What you do / Still betters what is done – / a wave o’ the sea, that you might ever do /
Nothing but that; move still, still so, / And own no other function
Shakespeares „Wintermärchen“
Zum ersten Mal kann man beispielsweise…., Reaktionär sein, nicht weil man rechts ist, sondern weil man zu links ist. Ein Kommunist oder jeder, der sich den Gesetzen der Marktökonomie als letztem Ziel widersetzt, ist ein Reaktionär. Jeder, der strikt gegen die Auflösung seines Landes in einem föderalen europäischen Raum ist, ist ein Reaktionär. Jemand, der den Gebrauch der französischen Sprache in Frankreich verteidigt oder jeder anderen Nationalsprache in ihrem jeweiligen Land und der sich der universellen Verwendung des Englischen entgegenstellt, ist ein Reaktionär.
Michel Houellebecq, in seiner Dankesrede zur Verleihung des Frank Schirrmacher Preises
Wann war das davor?
Ich glaube es war gestern oder vorgestern, nur welches gestern, welches vorgestern?
Ein bloßes DAVOR bloß? Geschichte halt?
Gesammelt in staubigen Büchern, in gestrigen musealen Aufbereitungen, Ausbreitungen und Darbietungen? Den Blick zurück im Weichzeichner, voller Romantik, das Bessere des Vergangenen, des Gewohnten Spiegelbrille versperrt vielleicht nicht, behindert aber mit Sicherheit einen unvoreingenommenen Blick in die Zukunft.
Doch was ist uns das Andere? Was ist uns noch? Störung? Ablenkung? Irritation? Oder vielleicht doch auch Anregung, Blickwechsel und Horizonterweiterung?
Was ist reaktionär? Was fortschrittlich?
Bloße Wörter, eingebunden vielleicht in Allgemein-, in Gleichgültigkeit gar? Verwendet je nach Herzenslage, wer weiß: Vielleicht?
Wenn Kommunikation alles ist, was ist Schweigen?
Nicht bloß Watzlawicks „Kommunikation ist Alles“ aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist mittlerweile zum Allgemeingut geworden. Denn jedes Kind pfeift diese Weisheit, bewusst oder unbewusst, vom Rad. Mein Schweigen dann doch, so oder so, ein mehr als Faulheit, mehr als Gleichgültigkeit, geplante Reaktion, ein Reden zu, ein passives Stellungnehmen bloß:
Gar Stellung, Frontverlauf … ?
Ist Schweigen doch nicht auch Aktion?
Das Nichthandeln, ein passives Tun nicht doch auch ein Handeln, ein Widerhandeln, nicht jetzt, nicht in der Gegenwart, im Augenblick des Nichts, im Später erst, im Blick zurück?
Nicht kämpferisch vielleicht, doch als ein Handeln, das Raum gibt, das Freiraum schafft, das Freie abzuschaffen.
Doch davon später vielleicht mehr.
Reden! Miteinander Reden vielleicht?
Warum Reden doch auch Gold ist
Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali hat sich vor Tagen den Fragen der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit gestellt. Die Reaktionen waren stürmisch. Stürmisch, wertend, bewertend und vorverurteilend bevor diese heute, am heutigen Freitag, erscheint. In dem Gespräch plädiert sie für einen offenen Dialog ungeachtet politischer Positionen.
„Wir müssen die Meinung des anderen aushalten können, ohne sie sofort zu verunglimpfen oder persönlich zu werden“, äußerte sich Hayali gegenüber der Zeitung.
„Wenn der Dialog endet, können wir alle einpacken“, betonte sie.
Auf ihrer Facebook-Seite erklärte Hayali, sie sei zutiefst davon überzeugt, „dass miteinander reden besser ist, als übereinander zu reden“.
Reden hilft.
Es hilft, wenn das Reden keiner Einbahnstraße folgt,
wenn es nicht der Linearität, der Sturheit und Singularität geschuldet ist.
Das Ziel des Mäander bestimmt die Richtung
Das ganze Leben ist ein Mäandrieren, ein Mäander (eine Sinuosität oder eine Kurve, meistens bei einem Fluss, einer Straße o.ä.).
Jeder Fluss mäandriert, er schlängelt, er biegt sich, nicht weil er das Ziel aus den Augen verliert, sondern weil er sich ihm nähert, beweglich, flexibel und dabei auch wie nebenbei, es von mehreren Seiten zu betrachten lernt. Der englische Hofmaler erschuf auch aus dieser Erkenntnis heraus die von Friedrich Schiller so geschätzte Definition der LINE OF BEAUTY AND GRACE, die Peter Handke in seiner äußerst lesenswerten Erzählung „Versuch über den geglückten Tag“ wieder aufgreift. „Die Schlangenlinie“, schreibt Hogarth, „ist die eigentlichste Form, welche man ausdenken kann, um nicht allein die Schönheit und den Reiz, sondern die ganze Ordnung der Form auszudrücken“ – „zu der Allgemeinheit einer Form zu lichten“, wird der Hogarth-NachFolger Peter Handke über zweihundert Jahre später schreiben.
Mäandrieren ist daher keine Beliebigkeit in der Haltung, nur der Versuch des SICH VERSTEHENS, des sich selbst aber auch des Anderen Worte und auch den Blick auf sie zu verstehen, ein aktives Abgleichen eher, das einem Verständnis des Miteinanders, bei aller Unterschiedlichkeit und Ausdifferenzierung, geschuldet ist.
Kommunikation ist freiheitsbestimmt
Kommunikation ist Alles. Fast alles würde ich sagen, wenn sie in Freiheit verortet ist.
Ohne Freiheit, keine echte Kommunikation. Auf alle Fälle keine, die Horizonte öffnet, sondern nur verschließt oder um es abschließend nochmals mit den Worten von Dunja Hayali auf den Punkt zu bringen:
Der Dialog mit der Jungen Freiheit hat mich interessiert.
Mit den Inhalten dieser Zeitung muss man sich stärker auseinandersetzen.
Das kann man alles daneben finden. Ihr gutes Recht. Meines ist, meiner Linie treu zu bleiben.
Wer für den Dialog plädiert, muss eben auch an Grenzen gehen. Das ist meine Haltung.
Über Positionen kann man streiten – dazu wäre es hilfreich, das Interview auch zu lesen –, aber eine „Moralpolizei“ braucht kein Mensch.
Ihr Ulrich B Wagner