. Sowohl das Lächeln als auch der große Bruder, das Lachen sind der körperliche Ausdruck eines Simultangeschehens, verbunden mit Wohlbefinden, einem Entspannungs- und Glücksgefühl. Lachen ist nicht nur gesund, sondern hält Körper und Seele zusammen. Lachen ist, wie es der Volksmund ausdrückt, schlicht und einfach die beste Medizin. Die psychophysiologische Forschung weist folgerichtig auf zahlreiche positive Effekte des Lachens hin: Es aktiviert Atmung, Kreislauf, Muskeln und Nerven, aber auch das Hormon- und Immunsystem, stärkt damit die Abwehrkräfte, schlägt Bakterien und Viren in die Flucht und reduziert die Infarktgefahr.

Humor – eine Art der Abwehr

In seiner im allgemeinen unbekannten 1927 erschienenen Schrift “Über den Humor” schrieb Freud: Der Humor setzt gegen die Realität das Lustprinzip durch, er ist nicht resignierend, sondern trotzig und bedeutet den Triumph des Ich und des Lustprinzips. Das Großartige liegt im Triumph des Narzissmus, in der siegreich behaupteten Unverletzlichkeit des Ichs. Das Ich verweigert es, sich durch die „ … Realität kränken, zum Leiden nötigen zu lassen…“ Diese in der Regel erfolgreiche Abwehr des Leidens hat der Humor mit der Neurose, dem Rausch und dem Wahnsinn gemeinsam. Der Humor unterscheidet sich jedoch grundlegend dadurch von den oben beschriebenen Abwehrformen, dass er zu keinem Zeitpunkt „den Boden der seelischen Gesundheit“ unter den Füßen verliert. Er trotzt daher mit dieser adaptiven Abwehrleistung der Realität ohne Resignation.

Anders ausgedrückt, Humor ist die Fähigkeit, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit entgegenzutreten. Eine phänomenale Fähigkeit, die auch in der sprichwörtlichen Redensart Humor ist, wenn trotzdem lacht, die dem deutschen Schriftsteller Otto Julius Bierbaum zugeschrieben wird, zum Ausdruck kommt.

Komik und Depression eng verbunden

Anfang der Woche hat der Großmeister des Humors, der traurigste Komiker Hollywoods, der uns allen unvergessliche Momente des Spaßes, des Schalks und des Lachens schenkte, für sich selbst diese Fähigkeit verloren. Robin Williams hat seinen Kampf des Lebens mit eigener Hand beendet. Er wird fehlen. Er, der uns als Mrs. Doubtfire, als Mork vom Ork, oder in Flubber den Humor in unser Leben zauberte und so uns half und weiter helfen wird, über die Schatten- und Schlagseiten des Lebens hinweg zu lachen, ist es schließlich vergangen in seinem jahrelangen Kampf gegen Depressionen und Alkohol.

Depressionen lassen sich leider nicht weglachen, sie sind unbehandelt schlicht und einfach tödlicher Ernst. Es ist ein Leben am Tiefpunkt, ein einsames und in der Regel leises Leiden. Über 4 Millionen Deutsche sind hiervon betroffen und jeder vierte von uns bekommt einmal im Leben eine Depression. Die gute Nachricht, 70 bis 80 % der Fälle sind heilbar, wenn, ja wenn sie rechtzeitig erkannt wird und dies ist schwer, denn es ist nur ein schmaler Grad zwischen einer in Anführungszeichen normalen Verstimmung und einer Depression.

Vielleicht sollten wir in unserem Umfeld achtsamer sein, den Mut haben, vermeintlich Betroffene anzusprechen und unsere Hilfe anzubieten.

In diesem Sinne wünsche ich uns Allen mehr Feinfühligkeit und vor allem auch den notwendigen Mut zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Worte zu finden.

Ihr
Ulrich B Wagner

 

Ulrich Wagner
QUERGEDACHT & QUERGEWORTET – Das Wort zum Freitag (Foto: © Ulrich B. Wagner)

Über Ulrich B Wagner

Ulrich B Wagner (Jahrgang 1967) ist Diplom-Soziologe, Psychologe, Schriftsteller und Kolumnist. Sein Studium der Soziologie, Psychologie & Rechtswissenschaften absolvierte er an der Johann Wolfgang von Goethe Universität, Frankfurt am Main. Zusammen mit Professor Karl-Otto Hondrich arbeitete er am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an einer Reihe von Forschungsprojekten zum Thema  „Sozialer und kultureller Wandel“.

Ulrich B Wagner ist Dozent an der european school of design in Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt  Kommunikationstheorie, Werbe- und Konsumentenpsychologie, sowie Soziologie und kultureller Wandel und arbeitet als Berater sowie systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikation und Konzeptentwicklung, Begleitung von
Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Mail ulrich@ulrichbwagner.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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