Me-We-Generation: „DIE MILCH MACHT’s“

Haben sich die Generationen über die Jahrzehnte hinweg tatsächlich dermaßen geändert? Während die einen sich für neue und revolutionären Gedanken schämten und diese bekämpfen wollten, gehen andere für diese Gedanken in den Kampf. In Anlehnung an den großen Champion Muhammed Ali, der am 03. Juni 2016 seinen letzten Kamp verlor, regt Ulrich B Wagner zum Nachdenken an: Wo ist unser Wir-Gefühl?

„I study what you learn in school: common sense.”

Muhammed Ali in seiner Rede an der Harvard University am 09. Juni 1975

Wenn ich die Entwicklungen dessen, was wir Kapitalismus, freie Marktwirtschaft oder unter welchen Scheffel wir unser Wirtschaftssystem auch immer stellen mögen, im Kontext der Krisen und Konflikte, bei uns selbst, aber auch vor unserer Haustür ohne Neoprenanzug auf mich wirken lasse, kommt es mir ein wenig vor, als könnte ich fühlen, was Churchill meinte, als er die Demokratie als die schlechteste Staatsform bezeichnete, die er kenne. Er kenne nur leider keine bessere.

Mir geht es mittlerweile mit beidem, Demokratie und Kapitalismus, und ich glaube, ehrlich und offen betrachtet, nicht nur alleine so, sondern den meisten von uns.

Was kommt alles auf uns zu?

Irgendwas ist faul, riechen tun wir es alle mittlerweile. Selbst die mit chronisch verstopfter Nase können es vielleicht zwar nicht ganz so wie wir olfaktorisch auf die Spitze treiben, doch das eine oder andere Geschmäckle ist auch an ihren Zungenspitzen als beißende Vorahnung dessen angelangt, was da wohl kommen mag. Wenn.., ja wenn.

Wir leben in „gefährlichen Zeiten“. Auch, und meines Erachtens sogar einzig und allein, aus einem Grund, dass wir das WIR irgendwo auf dem Weg vergessen haben. Es ist müßig, darüber zu streiten, warum, wieso und wer am Ende des Tages am goldenen Nasenring als Schuldiger durch die Manege gezerrt wird.

Es ist an der Zeit zu begreifen, dass es um UNS geht und das abstrakte WIR und UNS wieder mit „echtem Leben“ gefüllt werden muss, damit es überhaupt irgendwie weitergeht, so oder so.

Es geht dabei auch um Wurzeln, um ein Verständnis dessen, was uns ausmacht, woher wir kommen, aber, und jetzt kommt das große Aber: Aber auch insbesondere darum, wo WIR eigentlich hinwollen und wer dann, ob überhaupt und in welcher Form dann noch Teil dieses vermeintlichen WIRs ist oder auch sein darf.

Der Champ ist tot, es lebe der Champ, würde ich gerne rufen.

Doch da ist nix

Der Mann, der nicht nur Foreman in Kinshasa gegen alle Widrigkeiten, gegen und auch hingegen aller Prognosen, Vermutungen und Prophezeiungen der Fachleute und der, die es immer glauben zu wissen, in die Bretter schickte, ist, wenn auch im wahren (?) Leben erst seit wenigen Tagen, im Grunde schon gefühlte Ewigkeiten im vermeintlichen, kollektiven Märchenbuch dessen was wir Gesellschaft nennen, pervertiert, weich- und weggespült.

Me, We … Das kürzeste Gedicht aller Zeiten, ein nettes Hipster-Accessoire, ein Aufdruck auf einem T-Shirt, das neuste Arschgeweih auf nackten, jungen Großstadtkörpern. Oder sind es vielleicht gerade sie, die Jungen, die den wahren Sinn des „Me We: I am my people. I am nothing without it”, nicht nur erahnen, sondern auch bereits in ihr Konzept von Freundschaft und Leben mit einweben.

Vielleicht ist es ja auch gerade meine Generation, der in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Geborenen, die Generation „Die Milch macht’s“, die es fast hingekriegt hätte, The World’s Greatest zu einer Marionette ihrer Interessen zu machen. Einer Generation, die Alis Satz „If a man extracts in return all he does for a friend, then it’s business, not true friendship“, aus seiner legendären Rede vor Studenten der Harvard University, nicht nur falsch interpretierte, sondern auf die Spitze der Perversionen trieb, indem sie auch noch das letzte WIR aus dem Wort WIRTSCHAFT  zu Gunsten letzter vermeintlicher Wahrheiten hinter der zigsten Nachkommastelle in ihrem Optimierungs- und Gewinnmaximierungswahn herausgepresst haben.

Nur fast

Wir brauchen Demokratie. Wir brauchen Kapitalismus. Wir brauchen eine freie Wirtschaft. Doch wir brauchen auch ein neues Wir-Gefühl, um wieder richtig leben und arbeiten zu können. Einverstanden, das hört sich super an und scheint ja so einfach zu sein. Mit Gewissheit nicht und mit Gewissheit sind wir Alle keine Muhammad Alis … Wenn uns das mit dem WIR aber wirklich so schwerfällt, könnten wir es ja vielleicht, bis wir soweit sind, schon mal mit dem DU beginnen: Dem reinen Du, aber auch dem Ich im Du und Du im Ich, dem Versuch den Anderen nicht nur zu verstehen, sondern auch sich selbst mal mit seinen Augen sehend zu verstehen.

Der Champion konnte es und er konnte es mit Humor, wie die Auszüge aus seiner legendären Harvard Rede beweisen.

Vielleicht ist uns ja auch gerade „nur“ die Gelassenheit und der notwenige Funken Humor verloren gegangen, nicht nur, um uns selbst nicht „nur“ als das Wichtigste der Welt zu nehmen, was Ali im wahren Leben auch nie tat, sondern, um in einem Moment des Lufholens auch wieder eine Ahnung von dem zu bekommen, was uns ausmacht und auf dem der ganze Rest auch ruhen und denen nützen könnte, die den Rahmen dieses ganzen Theaters bilden, das wir so lapidar Leben nennen.

Ein Leben, das in Ganzheit WIR alle zusammen ausmachen.

Mit Sicherheit sind wir aber auf alle Fälle ganz gut dabei beraten, das Leben nicht nur als eine große Spielwiese für eine Horde frei flukturierender Ego-Shooter eines globalen Turbokapitalismus zu betrachten.

 

Ihr

Ulrich B Wagner

Kennen Sie schon die Leinwände von Inspiring Art?